«Bob Marley: One Love» im Kino Und, ist es wirklich Liebe?
Reinaldo Marcus Green decodiert im Biopic über Bob Marley die Botschaften der Reggae-Legende für eine radikale, aber friedliche Revolution.
Biopics sind ein merkwürdiges Genre. Reinaldo Marcus Greens Film über die Reggae-Ikone Bob Marley macht aber vieles sehr, sehr richtig.
Das Porträt des legendären Reggae-Musikers schlägt einen nachdenklicheren, leiseren Ton an als die grellbunt funkelnden Pop-Biopics der vergangenen Jahre – «Elvis», «Bohemian Rhapsody» über Freddie Mercury und «Rocketman» über Elton John. Das liegt auch an seinem Gegenstand: Bob Marleys Leben und Wirken sind moralisch komplex, von Realpolitik und Religion durchsetzt.
Hilfreiche Konzentration auf wenige Jahre
Der beste Grund für diesen Film ist Kingsley Ben-Adir. Mit seiner mitreissenden Präsenz bügelt er so manche kleine Ungenauigkeit im Drehbuch aus. Der britische Schauspieler nähert sich der Rolle über die Manierismen Marleys – den zuckenden Körper auf der Bühne, das schiefe, wissende Lächeln, die Sprechweise im Dialekt. Im englischsprachigen Original wird jamaikanisches Patois gesprochen.
Der Film profitiert vor allem von Greens Entscheidung, sich auf die Ereignisse einiger weniger Jahre zu konzentrieren: vom Attentat auf Marley und seine Familie 1976 inmitten politischer Spannungen in Jamaika über die Entstehung seines berühmtesten Albums «Exodus» 1977 im Londoner Exil bis hin zur Rückkehr nach Kingston für sein grosses Friedenskonzert 1978. Green findet dabei eine gute Balance im Blick auf den Musiker, den Privatmann und die politische Person.
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Von der westlichen Musikindustrie unterschätzt
Für Marley selbst hing all das im revolutionären und spirituellen Geist der Rastafari-Bewegung untrennbar zusammen. Und hier stösst der Film dann doch an seine Grenzen: Ein bisschen ergeht es Green wie der westlichen Musikindustrie, die Marley, dieses Original, diesen Poeten des Widerstands, nie ganz ernst zu nehmen wusste. Was er mit seiner Musik wirklich sagen und erreichen wollte – seine Botschaften über Liebe, Gleichheit und panafrikanischen Zusammenhalt, seine besondere Bedeutung für eine ganze Generation Schwarzer, die sich aus kolonialer Unterdrückung zu befreien suchen –, all das beleuchtet der Film nur oberflächlich.
Auch der Darstellung von Bob Marleys Beziehung zu Ehefrau Rita (Lashana Lynch) fehlt es an Nuancen. Ganz weggelassen werden seine ausserehelichen Affären, aus denen mehrere Kinder stammen.
Raum für Songs von universeller Schönheit
Zu sich selbst findet «One Love» dann aber in der Musik. Sie ist das pochende Herz des Films. Alle grossen Hits von Marley haben ihren Moment – «No Woman, No Cry», «Is This Love», «Jamming» –, und sie haben nichts von der glühenden Energie ihrer Entstehungszeit verloren.
Reinaldo Marcus Green tut gut daran, den Songs in langen Konzert- und Studiosequenzen viel Raum zu geben. In solchen Szenen ist der Film am dynamischsten – leicht und federnd, angetrieben von den sommerträgen Melodien und Offbeats. In den Liedern stecken verborgen die Botschaften für eine unwiderstehliche Revolution, so wie sie sich Marley vorstellte: radikal, aber friedlich.
Bob Marley: One Love, USA 2024. 107 Minuten. Im Kino.
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