EU-Schriftstück nur auf EnglischFake News aus Herrliberg
Für Christoph Blocher eine «Frechheit»: Das Verhandlungsmandat mit der EU liege nur auf Englisch vor. Brüssel müsse eine Erlaubnis erteilen, um das Dokument in die Schweizer Landessprachen zu übersetzen. Blocher liegt falsch.
Im Interview mit der «SonntagsZeitung» wetterte Alt-Bundesrat Christoph Blocher gegen das neue Verhandlungsmandat mit der Europäischen Union. Dieses sei «noch schlimmer» als der gescheiterte Rahmenvertrag.
Und überhaupt: Es sei eine «Frechheit», dass die Grundlage der beginnenden Verhandlungen nur auf Englisch vorliege. Aus dem Bundeshaus verlaute nämlich, es brauche eine Erlaubnis der EU, um es in die Schweizer Landessprachen zu übersetzen. «Wie weit haben wir es gebracht?», fragte der SVP-Übervater aus Herrliberg.
Ebenfalls in der «SonntagsZeitung» hieb ihr Kolumnist Markus Somm in dieselbe Kerbe. Der Blocher-Biograf schrieb, die EU müsse jedes Wort des Dokuments «als richtig übersetzt» autorisieren. Die EU behandle also die Schweiz wie eine Kolonie: Bern werde damit zum «Neu-Delhi an der Aare».
«Das ist nur eine erste Version»
Der Zorn der beiden bezieht sich auf das sogenannte Common Understanding. In diesem Dokument haben die Schweiz und die EU die Ergebnisse der Sondierungsgespräche festgehalten. Sie bilden die Grundlage für die eigentlichen Verhandlungen, die nun beginnen. Der Bundesrat hat das Dokument den Aussenpolitischen Kommissionen des National- und des Ständerats zur Beratung weitergeleitet.
Aber stimmt es nun wirklich, dass die Mitglieder der Schweizer Parlamentskommissionen die Verhandlungsgrundlage nur auf Englisch lesen dürfen und die EU eine Übersetzung erlauben und absegnen muss?
Der Präsident der Aussenpolitischen Kommission im Nationalrat, Laurent Wehrli, bestätigt zwar auf Nachfrage, dass das Common Understanding bisher nur auf Englisch vorliegt. Aber: «Das ist nur eine erste Version. Sie wurde noch nicht übersetzt, um uns möglichst schnell zu bedienen.»
Der Waadtländer FDP-Nationalrat sagt zudem, die Dokumente würden demnächst «in mindestens einer Landessprache» verfügbar sein. Die Europäische Kommission habe in keiner Weise eine Übersetzung untersagt.
Auf Nachfrage präzisiert Pierre Eltschinger, Sprecher des Aussendepartements (EDA), der Bundesrat habe zwar bisher davon abgesehen, das Common Understanding in eine Landessprache zu übertragen. «Aber auf Wunsch der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats wird es nun übersetzt.»
Der EDA-Sprecher sagt zudem: «Die Übersetzung muss nicht von der EU genehmigt werden und wird der EU nicht vorgelegt. Massgebend ist die Originalversion auf Englisch.»
Das Common Understanding wurde von Staatssekretärin Livia Leu aufseiten der Schweiz und von Juraj Nociar, Kabinettschef der Europäischen Kommission, ausgehandelt. Laut Pierre Eltschinger handelt es sich um ein technisch-diplomatisches Instrument: «Das Dokument ist nicht rechtsverbindlich.»
Warum also die Aufregung von EU-Gegnern wie Blocher und Somm? Für Mitte-Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter ist klar: «Es handelt sich um reines Schattenboxen der SVP.» Die Partei wolle die Weiterentwicklung des bilateralen Wegs abwürgen, «bevor die Verhandlungen überhaupt an die Hand genommen wurden».
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