Biden und NetanyahuEin Telefonat in heiklen Zeiten
Israels Premier muss bald Joe Biden informieren, wie er auf den Angriff des Iran reagiert. Nicht jede Option gefällt den USA.
- Israels Premier Benjamin Netanyahu plant Vergeltung gegen den Iran.
- US-Präsident Joe Biden fordert Israel zu Transparenz auf.
- Ein Angriff auf die iranische Ölindustrie könnte zu höheren Energiepreisen führen.
- Das Verhältnis zwischen Biden und Netanyahu ist zerrüttet.
Natürlich hat Joe Biden am 7. Oktober zum Telefonhörer gegriffen und in Israel angerufen. Am ersten Jahrestag des Überfalls der Terrororganisation Hamas auf Israel, bei dem knapp 1200 Menschen ermordet und 251 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden, sprach der US-Präsident dem israelischen Staatsoberhaupt Isaac Herzog sein Beileid aus und sicherte ihm die Solidarität der USA zu.
Ein Anruf Bidens bei Premier Benjamin Netanyahu blieb aus. Nun wollten die beiden an diesem Mittwoch telefonieren, wie das US-Portal «Axios» und israelische Medien berichten. Es wird erwartet, dass Netanyahu darüber informieren wird, welche Gegenschläge Israels Militär nach dem Angriff des Iran mit 180 Raketen vom 1. Oktober ausführen wird. Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte von Israel «Klarheit und Transparenz» über die Vergeltung eingefordert, da sie Folgen für Washingtons Interessen und das US-Militär in der Region haben dürfte.
Wie der «Axios»-Reporter Barak Ravid schreibt, ist ein «bedeutender» Gegenschlag geplant, mit Luftangriffen auf iranische Militäranlagen und «Geheimoperationen». Eindeutiger Protest dürfte aus Washington kommen, wenn Netanyahu Attacken auf die Ölindustrie im Iran oder gar die Atomanlagen ankündigen sollte. Dies könnte sowohl zu höheren Energiepreisen als auch zu einer weiteren Eskalation führen. Beides möchte Biden vier Wochen vor der US-Wahl vermeiden.
Bibi und Biden – das Verhältnis ist zerrüttet
Inwieweit Netanyahu Bidens Bitten nach Mässigung berücksichtigen wird, ist jedoch offen. In den vergangenen Wochen hat sich der israelische Premier wiederholt über Warnungen hinweggesetzt. Das persönliche Verhältnis von Joe und Bibi, wie Netanyahu meist genannt wird, ist zerrüttet. Ihr letztes Telefonat soll knapp zwei Monate her sein, was erstaunlich ist angesichts der engen Allianz beider Staaten und der aktuellen Weltlage.
Kurz vor dem geplanten Telefongespräch zitierten auch noch mehrere US-Medien aus dem neuen Buch von Bob Woodward. Der legendäre Investigativjournalist schreibt in «War», dass Biden Netanyahu als «verdammt schlechten Kerl» bezeichnet habe, meldet etwa CNN.
Netanyahu stoppte US-Reise seines Verteidigungsministers
Biden hat bereits früher öffentlich erklärt, dass Netanyahu nach seiner Überzeugung «nicht genug» tue, um die Geiseln aus der Gewalt der Hamas freizubekommen. Verärgerung dürfte in Washington auch die Nachricht ausgelöst haben, dass Netanyahu seinem Verteidigungsminister Yoav Gallant kurzfristig nicht gestattet hat, eine Reise in die USA anzutreten. Gallant geniesst in Washington einen hervorragenden Ruf und sollte Pentagon-Chef Lloyd Austin treffen.
Begründet wird Netanyahus Veto damit, dass das Sicherheitskabinett bislang nicht über die Reaktion auf den iranischen Raketenangriff entschieden habe. In der israelischen Zeitung «Haaretz» wird eine andere Vermutung geäussert: Netanyahu konnte so nicht nur seinen parteiinternen Rivalen Gallant «demütigen», sondern wollte Biden dazu zwingen, mit ihm am Telefon zu sprechen.
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