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Kinofilm über Stromboli
Der Vulkan befiehlt

Gaetano, der Fischer, kann nicht weg. Zu sehr liebt er seine Insel Stromboli.
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Die Insel Stromboli liegt etwas mehr als 150 Kilometer nördlich von Sizilien. Sie hat eine Fläche von 12,6 Quadratkilometern, ist also in etwa gleich gross wie die Gemeinde Kirchlindach. Auf ihr leben aber gerade mal 570 Menschen.

Es gibt auf der Insel weder ein Krankenhaus noch Quellwasser noch ausreichend Lebensmittel. Dafür befindet sich in ihrer Mitte einer der aktivsten Vulkane der Welt – der Stromboli –, von den Einheimischen «Iddu» genannt, was schlicht «Er» heisst.

Sechs Jahre Dreh

Die Berner Filmemacherin Miriam Ernst, geboren 1981, ist gemeinsam mit ihrem Partner und Kameramann Stefano Bertacchini an diesen eigentümlichen, ja geradezu archaischen und eigentlich lebensfeindlichen Ort gereist, um festzuhalten, wie es so ist, das Leben auf einer Insel mit einem Vulkan in der Mitte, der wie ein schlafender Drache mit Albträumen ständig raunt und spuckt und knurrt und donnert und jederzeit aufzuwachen droht.

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Was er übrigens auch immer wieder tut. Mit mal mehr, mal weniger grossen Verheerungen. So passiert vor rund sechs Wochen wieder. Oder zuvor im Juli 2019.

Sechs Jahre lang ist Ernst immer wieder nach Stromboli gereist. Entstanden ist ein wunderbarer, poetischer, unaufgeregter und mit zartem Humor durchzogener Dokumentarfilm, der eigentlich so gar nichts Dokumentarisches hat. Vielmehr ist «Iddu», wie Miriam Ernst ihren Film nennt, eine Art Streifzug über die Insel, der sich erst nach und nach zu einem Gesamtbild zusammensetzt.

Die Leute lieben ihren Vulkan, sie hassen ihn, sie verehren und fürchten ihn. Ja, sie beten zu ihm.

Der Film lebt ausschliesslich von den Geschichten der Inselbewohnerinnen und -bewohner, die – nicht selten mit Tränen in den Augen – herrlich ungezwungen in die Kamera erzählen.

Das alles hat etwas ungemein Intimes. Vielleicht liegt das daran, dass Miriam Ernst schon als Kind mit ihren Eltern und später immer wieder nach Stromboli gereist ist und so über die Jahre eine enge Verbindung zu dem kargen Eiland und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern aufgebaut hat. Diese Vertrautheit jedenfalls ist in dem Film ständig zu spüren. 

Schöne und harte Geschichten

Und die Geschichten, die die Menschen zu erzählen haben, sie sind so schön, so karg und so hart wie das Leben auf der Insel selbst.

Da gibt es etwa den Fischer Gaetano, dessen Frau und Sohn nach Australien ausgewandert sind und denen er nicht folgen konnte, einfach nur, weil er Stromboli zu sehr liebt.

Es gibt den jungen Mann Manuel, der zwar fürs Studium der Vulkanologie aufs Festland ging, aber nur an einem Ort auf dieser Welt richtig glücklich sein kann: auf Stromboli. Hier hat er den besten Job überhaupt, wie er sagt: Er arbeitet als eine Art Tourist-Vulkan-Guide und führt die zahlreichen Trekking-Touristen zum Krater des Vulkans hoch. 

Nach einem Ausbruch fängt alles wieder von vorne an.

Dann gibt es den Hotelier, der sich herrlich fassungslos minutenlang über die Ignoranz der heutigen Touristen echauffiert, die oftmals nicht einmal wüssten, auf welcher Insel sie sich gerade befinden.

Oder es gibt das junge Paar, das versucht, ein gemeinsames Leben auf der Insel aufzubauen, etwa mit einer Bar mit Livemusik. Das aber bald feststellen muss, dass sie die Insel dann doch nicht so sehr liebt, wie er es tut.

All diese Menschen – und noch einige mehr – erzählen, frei von der Leber weg, mal ausführlicher, mal episodenhaft vom so schweren und herausfordernden Leben auf der Insel. Sie erzählen von heute, oft von früher, selten von morgen. Aber natürlich ist einer in allen Geschichten allgegenwärtig: Er, Iddu, der Vulkan, der allen das Leben so schwer macht und doch offenbar so etwas wie Liebe zu schenken vermag. Ja, «Iddu befiehlt» hier auf Stromboli, wie es in einem Gedicht eines Inselbewohners heisst. Die Menschen lieben ihn, sie hassen ihn, sie fürchten ihn, sie bewundern ihn, sie beten sogar zu ihm.

Der Ausbruch

Aufgebaut ist Miriam Ernsts Film um den letzten grösseren Ausbruch des Vulkans im Jahr 2019 herum. Wie der Vulkan auf der Insel, liegt das Ereignis ungefähr in der Mitte des Films und zeigt, wie sehr so ein Ausbruch eine Zäsur bedeutet, also nicht nur viele Leben unmittelbar bedroht, sondern auch fatale Auswirkungen hat.

Von einem Moment auf den anderen bricht alles zusammen. Der Tourismus bleibt aus, weil das Trekking hinauf zum Krater verboten ist. Die Haupteinnahmequelle der Insel versiegt damit über Nacht. Plötzlich scheint die Zeit still zu stehen. Und jeder Inselbewohner, jede Inselbewohnerin ist mit der Frage konfrontiert, wie es nun weitergehen soll. Die Gemeinschaft rückt näher zusammen und versucht, sich eine Zukunft auszumalen. Eine jüngere Generation beginnt, nach alternativen Einkommensmöglichkeiten zu suchen, indem sie etwa die Produktion von Olivenöl wieder aufnimmt.

Die Insel Stromboli verlangt von den Menschen viel, vielleicht alles ab. Aber sie lässt sie auch nicht mehr los. Sie gibt ihnen etwas. Und genau davon erzählt Miriam Ernsts Film, der im Untertitel «Inselgeschichten» heisst. Er erzählt von der unbedingten Liebe der Menschen zu ihrem Eiland, von dem sie nicht loskommen, das sie traurig macht und glücklich zugleich. Ein herrlicher Film.

Im Kino.