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Italiens Regierungskrise und die politische Rechte
Berlusconis letztes Manöver – und Dilemma

Der «alte Silvio»: Italiens ehemaliger Premier Berlusconi ist wieder mittendrin im grossen Spiel. 
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Er ist wieder da, umgarnt und bedrängt: Silvio Berlusconi. Nach Rom kommt er nur noch selten. Den Mietvertrag für den Palazzo Grazioli, früher so etwas wie der zweite Regierungssitz in der Stadt, hat er gekündigt. Berlusconi lebt jetzt mehrheitlich in Südfrankreich, in einer Villa seiner Tochter aus erster Ehe. Man hört, er sei müde und gezeichnet von seiner Erkrankung an Covid-19 im Herbst, er habe sich nur sehr mühselig erholt. Er ist ja auch 84 Jahre alt. Seine Partei Forza Italia hat noch immer keinen neuen Chef, weil er sich an der Spitze seiner Kreatur nun mal niemanden sonst vorstellen kann als sich selbst. In den vergangenen Jahren ist sie zu einem Schatten ihrer selbst geschrumpft, einer schlaffen Erinnerung. Etwa 6 Prozent der Italiener sagen noch, sie würden Forza Italia wählen.

Er steht Conte näher als Salvini und Meloni

Und dennoch: Plötzlich ist Berlusconi wieder da, mittendrin im grossen Spiel. Die Italiener fragen sich, ob sich der frühere Ministerpräsident gewinnen lasse für eine Regierung der «Nationalen Rettung», wie sie nun genannt wird, mit oder ohne Giuseppe Conte – als noble Geste für das Wohl des Landes in Zeiten der Krise und der Pandemie. (Lesen Sie hier unseren Kommentar zur Regierungskrise.) Auszuschliessen ist das nicht, obwohl Berlusconi zuletzt oft wiederholt hat, dass er seinen rechten Bündnispartnern treu bleibe, das sei seine politische Heimat. Aber ist sie das tatsächlich?

Die liberale und traditionell europafreundliche Partei Berlusconis, Teil der Europäischen Volkspartei, hat im Grunde nur wenig gemein mit dem souveränistischen und nationalistischen Programm von Matteo Salvinis rechter Lega und den postfaschistischen Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni. Die beiden Partner haben ihn längst überholt, Forza Italia ist nur noch die Nummer 3 im rechten Lager, weit abgeschlagen. Mit einem Manöver könnte er sich vielleicht aus der Abwärtsspirale befreien. Contes öffentlicher Appell an alle «europafreundlichen, liberalen, bürgerlichen und sozialistischen» Kräfte im Parlament war auch an ihn und die Seinen gerichtet. Reichen würde schon ein halbes Dutzend «Forzisti», eine Abordnung des Cavaliere.

Eine Totalverbiegung wäre schon nötig

Andererseits hat Berlusconi in der Vergangenheit so viel Böses über die «Pauperisten», «Neider» und «Dilettanten» der Cinque Stelle gesagt, dass ein gemeinsames Regieren einer Totalverbiegung bedürfte. Aber unmöglich ist gerade gar nichts. Salvini weiss das und versucht, Berlusconi mit aller Macht zurückzuhalten. In einem Fernsehinterview sagte er, er sähe Berlusconi ganz gut als künftigen Staatspräsidenten Italiens. Aus Berlusconis Entourage weiss man, dass der Quirinalspalast seine tiefste Sehnsucht ist, Revanche und Triumph in einem – aber natürlich gerade deshalb auch sehr unwahrscheinlich. Eine Schwärmerei.

Bei aller Altersmilde, die ihm neue Sympathien beschert: Berlusconi hat das Land eine Karriere lang so stark polarisiert, er hat an den Fundamenten des Rechtsstaates gerüttelt und selbst das Sittenverständnis aufgeklärter Italiener brüskiert mit seinem Bunga Bunga, dass er als Landesvater, der über allem schwebt, eine groteske Besetzung wäre. Die Wahl des neuen Staatspräsidenten findet in einem Jahr statt, im Januar 2022.

Rückfalloption: Senator auf Lebenszeit

Da es dafür einen breiten Konsens im Parlament braucht, wären seine Aussichten nur dann intakt, wenn vorher Neuwahlen stattfinden würden und die Rechte an die Macht käme. Und dieses Szenario, vorzeitige Wahlen also, wie Salvini und Meloni sie gerne hätten, ist zurzeit von allen das unplausibelste. Ausserdem wäre Berlusconi am Ende eines eventuellen Mandats 92 Jahre alt.

Er steckt also in einem Dilemma, der «alte Silvio», wie ihn eine Zeitung nennt. Hin- und hergerissen, bemüht um eine Rundung seines dürftigen politischen Nachlasses. Dafür gibt es eine Rückfalloption, die ebenfalls rege kolportiert wird, sie wäre die Erfüllung eines kleineren Traums: Senator auf Lebenszeit. Da liesse sich vielleicht etwas machen, zumal dann, wenn er dem Land nun einen Gang an die Urnen erspart.