Unterstützung für Italiens RegierungUnd plötzlich ist Berlusconi ein Freund von Conte
Verantwortungsvolles Politisieren in der Pandemie? Oder Gegengeschäft für den Schutz seiner Mediaset? Silvio Berlusconi reicht Giuseppe Conte die Hand – und zerreisst damit Italiens Rechte.
Italiens Politik verläuft selten linear, eher im Gegenteil: Sie folgt einer langen gewundenen Strasse. Die jüngste Kurve macht Silvio Berlusconi, mittlerweile 84 Jahre alt und immer noch Chef der oppositionellen, rechtsbürgerlichen Partei Forza Italia: Er bietet sich der Regierung aus Cinque Stelle und dem sozialdemokratischen Partito Democratico, seinem jetzigen und früheren Erzrivalen, als Helfer an. Ausgerechnet.
Berlusconi argumentiert, das seien nun mal schwierige Zeiten – Zeiten für verantwortungsvolles Politisieren. Im Kampf gegen die Seuche, die er selbst überlebt hat, müsse man zusammenarbeiten, miteinander reden, über alte ideologische Gräben springen. Er sei auch bereit, den Haushaltsplan der Regierung für 2021 mitzutragen.
Eine Norm – wie gerufen
Dagegen lässt sich eigentlich wenig einwenden, gäbe es da nicht noch eine alternative Interpretation der plötzlichen Handreichung. Vor einigen Tagen hat der Senat, Italiens kleinere Parlamentskammer, eine Norm verabschiedet, die Berlusconis privates Familienunternehmen Mediaset vor einer feindlichen Übernahme durch den grossen französischen Telekommunikations- und Medienkonzern Vivendi schützen soll.
Der Kampf läuft seit vier Jahren schon. Vivendi steht nun bei 29 Prozent der Anteile – die Berlusconis besitzen 44 Prozent des Kapitals. Eingebracht hatte den Passus im Gesetz die Regierung von Premier Giuseppe Conte – zur Bewahrung von Arbeitsplätzen, wie es hiess, und gegen eine allzu starke Präsenz der Franzosen in einem politisch sensiblen Markt: Vivendi hat schon das Sagen bei Telecom Italia.
Doch hochpolitisch ist auch alles, was Berlusconis private Interessen betrifft. Matteo Salvini von der rechten Lega, sein Partner in der Opposition, liess schon zweimal gegen die neue Norm stimmen, weil er vermutet, dass sie ein Pfand für Berlusconis Kapriole ist, das Gegengeschäft in einem Kuhhandel. Er nennt es einen «inciucio», das Wort kommt ursprünglich aus dem neapolitanischen Dialekt und steht für «Gerücht», «Intrige». In der Politik ist damit ein versteckter Deal gemeint, eine Nummer aus dem Hinterzimmer – so etwas unterstellt man einem Verbündeten normalerweise nicht.
Drei Abtrünnige und ein Plan
Die beiden konnten sich noch nie ausstehen. Berlusconi hält Salvini für einen unverbesserlichen Souveränisten und hetzenden Populisten, einen männlichen Verschnitt von Marine Le Pen, während er sich selbst für einen liberalen, gemässigten Europäer hält.
Umgekehrt findet Salvini, der alte Berlusconi müsse endlich Platz machen und anerkennen, dass seine Zeit als Padrone der italienischen Rechten schon lange vorbei sei. Nun jagt er ihm auch Parlamentarier ab: Diese Woche allein haben drei Abgeordnete von Forza Italia zur Lega gewechselt – unter anderem auch Laura Ravetto, bislang eine treue Weggefährtin Berlusconis: oft am Fernsehen, immer laut. Gut möglich, dass ihn noch weitere verlassen werden.
Ohne Berlusconi fehlt dem Lager der rechten Mitte die bürgerliche Seele – und ein Haufen Stimmen.
Er kann es verkraften. Berlusconis Gunst mag in den Umfragen zuletzt stark geschrumpft sein, doch ohne ihn fehlt dem Centrodestra, dem Lager der rechten Mitte, die bürgerliche Seele – und ein Haufen Stimmen. Im Parlament sitzen seit den Wahlen 2018 fast neunzig seiner Leute. Wenn er nur ein paar Dutzend von ihnen überzeugen kann, die amtierende Regierung «von aussen», also ohne das Mittun eigener Minister, in der Krise zu unterstützen, ist dem Kabinett ein Fortleben bis zum Legislaturende 2023 gewiss.
Und da in etwas mehr als einem Jahr der neue Staatspräsident gewählt wird, der Nachfolger von Sergio Mattarella also, wäre diese neue Gemengenlage im Parlament von zentraler Bedeutung für die Zukunft des Landes. Vorausgesetzt natürlich, dass es nach der jüngsten Kurve dann eine Weile lang geradeaus geht.
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