Bergsturz von BondoFDP-Nationalrätin Anna Giacometti angeklagt
Nach dem Bergsturz von Bondo mit acht Toten im Jahre 2017 sind doch noch fünf Personen wegen fahrlässiger Tötung angeklagt worden. Darunter auch die damalige Gemeindepräsidentin Anna Giacometti.
In der juristischen Aufarbeitung des Bergsturzes von Bondo am 23. August 2017, bei dem acht Menschen im Bündner Seitental Bondasca mitgerissen wurden, strengt die Staatsanwaltschaft einen Gerichtsprozess gegen fünf Personen an, wie der Beobachter berichtet.
Die Anklageschrift soll den Beschuldigten mehrfache fahrlässige Tötung vorwerfen. Darunter ist auch die heutige FDP-Nationalrätin Anna Giacometti, welche damals Gemeindepräsidentin in Bregaglia war. Sie leitete den Gemeindeführungsstab, der am 14. August 2017, also wenige Tage vor dem Unglück, auf Empfehlung des Bündner Amts für Wald und Naturgefahren (AWN) auf eine Wanderwegsperrung im Bergsturzgebiet verzichtete. Neben ihr sind zwei AWN-Mitarbeiter, ein Geologe und ein weiterer Gemeindevertreter angeklagt.
Neues Gutachten zeichnet anderes Bild
Noch 2019 hiess es vonseiten der Staatsanwaltschaft, der Bergsturz sei «unvorhersehbar» gewesen und die Alpinisten selbst verantwortlich für ihren Tod. Ein Strafverfahren wurde eingestellt. Weil sich die Angehörigen der Opfer jedoch bis vors Bundesgericht gewehrt hatten, gab die Staatsanwaltschaft Graubünden ein neues, unabhängiges Gutachten in Auftrag. Dieses sagt: Der Bergsturz habe sich «durch zahlreiche Vorboten angekündigt», und die Wanderwege hätten entsprechend gesperrt werden müssen.
Darauf gestützt hat die Staatsanwaltschaft jetzt Anklage erhoben und bringt den Fall doch noch vor Gericht. Die fünf Angeklagten hätten «pflichtwidrig eine falsche Einschätzung der Gefahrenlage» vorgenommen. «Insbesondere hätte sich kurzfristig eine vorsorgliche Sperrung der gefährdeten Zutrittswege aufgedrängt», zitiert der «Beobachter» aus der Anklageschrift. Mit der vorsorglichen Sperrung der Wege wäre der Tod der Berggänger «mit grösster Wahrscheinlichkeit vermieden worden».
Die beschuldigten Vertreter des AWN sowie der vom Amt beauftragte Geologe wehren sich im Bericht gegen die Vorwürfe und kritisieren das neue Gutachten. Auf solchen Wanderwegen gelte ein hohes Mass an Eigenverantwortung, und die Grenze zum inakzeptablen Risiko sei nicht überschritten worden. Zudem sei nicht genau klar, was alles als Vorbote eines Bergsturzes zu werten sei.
Anna Giacometti will auf Anfrage dieser Redaktion keine Stellung zu der Anklage nehmen. Sie habe sie zur Kenntnis genommen. Der Prozess findet vor dem Regionalgericht Maloja in St. Moritz statt.
Fehler gefunden?Jetzt melden.