Kolumne «Miniatur des Alltags»Beinahe dem Trübsinn erlegen
Von einer Krise in die nächste Katastrophe: Nur jetzt nicht mit dem Schicksal hadern. Das brauchte einen Erkenntnisblitz.
Am 17. Februar begann das grosse Aufatmen. Am 24. Februar folgte der Keulenschlag. Zwischen der Aufhebung fast aller Massnahmen gegen das Coronavirus und dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine lag genau eine Woche. Von der Pandemie zur Putinomie.
Es fällt in diesen Tagen schwer, unbeschwert zu leben. Auch mich befielen Lethargie und Melancholie. Ich ertappte mich beim Zweifeln, ob es sinnvoll ist, über Laientheater, Sportplatzbau und Kommunalwahlen zu berichten, während mich eigentlich nur ein Thema bewegt.
Zum Glück traf mich bald die Besinnung wie ein Blitz. Mit einer Sinnkrise spritze ich mir nur lähmendes Gift in die Venen. Ich brauche Optimismus und Mut – gerade in diesen Zeiten. Mit gesenktem Kopf kann ich nicht unsere Werte von Freiheit und Toleranz verteidigen. Ich trage nun deshalb bewusst ein Lächeln der Zuversicht zur Schau. Jetzt, wo es keine Maske verdeckt, soll es die Leute anstecken: Es geht uns gut in diesem Land, andere benötigen unsere Hilfe.
Trübsinn und Pessimismus sind auch die schlechteste Botschaft für jene, die von uns bestärkt werden sollen. Sie waren auf dem Weg zur Demokratie und werden jetzt mit Gewalt davon abgehalten. Es sind die Menschen in der Ukraine, die vor dem Granatenhagel flüchten. Sie brauchen unsere Unterstützung – in Zuversicht, aufrechten Hauptes, mit offenen Armen und mit Überzeugung.
Apropos Überzeugung: Ich habe die «Freiheitstrychler» an den Demonstrationen für die Ukraine vermisst. Weil sie jetzt sehen, was Diktatur wirklich ist? Oder weil sie die Freiheit nur für sich beanspruchen, die Freiheit anderer Menschen ihnen aber sch…egal ist? Das würde ich dann eine echte Demaskierung nennen. Auch diese Erkenntnis lässt mich lächeln, weil man doch gern bestätigt sieht, was man schon lange vermutete.
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