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Untergang der «Bayesian»
Letztes Todesopfer entdeckt – Vorwürfe an Crew von Werftunternehmer

epa11561449 The lifeless body of the sixth missing person, Hannah Lynch, is brought ashore by fire brigade divers, in Porticello, near Palermo, Sicily, Italy, 23 August 2024. The body of the last victim of the Bayesian shipwreck, British tech magnate Mike Lynch's 18-year-old daughter Hannah, was located and recovered by the divers from the wreck off Porticello coast on 23 August. The Bayesian superyacht sank with 22 people on board on 19 August after a tornado hit the area, and 15 passengers were rescued by the coast guard. Seven passengers were confirmed dead. EPA/IGOR PETYX
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Nach dem Untergang einer Luxusjacht vor Sizilien sind nun alle Todesopfer gefunden worden. Als Letztes wurde nach vier Tagen Suche der Leichnam der 18 Jahre alten Tochter des britischen Milliardärs Mike Lynch gesichtet. Der Leichnam von Hannah Lynch wurde aus der «Bayesian» von Spezialtauchern aus 50 Metern Tiefe an die Oberfläche gebracht. Die junge Frau hatte britischen Medienberichten zufolge gerade ihren Schulabschluss gemacht und wollte Englische Literatur an der Universität Oxford studieren.

Zu den insgesamt sieben Todesopfern gehört auch der Software-Unternehmer selbst. Lynch wurde 59 Jahre alt. Seine Ehefrau, die ebenfalls an Bord war, gehört zu den 15 Überlebenden.

Lynch wollte Freispruch feiern

Lynch, einer der reichsten Briten, wollte auf der Segeltour zusammen mit der Familie und reichen Freunden eigentlich feiern, dass er nach jahrelanger Auseinandersetzung um den Verkauf seiner Firma vor Gericht letztlich gewonnen hatte. Die 56 Meter lange «Bayesian» – benannt nach einem britischen Mathematiker aus dem 18. Jahrhundert – war eine der grössten Segeljachten weltweit. Sie gehörte der Familie Lynch.

Der genaue Hergang des Unglücks ist bis heute nicht geklärt. Crew und Gäste wurden aber offenbar am Montagmorgen vor dem Hafen Porticello unweit der Inselhauptstadt Palermo von einem schweren Unwetter überrascht. Ursache war eine Wasserhose, eine Art Tornado, über dem Meer. Die Jacht befand sich nur eine halbe Seemeile – etwa 900 Meter – entfernt vom Ufer. Angeblich dauerte es keine 60 Sekunden, bis sie unterging. Der neuseeländische Kapitän behauptete: «Wir haben es nicht kommen sehen.» Allerdings gibt es erhebliche Zweifel an dieser Darstellung.

Staatsanwalt ermittelt wegen Schiffsbruch

Andere Boote in der Umgebung hatten dem Sturm nämlich standgehalten. Eine wichtige Frage bei den Ermittlungen ist etwa, ob der Hubkiel der «Bayesian» ausgefahren war oder nicht – und das Schiff deshalb vielleicht nicht stabil genug im Wasser lag.

Der Chef der italienischen Werft Perini Navi, bei der die Luxusjacht gebaut wurde, vermutet zudem, dass durch offene Türen, Bullaugen oder Luken möglicherweise viel Wasser in das Schiff eindringen konnte. Das eingetretene Wasser sei die Hauptursache des Untergangs gewesen, sagte der Chef des Werftkonzerns TISG, Giovanni Costantino, der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Es habe die «Bayesian» zusammen mit dem Druck der Windböen aus dem Gleichgewicht gebracht.

In der Zeitung «Corriere della Sera» machte Costantino Kapitän und Besatzung für den Untergang mitverantwortlich. «Alles, was getan wurde, offenbart eine sehr lange Reihe von Fehlern.» Die Leute hätten nicht in den Kabinen sein dürfen, das Schiff hätte nicht vor Anker liegen dürfen. Das Unwetter war auf allen Wetterkarten deutlich zu erkennen.» Beispielsweise sei kein einziger Fischer aus Porticello unterwegs gewesen. In der Kritik steht neben dem Kapitän auch der Erste Offizier, ein Franzose.

Nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur Adnkronos will die Staatsanwaltschaft von Termini Imerese nun unter anderem wegen Totschlags durch Schiffbruch ermitteln. Die Behörde äussert sich an diesem Samstag auf einer Pressekonferenz.

Bericht: Passagiere ausserhalb der Kabinen gefunden

Die 15 Jahre alte «Bayesian» war mit einem System ausgestattet, mit dem sich Tiefgang mehr als halbieren liess: Unter normalen Segelbedingungen hatte es eine Kieltiefe von annähernd zehn Metern, wenn das bewegliche Schwert vollständig ausgefahren war. Damit konnten die Gegenkräfte des 75 Meter hohen Mastes ausgeglichen werden. Der Tiefgang konnte jedoch auf etwa vier Meter reduziert werden – beispielsweise, um in einen Hafen zu kommen.

Mit Ausnahme des Schiffskochs überlebte die gesamte Besatzung den Untergang. Von den zwölf Passagieren ist die Hälfte tot. Darunter sind neben Lynch und seiner Tochter Hannah zwei befreundete Ehepaare: einer der Chefs der Investmentbank Morgan Stanley, Jonathan Bloomer, mit seiner Frau Anne Elizabeth sowie der Anwalt Chris Morvillo und seine Frau Nada. Sie alle hielten sich während des Unglücks am Morgen noch in ihren Kabinen auf. Wie Adnkronos berichtet, wurden sie aber ausserhalb gefunden. «Die Passagiere suchten nach Fluchtmöglichkeiten und erreichten die andere Seite des Schiffes».

Auch Lynch-Partner gestorben

Der Tech-Unternehmer Lynch wurde in seiner Heimat gern als «britischer Bill Gates» bezeichnet. Lynch hatte die Softwarefirma Autonomy 2011 für elf Milliarden US-Dollar (aktuell 9,38 Milliarden Franken) an Hewlett-Packard verkauft – eines der schlimmsten Übernahme-Debakel im Silicon Valley. Zusammen mit dem früheren Finanzmanager Steve Chamberlain soll er den US-Konzern über den Zustand ihres Unternehmens getäuscht haben. Ein Geschworenengericht sprach die beiden jedoch frei. Chamberlain kam vor wenigen Tagen ebenfalls zu Tode: Er wurde beim Joggen von einem Auto erfasst.

 

DPA/nlu