Lernkultur im AlltagBaloise-Beschäftigte können sich während der Arbeit weiterbilden
Ab diesem Jahr dürfen alle Angestellten des Versicherers in der Schweiz 10 Prozent ihrer Arbeitszeit für die persönliche Fortbildung und Weiterentwicklung verwenden. Ein vorausgegangener Testlauf verlief ermutigend.
«Lernen ist bei uns zum Thema geworden», stellt Christine Bourson fest. «Die Teamleiter haben mit ihren Mitarbeitenden vermehrt über die Notwendigkeit des Lernens gesprochen – darüber, was sinnvollerweise gelernt werden sollte und wie gelernt werden kann.»
Für Bourson ist dies eine der zentralen Erfahrungen aus dem letztjährigen Testlauf des Projekts «10 Prozent Zeit fürs Lernen» bei der Baloise, für das sie verantwortlich ist. «Sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, ist ein guter erster Schritt in Richtung Lernkultur – und dahin wollen wir als Organisation.»
Der in Basel ansässige Versicherer zündet jetzt eine nächste Stufe: Von diesem Jahr an sollen alle rund 3900 Mitarbeitenden in der Schweiz 10 Prozent ihrer Arbeitszeit fürs selbstständige Lernen und die persönliche Weiterentwicklung nutzen dürfen, wie die Baloise am Donnerstag bekannt gab. Die Prozentzahl, so heisst es weiter, sei als «Richtwert» zu verstehen, der nach Entwicklungsbedarf und Situation variieren könne.
Marketingaktion oder ernst gemeint?
Christine Bourson will die neue Regelung als einen «Appell an jeden einzelnen Mitarbeitenden» verstanden wissen: «Sie oder er soll sich bewusst Zeit nehmen, um sich weiterzuentwickeln und Gelerntes mit anderen zu teilen.» Auch sollen die Mitarbeitenden möglichst selber vorschlagen, wofür sie die Lernzeit verwenden möchten. Im Gespräch mit den Vorgesetzten werden dann die individuellen Entwicklungsziele und die dafür erforderlichen Massnahmen bestimmt.
Wie der neunmonatige Testlauf im letzten Jahr laut Bourson gezeigt hat, deckten die gewählten Fortbildungsmassnahmen ein breites Spektrum ab: von Online-Lernplattformen zur Vertiefung spezifischer Fachthemen über Lernen von KollegInnen bis hin zu externen Kursen. Teilgenommen an dem Pilotprojekt hatten gut 80 Beschäftigte im Kundenservice des unternehmensbezogenen Lebensversicherungsgeschäfts.
Die Reaktionen dieser Mitarbeitenden auf «10 Prozent Zeit fürs Lernen» seien unterschiedlich ausgefallen, räumt Bourson ein. «Die Wichtigkeit des Lernens und der kontinuierlichen Entwicklung ist nicht jedem gleich bewusst», sagt die Baloise-Frau. «Und nicht jede weiss, wie sie ihre Weiterentwicklung angehen soll, und läuft los.»
Auch verspürte Bourson anfänglich eine gewisse Skepsis. Ist dies einfach eine Marketing-Aktion, oder meint es die Baloise wirklich ernst, sei unter den Pilotteilnehmenden öfter Thema von Diskussionen gewesen. Wie eine Umfrage aber letztlich gezeigt hat, so die Projektleiterin, wollte eine «grosse Mehrheit» die Zeit fürs Lernen beibehalten und weiterempfehlen.
Geduld und Beharrlichkeit sind gefragt
Für Christine Bourson hat der Testlauf noch etwas anderes deutlich gemacht: «Es braucht sehr viel Zeit, um eine Lernkultur zu etablieren. Und es braucht immer wieder Impulse fürs Lernen.» Eine zentrale Rolle komme dabei den Führungskräften zu – beim regelmässigen Austausch mit den Mitarbeitenden zum Thema Entwicklung.
«Es braucht sehr viel Zeit, um eine Lernkultur zu etablieren. Und es braucht immer wieder Impulse fürs Lernen.»
Vage blieb Bourson hingegen in Bezug auf die Kosten, die mit der 10-prozentigen Lernzeit anfallen werden, und ob die Baloise deswegen ihr Personal aufstocken muss. Der Investitionsbedarf, um das in Zukunft erforderliche Wissen und die Fähigkeiten anzueignen, könne je nach Abteilung «sehr unterschiedlich» ausfallen, erklärte die Gesprächspartnerin. Dort, wo ein besonders grosser Kompetenzaufbau nötig sei, müsse unter Umständen über das geplante Budget hinaus investiert werden.
Welche Fortbildung wird Christine Bourson in diesem Jahr selber an die Hand nehmen? «Ich werde an einem zwölfwöchigen internen Programm teilnehmen, bei dem man sich ein persönliches Entwicklungsziel setzt, das gleichzeitig zur Umsetzung der Baloise-Strategie beiträgt», so ihre Antwort. Das Spannende dabei sei, dass man mit drei bis vier anderen Mitarbeitenden in engem, wöchentlichem Austausch stehe, um gemeinsam zu lernen.
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