Restitution eines MeisterwerksWirbel um Cézanne aus Badener Museum
Kurz vor der Versteigerung des auf 35 bis 55 Millionen Dollar geschätzten Gemäldes «Fruits et pot de gingembre» erzielt das Badener Museum Langmatt mit den Erben des früheren Besitzers Jakob Goldschmidt einen Vergleich.
Am 9. November wird Christie’s drei Meisterwerke aus der rund 50 Gemälde umfassenden Impressionistensammlung der Stiftung Langmatt versteigern. Es handelt sich um Paul Cézannes «Fruits et pot de gingembre» (Schätzwert 35 bis 55 Millionen Dollar), «Quatre pommes et un couteau» (Schätzwert 7 bis 10 Millionen Dollar) und «La mer à l’Estaque» (Schätzwert 3 bis 5 Millionen Dollar).
Gegen diese Auktion wehrt sich Alfred R. Sulzer, der frühere Präsident der Stiftung Langmatt. Er kämpft seit Jahren gegen den Verkauf von Bildern aus der Sammlung von Sidney und Jenny Brown, die in der Villa Langmatt in Baden ausgestellt sind. Erfolglos. Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau liess ihn aus formalen Gründen abblitzen. Die Stiftungsaufsicht des Kantons Aargau braucht für die Behandlung einer Beschwerde, die der erfahrene Jurist eingereicht hat, nicht ganz unerwartet viel Zeit. Er wartet immer noch auf Antwort.
Langjähriger Stiftungsrat
Alfred R. Sulzer ist der Grossneffe von Jenny Brown-Sulzer und kennt die Villa seiner Grosstante noch aus eigener Anschauung. Er war zwischen 1996 und 2015 im Stiftungsrat der Stiftung Langmatt, die letzten vier Jahre als Präsident. Seine Stimme hat also Gewicht. Er erzählt, dass schon während seiner Zeit im Stiftungsrat die fehlende Liquidität der Stiftung immer wieder Thema war. Aber dass die Ideen, deswegen Bilder zu verkaufen, erst unter seinem Nachfolger entwickelt wurden.
Seiner Ansicht nach liegt es an der Stadt Baden, der Stiftung finanziell unter die Arme zu greifen. Denn 1987, nach dem Tod von Harry Brown, dem jüngsten Sohn von Sidney und Jenny Brown, gingen Villa Langmatt, Kunstsammlung und ein Teil des Vermögens gemäss Testament an die Stadt Baden als Alleinerbin. Die Stadt Baden gründete darauf die Stiftung Langmatt, die seither für den Betrieb der Villa Langmatt verantwortlich ist.
Die Stadt will allerdings nicht die Betriebskosten ihres Museums übernehmen, sondern beteiligt sich nur an der überfälligen Sanierung der Villa Langmatt. In einer Volksabstimmung hat die Bevölkerung im Juni dafür 10 Millionen Franken bewilligt. Für den Betrieb, der jährlich mit mehreren Hunderttausend Franken bezuschusst werden muss, ist die Stiftung aber selber verantwortlich. Markus Stegmann, der Direktor der Villa Langmatt, erklärt auf Anfrage, dass der Stiftungsrat keine andere Lösung sehe als den Verkauf von Bildern, um die finanziellen Probleme der Stiftung zu beheben.
Bilderverkauf für Museumsbetrieb
Der Verkauf der drei Cézannes soll 40 Millionen Franken in das Finanzvermögen der Stiftung spülen, sodass man aus den Zinsen den Betrieb finanzieren kann. Mit Christie’s hat die Stiftung darum vereinbart, dass zuerst das teuerste Bild zur Versteigerung gebracht werden soll. Wenn bei dem Verkauf dann die 40 Millionen für die Stiftung herausschauten, dann könne man die anderen beiden Bilder zurückziehen. Eine ziemlich ungewöhnliche Abmachung, aber Christie’s ging darauf ein.
Für Tobia Bezzola, Präsident der Schweizer Sektion des Internationalen Museumsrats Icom, ist der geplante Verkauf ein absolutes No-Go. Die ethischen Richtlinien der Icom verbieten es den Museen, Teile ihrer Sammlungen zu verkaufen. In den USA ist der Ausverkauf von Museumssammlungen zwar nichts Ungewöhnliches, aber umstritten. Meist erneuern die dortigen Museen mit dem Verkauf von älteren Bildern ihre Sammlungen. Auch das Kunstmuseum Bern hat unlängst ein Bild aus der Sammlung Gurlitt verkauft, um mit dem Erlös die Kosten der Provenienzforschung zu decken, die mit der Übernahme der Gurlitt-Sammlung entstanden. Auch dieser Verkauf erntete in Museumskreisen viel Kritik.
Nun sind also die drei Cézannes aus der Langmatt längst in New York, nachdem sie in den letzten Wochen in einigen Hauptstädten in Asien und Europa in natura gezeigt worden sind. Vor zehn Tagen ist bekannt geworden, dass man in letzter Minute einen drohenden Rechtsstreit um den teuersten Cézanne, das Gemälde «Fruits et pot de gingembre», mit einem Schätzwert von 35 bis 55 Millionen Dollar mit einem Vergleich hatte abwehren können.
Vergleich mit den Erben
«Seit Anfang 2022», sagt Langmatt-Direktor Markus Stegmann, «sind wir in enger Zusammenarbeit mit externen Provenienzspezialisten daran, die Quellensituation einiger impressionistischer Gemälde neu zu erforschen, darunter auch des Stilllebens ‹Fruits et pot de gingembre› von Paul Cézanne.»
Der Cézanne, den Sidney Brown am 5. November 1933 bei der Galerie Modern Art in Luzern gekauft hatte, gehörte offenbar zur Hälfte auch dem Galeristen Jakob Goldschmidt. Vermutlich legt das jene ominöse «Archivnotiz» nahe, die vor wenigen Monaten entdeckt wurde und über deren Herkunft und Inhalt die Stiftung Stillschweigen beschlossen hat. Goldschmidt, dem 1934 von den Nazis ein Berufsverbot auferlegt wurde, hatte sich im April 1933 aus Berlin in die Schweiz abgesetzt, sodass seine Bilder, die er in der Schweiz verkaufte, den Tatbestand des NS-verfolgungsbedingten Entzugs von Kulturgut erfüllen.
Offenbar legt die Archivnotiz nahe, dass Sidney Brown diese Besitzverhältnisse nicht unbekannt waren, weswegen die Stiftung aktiv wurde und mit den Erben von Goldschmidt einen Vergleich abschloss.
Rechtsstreit nicht undenkbar
Über dessen Details wurde, wie in solchen Fällen üblich, Stillschweigen beschlossen. Kenner solcher Vergleichsverhandlungen sprechen davon, dass etwa ein Drittel des Verkehrswerts eines Gemäldes bei einem Vergleich an die Erben fliesse, sodass man bei Cézanne aus der Langmatt also mit mehr als 10 Millionen Franken rechnen muss. Markus Stegmann sagt dazu nur, dass die Stiftung die Kosten dieses «Settlements» selbst tragen könne und deswegen nicht noch mehr Bilder verkauft werden müssten.
Die Klärung der Provenienz sowie die Begleichung der Ansprüche der Erben Goldschmidt sind zentral für eine erfolgreiche Versteigerung.
Nun stellt sich noch die Frage, was Alfred Sulzers Intervention gegen den Verkauf der Cézanne-Bilder aus der Stiftung Langmatt für den Markt bedeuten könnte. Sulzer hat sich noch nicht entschieden, ob er vor Gericht ziehen wird. Sollte ein Schweizer Gericht Sulzers Ansicht folgen, dass ein Verkauf dem ausdrücklichen Willen des Testaments widerspricht, könnte möglicherweise ein Käufer zur Rückgabe aufgefordert werden.
Dieser Artikel erschien erstmals am 27. Oktober und wurde nun aktualisiert.
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