Neue Ausstellung in ZürichUmstrittene Bührle-Schau: Das Kunsthaus nimmt einen zweiten Anlauf
Nach viel Kritik und zuletzt einem Eklat will das Kunsthaus endlich Transparenz schaffen. Doch die kritisch-wohlwollende Schau würdigt den Mäzen Emil Bührle stärker als die jüdischen Sammler, die ihm ihre Bilder unter Stress verkauften.
Am besten ist den Ausstellungsmachern der sogenannte Resonanzraum in der neuen Bührle-Ausstellung gelungen, in dem rund zwanzig Personen in kurzen Statements zu Wort kommen. Da kann man sich gut und gerne eine Stunde aufhalten, einen Kopfhörer überstülpen und auf grossen Bildschirmen Kritikerinnen und Kritikern der Sammlung Bührle wie dem Historiker Erich Keller, dem Präsidenten des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes, Ralph Lewin und dem emeritierten Geschichtsprofessor Jacques Picard lauschen.
Eine neue Bührle-Ausstellung? Die alte im Chipperfield-Bau des Kunsthauses, der im Oktober 2021 eröffnet wurde, war doch bereits ein Publikumsrenner! Eingerichtet wurde sie von dem langjährigen Direktor der Stiftung Bührle, Lukas Gloor. Er versuchte in einem chronologisch-thematischen Rundgang die Sammlung ins beste Licht zu rücken, ohne sie mit den negativen Aspekten ihres Zustandekommens zu beschweren. Christoph Becker, damals Direktor des Kunsthauses, zeichnete für einen Dokumentationsraum verantwortlich, der die Geschichte des Sammlers und seiner Sammlung beschönigte, wie viele Kritiker monierten. Das Kunsthaus musste unbedingt etwas unternehmen und eine neue, zeitgemässe und kritische Bührle-Ausstellung einrichten.
Die Kunsthaus-Direktorin Ann Demeester und der Sammlungskurator Philippe Büttner zeigen nun «Bührle revisited», wie man ihre Schau etwas nonchalant nennen könnte. Sie sind weit davon entfernt, Bührle und seine Bilder über die Klippe zu werfen. Vielmehr inszenieren sie Sammlung und Sammler, der durch seine langjährige Arbeit im Vorstand der Kunstgesellschaft und sein Mäzenatentum zur DNA des Kunsthauses gehöre, wie Ann Demeester wiederholt gesagt hat, in kritisch-wohlwollender Weise. Zu wohlwollend, wie der Beirat zur Ausstellung kritisierte, der bekanntlich am 13. Oktober geschlossen zurückgetreten ist.
Zurück zur neuen Ausstellung. Den Resonanzraum erreicht man, nachdem man sich als Besucherin oder Besucher durch zwei Räume lesenderweise – es gibt eine Unmenge an Wandtexten in dieser Ausstellung –, aber auch schauenderweise gearbeitet hat. Wir lernen dabei, was Sinn und Zweck dieser Ausstellung ist und dass Bührle ein Waffenfabrikant, Kunstsammler und Wohltäter des Kunsthauses Zürich war. Im zweiten, einem vergleichsweise grossen Ausstellungsraum, hängen drei wunderschöne Seerosenbilder von Claude Monet, von denen Bührle dem Kunsthaus zu Lebzeiten zwei geschenkt hat und das dritte als Dauerleihgabe der Stiftung Emil Bührle heute im Kunsthaus hängt.
Bührle als Wohltäter
Bührle war ja nicht nur ein sehr reicher Kunstkäufer, der in seinem Leben nicht weniger als 600 Bilder für seine Sammlung erwarb, sondern auch der Mäzen, der in den 50er-Jahren die Erweiterung des Kunsthauses mit dem Pfister-Bau finanziert hat, wo noch heute die grossen Wechselausstellungen des Kunsthauses stattfinden. Nach Bührles Tod blieben zwei Drittel der Kunstsammlung in den Händen der Erben, ein Drittel wurde 1960 in eine Stiftung überführt, die ihre Bilder seit Oktober 2021 als Dauerleihgabe im Kunsthaus zeigt.
Problematisch in der neuen Ausstellung ist vor allem jene Bildergalerie, in der die jüdischen Vorbesitzerinnen und Vorbesitzer in Kurzbiografien vorgestellt werden. Diese Menschen verkauften die ihnen verbleibenden Kunstwerke auf der Flucht vor dem grassierenden und für Millionen von Juden tödlich gewordenen Antisemitismus in Nazi-Deutschland unter anderem an Bührle. Man sieht da also ein, zwei oder drei Bilder und daneben ein Wandtextlein zu den Sammlern, welche die Bilder verkauft haben.
Diese elf Texte, die in einem der folgenden Räume noch um einen zwölften zum jüdischen Unternehmer Max Silberberg ergänzt werden, aus dessen Sammlung Manets «La Sultane» stammt, zeigen, wie wenig Forschung die Ausstellungsmacher betrieben haben.
Dürftige Biografien
Das Kunsthaus würdigt da nicht etwa grosse Sammlerpersönlichkeiten, wie das etwa das Kunstmuseum Basel im Winter 2022/23 mit einer biografischen Ausstellung zu Curt Glaser gemacht hat. Im Kunsthaus Zürich liest man bloss biografische Skizzen, wie sie ein Provenienzforscher im Dienste der Bührle-Sammlung schreiben würde. Wann wurde aus welchem Grund wo ein bestimmtes Bild in der Sammlung verkauft?
Die Texte entsprechen im Wesentlichen dem, was man schon in der grossen Bührle-Monografie von Lukas Gloor oder auf Wikipedia nachlesen kann. Das ist überaus dürftig und wohl dem beschränkten Zeitbudget der Ausstellung geschuldet.
Es bleibt noch viel zu tun, um die Jüdinnen und Juden, deren Besitz in der Sammlung Bührle aufgegangen ist, als eigenständige, von Nazi-Deutschland erniedrigte und enteignete und nicht selten auf grausamste Art getöteten Menschen zu würdigen. Denn das wäre die wohl vornehmste Art, sich mit den Untiefen dieser Sammlung zu beschäftigen.
Provenienzen kommen zu kurz
Nach einer trotz dieser Einwände durchaus kritischen ersten Hälfte der Ausstellung erweist sich der Schlussgalopp in der Schau, der durch Bührles Sammlerjahre nach dem Zweiten Weltkrieg führt, als chronologische Zusammenstellung seiner in dieser Zeitperiode gesammelten Werke, bei der sich Sammlungskurator Philipp Büttner ein paar überraschende Bildgegenüberstellungen erlaubt.
Leider kümmern sich die Ausstellungsmacher in der Zeit zwischen 1945 und 1956 nicht mehr gross um Provenienzen, obwohl auch Bührles Ankäufe der Nachkriegsjahre nicht selten auf jüdische Familien zurückzuführen sind, die nach dem Untergang des Dritten Reichs oft mittellos dastanden und ihre Kunstwerke auf den Markt brachten, weil sie schlicht Geld brauchten.
Die Bührle-Ausstellung im Kunsthaus ist auf Dauer ausgelegt und soll den neuesten Forschungsergebnissen laufend angepasst werden.
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