Schweizer Stromriese investiert im AuslandAxpo-Windparks: In Finnland gehts vorwärts, in der Schweiz nicht
Der Stromkonzern unterstützt Finnland dabei, bis 2035 klimaneutral zu werden. Wäre das Geld in der Schweiz nicht besser investiert? Politiker äussern Bedenken.
Die Axpo startet ein neues Abenteuer, 1900 Kilometer entfernt von ihrem Hauptsitz in Baden: In Vaasa, einer Hafenstadt im Westen Finnlands, hat der Schweizer Stromkonzern letzte Woche ein neues Büro eröffnet. Von hier aus will er Windparks in ganz Finnland entwickeln, bauen und betreiben – und so mithelfen, einen höchst ambitionierten Plan der finnischen Regierung umzusetzen: Bis 2035 soll das Land im hohen Norden klimaneutral werden. Bereits seien erste «positive Vorgespräche» mit Grundstückeigentümern und Gemeinden geführt worden, sagt Geschäftsführer Joakim Ingves, der das Axpo-Wind-Team in Vaasa führt.
In Finnland schreitet der Ausbau der Windkraft schnell voran. Allein letztes Jahr kamen Windanlagen mit einer Leistung von gut 2400 Megawatt dazu. Nur Deutschland und Schweden waren fleissiger. In Europa wuchs die installierte Leistung um rekordhohe 19’200 Megawatt auf total 255’000. Mittlerweile macht Windenergie am Stromverbrauch der EU rund 16 Prozent aus; bereits 2030 sollen es nach den Plänen der EU-Kommission 43 Prozent sein.
Doch nun droht dem europäischen Windexpress ein Bremser. «Wir erwarten in den nächsten fünf Jahren, dass der Zubau zurückgehen wird», sagt Pierre Tardieu, Politikveranwortlicher beim europäischen Windenergieverband Wind Europe. Schwierigkeiten in der Lieferkette und die hohe Inflation hätten die Windradkosten um bis zu 40 Prozent ansteigen lassen. Die Investitionen seien derzeit rückläufig.
Expansionspläne, wie sie die Axpo nun in Finnland hegt, erhalten auf diesem Hintergrund besonderes Gewicht. Bis 2030 will die Axpo 3000 Megawatt Windkraftleistung in ganz Europa installieren. Die Hälfte davon ist geschafft: Über ihre Tochtergesellschaft Volkswind hat die Axpo in Deutschland und Frankreich bereits mehr als 80 Windparks entwickelt. In der Schweiz dagegen betreibt die Axpo nur eine Windanlage: im Entlebuch.
Unsicherheitsfaktor Import
Energiepolitiker im Bundeshaus verfolgen den Kurs der Axpo deshalb mit gemischten Gefühlen. Einerseits nützt grundsätzlich jedes in Europa installierte Windrad auch der Schweiz, da unser Land eng in den europäischen Strommarkt eingebunden ist. Andererseits ist nicht sicher, ob die Schweiz in Zukunft genügend Strom importieren kann – speziell im Winterhalbjahr, wo Windanlagen zwei Drittel ihrer Jahresproduktion liefern und die Schweiz traditionell auf Stromimporte angewiesen ist.
Das liegt nicht nur an den energiepolitischen Verwerfungen, die der Ukraine-Krieg mit sich bringt. Hinzu kommt: Bis Ende 2025 müssen die EU-Länder mindestens 70 Prozent der grenzüberschreitenden Stromkapazitäten für den Handel zwischen den EU-Mitgliedsstaaten reservieren. Können sie diese Regel nicht erfüllen, werden sie den Export in die Schweiz einschränken müssen. Abhilfe schaffen könnte ein Stromabkommen mit der EU, das die Schweiz in den europäischen Strombinnenmarkt integrieren und helfen würde, künftige Importe sicherzustellen. Doch seitdem der Bundesrat 2021 das Rahmenabkommen beerdigt hat, ist das Stromabkommen in der Schwebe.
«Die Axpo muss sich um die Versorgungssicherheit in der Schweiz kümmern.»
Entsprechend unsicher reagieren Politiker auf die Frage, was sie vom Axpo-Engagement in Finnland halten. Einerseits seien die Investitionen nachvollziehbar, sagt Nationalrat Christian Imark (SVP). «Andererseits machen sie angesichts des europäischen Powerplays gegen die Schweiz wenig Sinn.» Ähnlich tönt es von Bastien Girod (Grüne): «Die Axpo muss sich um die Versorgungssicherheit in der Schweiz kümmern.» Sie müsse bei den Behörden des jeweiligen Landes vertraglich durchsetzen, den produzierten Strom in gleicher Menge in die Schweiz durchleiten zu können, so der Nationalrat. Geschehe das nicht, würden die Investitionen nichts bringen. «Im Gegenteil, das CS-Debakel zeigt, wie Aktivitäten im Ausland die Versorgung in der Schweiz gefährden können.» Die Axpo äussert sich zur Forderung nicht.
Ständerat Damian Müller (FDP) kann die Besorgnis nachvollziehen. Er weist jedoch darauf hin, dass die Schweiz selbst mit einem Stromabkommen nur dann genügend Strom importieren könne, wenn in Europa insgesamt ausreichend Strom vorhanden sei. Müller begrüsst es daher, dass die Axpo nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert.
Österreich hängt die Schweiz ab
Die Axpo ihrerseits versichert, sie würde gerne mehr in den Ausbau der Windkraft im Inland investieren. Doch seien die regulatorischen Rahmenbedingungen – Stichwort: lange Verfahren – und die Akzeptanz in der Bevölkerung «sehr herausfordernd». In den letzten 10 Jahren hat die Axpo eigenen Angaben gemäss 5 Milliarden Franken in ihre Energieanlagen investiert, davon 70 Prozent im Inland. «Ein grosser Teil dieser Investitionen wäre ohne Erträge aus unserem Auslandsgeschäft schlicht nicht möglich», sagt Sprecher Martin Stucki. Wie viel Geld in Windenergieprojekte im In- und Ausland geflossen sind, sagt die Axpo nicht.
In der Schweiz jedenfalls soll es nun vorwärtsgehen. Derzeit liefern hierzulande 41 Windkraftanlagen weniger als 0,5 Prozent des Jahresstromverbrauchs in der Schweiz. Zum Vergleich: Im doppelt so grossen Österreich gibt es 1400 Windräder.
Die Axpo verfolgt mehrere Projekte in der Zentralschweiz und im Aargau mit circa 20 Turbinen und einer Leistung von ungefähr 110 Megawatt. Ob und wann sie zustande kommen werden, ist aber noch unklar. Zwar will der Nationalrat mit der Lex Windkraft bestimmte, weit fortgeschrittene Projekte beschleunigen, doch davon kann kein aktuelles Axpo-Projekt profitieren. Wichtiger, so Sprecher Stucki, sei die vom Bundesrat angekündigte Beschleunigungsvorlage für die Windkraft. Das Warten geht also weiter – in Finnland dürfte es schneller vorwärtsgehen.
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