Lieferketten auf dem PrüfstandAutobauer kappen enge Lieferbeziehungen zu China
Hersteller aus Europa, den USA und Japan wollen künftig weniger Autoteile in China einkaufen. Das sind die Hintergründe.
China ist im Auto-Olymp angekommen. Innerhalb von zwanzig Jahren hat sich das Land zu einem der wichtigsten Pfeiler für die Branche hochgearbeitet. Europäische und amerikanische Hersteller haben China nicht nur als Absatzmarkt entdeckt, sondern lassen auch eine grosse Anzahl ihrer Komponenten dort fertigen.
Das könnte sich in absehbarer Zeit jedoch ändern. Mehrere internationale Autofirmen wollen ihre Abhängigkeit von chinesischen Lieferanten nun verringern, wie die «Financial Times» unter Berufung auf Industrie- und Lieferkettenexperten berichtet. Diese sprechen gar von einer konzertierten Aktion.
«Es gibt ein gross angelegtes Umdenken bei den Logistikströmen», sagt etwa Ford-Manager Ted Cannis. «Die Lieferkette wird zum Hauptthema dieses Jahrzehnts werden», ist er überzeugt.
Chinas Corona-Politik sorgt für Verunsicherung
Diese Kehrtwende der Autobauer hat zwei Gründe. Zum einen hat die lange anhaltende und strenge Corona-Politik Chinas für Verunsicherung gesorgt. Immer wieder wurden Fabriken praktisch ohne Vorwarnung geschlossen und die Produktion stand still. Volvo beispielsweise hatte daher angekündigt, verstärkt auf Komponenten auszuweichen, die nicht in China hergestellt werden.
Die Lieferschwierigkeiten hatten auch Folgen für die Kunden. In der Schweiz mussten viele Fahrzeugkäufer lange auf ihre Autos warten, weil nicht nur Chips, sondern auch andere Teile fehlten.
Es gibt noch einen zweiten, langfristigeren Grund für die zunehmende Zurückhaltung: Die Automanager fürchten, dass die Beziehungen zwischen China und der westlichen Welt einen Dämpfer erhalten könnten – ähnlich wie das nun mit Russland angesichts des Krieges in der Ukraine der Fall ist. Damit wäre auch der Handel mit China gefährdet.
«Es ist eine neue Welt.»
Unter vier Augen ziehen die Automanager Parallelen zwischen den beiden Ländern. Nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine sahen sich diverse Hersteller von Renault bis zu Mercedes-Benz gezwungen, ihre Werke in Russland herunterzufahren oder zu verkaufen.
«Ich glaube, die Autowelt wurde von Russland und der Ukraine überrascht», sagt Auto-Manager Cannis. Auch die Beziehung zwischen den USA und China sei schwieriger als noch zuvor. «Es ist eine neue Welt», so Cannis.
Kein Komplettrückzug
Und deshalb haben die Hersteller reagiert. Sie erwarten, dass längerfristig weniger Fahrzeugkomponenten aus China in den Autofabriken rund um die Welt verbaut werden. Aktuell ist die Abhängigkeit von China hoch: Ein Viertel aller Autoteile, die China exportiert, ist für Werke in den USA bestimmt, zitiert die «Financial Times» eine Studie der Sheffield-Hallam-Universität.
Einen Komplettrückzug aus China planen die Hersteller indessen nicht. Denn der dortige Absatzmarkt ist immer noch riesig. Vielmehr konzentrieren sie sich bei ihrer Fertigung in China allein auf den dortigen Markt. Was dort gebaut wird, wird auch dort verkauft.
Bis die Autobauer ihre Lieferketten umgestellt haben, wird es jedoch dauern. Denn einen Lieferantenwechsel während des Produktionszyklus machen die Hersteller kaum. Zudem könnte ein Wechsel des Lieferanten – weg von China und zurück nach Europa und in die USA – für die Hersteller teuer werden, warnen Experten.
Es geht nicht mehr nur um den Preis
Den Autobauern geht es bei der Wahl ihrer Lieferanten aber nicht mehr allein um Kosten. «Derzeit müssen wir auch sicherstellen, dass wir stabile Lieferketten haben», sagt Mazda-Manager Masahiro Moro der «Financial Times» zufolge. Mazda hat angekündigt, die Produktion einzelner Teile von China in den Heimatmarkt Japan zu verlagern.
Auch die US-Autohersteller Ford und General Motors sind der Zeitung zufolge seit mehr als einem Jahr daran, die Produktion gewisser Teile von China zurück in die USA zu verlegen.
Für die deutschen Hersteller Mercedes, BMW und Volkswagen ist das deutlich schwieriger. Wie eng sie mit China verbunden sind, zeigt allein die Tatsache, dass die drei Firmen gemeinsam mit dem deutschen Chemiekonzern BASF für ein Drittel aller europäischen Direktinvestitionen zwischen 2018 und 2021 stehen.
Für die deutschen Hersteller ist China nicht nur ein wichtiger Lieferant – sie verkaufen dort mittlerweile auch einen grossen Teil ihrer Autos. VW beschreibt sich selbst stolz als einer der ersten internationalen Partner für die chinesische Autoindustrie.
«Wir sehen uns Bezugsquellen an, die in der Nähe liegen.»
Die deutschen Autobauer sehen politische Gründe denn auch nicht als Auslöser für einen Lieferantenwechsel. Es gehe nicht um China oder die USA, sagte Mercedes-Benz-Manager Jörg Burzer der «Financial Times», sondern darum, die besten Lieferketten für die Produktion zu sichern.
«Natürlich sehen wir uns Bezugsquellen an, die in der Nähe liegen – das kann auch von europäischen Zulieferern sein oder von US-amerikanischen oder mexikanischen Lieferanten», sagte Burzer. Die Nationalität spiele dabei keine Rolle.
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