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Ölförderung mit Problemen
Ausgerechnet jetzt sind die US-Fracker am Anschlag

9,5 Millionen Liter Wasser, Chemikalien und Sand müssen täglich in den Boden gepresst werden, um das Öl aus dem Gestein zu lösen: Fracking-Anlage in Texas.  
Foto: Sergio Flores (Getty Images)
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Ölkrise, hohe Benzinpreise, Versorgungsengpässe – das Muster wiederholt sich. Schuld ist die Regierung, schuld sind die Ölkonzerne, schuld ist die Klimapolitik. So auch vor kurzem, als die Bosse von sechs amerikanischen Ölfirmen vom Kongress zitiert und beschuldigt wurden, vom Krieg in der Ukraine zu profitieren.

Statt Dividenden zu zahlen und Schulden zu begleichen, so die Forderung, sollten sie mehr Öl und Gas aus dem Boden pumpen. Das würde auch mehr Exporte erlauben und die Abhängigkeit Europas von Russland verkleinern. 

Die USA sind zwar eine Weltmacht im Ölmarkt, aber die Fracking-Firmen, die den Aufstieg an die Spitze ermöglicht haben, sind nicht mehr so stark wie sie es einmal waren. Eine forcierte Produktion wegen des Krieges in der Ukraine ist kurzfristig nicht möglich und wäre langfristig eine Katastrophe für eine Klimapolitik ohne fossile Energien.

Geld fliesst in den Schuldenabbau

Die grossen Fracking-Firmen Pioneer Natural Resources, Hess, Devon Energy und Continental Resources erzielen derzeit die höchsten Profite seit 2014, aber sind nicht bereit, die Gewinne in die Ölförderung zu investieren. Vielmehr bedienen sie die Aktionäre mit höheren Dividenden und verwenden den Rest dazu, Schulden abzuzahlen, die sie in den letzten Jahren angehäuft haben.

Die Covid-Pandemie traf diese Firmen heftig, weil die Nachfrage nach Öl und Erdgas exakt dann nachliess, als sie die Produktion aufs Maximum hochgefahren hatten. Hunderte von kleineren Fracking-Firmen gingen in der Folge bankrott. Die grösseren Konzerne legten ihre Förderanlagen in grossem Stil still, um sich finanziell zu stabilisieren.

Verstärkt wurde die Klemme durch den Trend zu nachhaltigen Investitionen, die weltweit Investment- und Fondsgesellschaften zwang, Gelder aus den Ölkonzernen abzuziehen und in erneuerbare Energie umzulenken.

Also stellten die Fracking-Firmen ein neues Geschäftsmodell mit dem Ziel auf, die Exzesse der früheren Jahre zu verhindern. Im Kern geht es darum, die Produktion berechenbar stabil zu halten und die Investoren mit satten Dividenden zufriedenzustellen. «Warum in aller Welt sollten sie jetzt die Produktion steigern, wenn das neue Modell endlich erlaubt, Cash Flow zu generieren», meint  Ben Dell von Kimmeridge Energy Management, einer Beraterfirma der Ölindustrie. 

Das Ende ist absehbar

Das Herauspressen von Ölreserven mittels Fracking ist ein Rennen gegen die Zeit. Anders als beim konventionellen Abpumpen von Öl werden die Öl- und Gasvorräte unter hohem Druck mit einem Mix von Wasser, Chemikalien und Sand ausgebeutet. Fracking-Quellen produzieren deshalb im Schnitt nur sieben Jahre lang, dann sie sie ausgebeutet.

John Hess, ein Fracking-Pionier, erklärte kürzlich: «Wir sind vorsichtig geworden. Die Reserven reichen nur noch zehn, vielleicht fünfzehn Jahre.» Die USA förderten letztes Jahr 11,6 Millionen Fass Öl pro Tag, etwas mehr als ein Achtel der globalen Produktion. Dieses Jahr dürften zusätzlich nur etwa 240’000 Fass pro Tag gefördert werden, schätzen Beraterfirmen.

Selbst wenn die Branche die Notlage beheben wollte: Das Hochfahren der Produktion auf den Stand von 2019 würde bis zu zwei Jahre dauern. Alle funktionierenden Anlagen seien bereits in Betrieb, sagte Chris Wright, Chef von Liberty Oilfield Services, einem grossen Ausrüster der Fracking-Industrie. Etwa ein Drittel der Anlagen sei so veraltet, dass sie nicht mehr zu brauchen sind.

Aus Umweltgründen haben Ölfirmen zudem zahlreiche Dieseltrucks ausgemustert. Diese Engpässe werden durch den Mangel an Arbeitskräften verschärft. Ölfirmen haben heute Mühe, qualifiziertes Personal zu rekrutieren, nachdem sie 2020 Zehntausende Angestellte haben entlassen müssen.

«Die Gefahr besteht darin, dass die USA und Europa die falsche Lehre aus der Energiekrise ziehen.»

Clark Williams-Derry

Die Rückkehr zu einer aktiven Klimapolitik durch die Regierung Biden hat wenig bis nichts mit der Energieklemme zu tun, wie die Republikaner behaupten. Kein einziger Konzernchef der Fracking-Branche habe die aktuellen Probleme mit der Deregulierung in Verbindung gebracht, fasste Amos Hochstein, der Energiebeauftragte der Regierung Biden, nach einem gemeinsamen Treffen zusammen. Die Idee, dass Änderungen in der Energiepolitik den globalen Ölpreis beeinflussten, sei falsch, weil die USA 2015 das Exportverbot für Rohöl aufgehoben hätten und der Preis auch in den USA durch die Opec bestimmt werde.

«Die eigentliche Gefahr besteht darin, dass die USA und Europa die falsche Lehre aus der aktuellen Krise ziehen», sagt Clark Williams-Derry, Analyst des Institute for Energy Economics and Financial Analysis. «Wenn die USA und Europa in verflüssigtes Erdgas als Alternative zum russischen Gas investierten, so würden sie auf lange Frist von dessen hohen Transport- und Raffineriekosten abhängig.» Sie binden finanzielle Mittel, die ihren Klimaschutzzielen widersprechen.