Das Ende des amerikanischen Ölwunders
Der Kollaps des Ölpreises treibt mehr und mehr US-Produzenten in den Bankrott und stoppt den Fracking-Boom.
Wenn sich Russland und Saudiarabien im Ölmarkt streiten, sind amerikanische Firmen die Verlierer. Der Preiszerfall deckt schonungslos auf, wie massiv sich die US-Produzenten verschuldet haben und nie konstante Gewinne erzielen konnten. Der Fracking-Boom der letzten 15 Jahre, der das Land an die Weltspitze gebracht hat, kommt die USA teuer zu stehen. Anders als bei früheren Einbrüchen dürften Investoren nicht mehr länger bereit sein, Geld in einer Branche zu versenken, die zunehmend von der Solar- und Windenergie verdrängt wird.
«Das Wachstum des Fracking ist zu einem abrupten Stopp gekommen», beschreibt Raoul LeBlanc, Vizepräsident der Marktforschungsfirma IHS, die Lage, nachdem der Ölpreis den grössten Kollaps der letzten 30 Jahre erlebt hat. Das Herausbrechen von winzigen Öl- und Gasblasen aus dem Gestein ist an einem Punkt angelangt, an dem die Technologie nicht weiter optimiert werden kann. «Was erreicht werden konnte, wurde erreicht», so LeBlanc, «die besten Reserven dürften in etwa fünf Jahren erschöpft sein.»
Extrem verschuldet
Deswegen dürften Investoren anders als bei der letzten Preiskorrektur vor sechs Jahren diesmal nicht mehr rasch zurückkehren. Ein Indiz für diese neue, erhöhte Vorsicht lieferten die Märkte gestern. Nach dem massiven Einbruch vom Montag fehlt es den Händlern an Überzeugung; die Aktien der kleineren US-Ölfirmen gaben an der Börse weiter nach.
Halliburton zum Beispiel, einer der grossen Profiteure des Fracking, wird nur noch mit gut sieben Milliarden Dollar bewertet, zehnmal weniger als noch vor drei Jahren. Whiting Petroleum, ein Pionier in Sachen Fracking in North Dakota, ist nur noch 67 Millionen Dollar wert, rund 500-mal weniger als zu den besten Zeiten des Booms. Ein Bankrott rückt näher denn je. Whiting ist wie zahlreiche kleine und mittelgrosse Produzenten extrem verschuldet und braucht einen Ölpreis von mindestens 50 Dollar pro Frass, um allein die Kosten decken zu können. Gemäss einer Studie der UBS rechneten die amerikanischen Ölfirmen dieses Jahr optimistisch mit einem Fasspreis von 50 bis 55 Dollar. Bei den aktuellen Preisen schreiben sie aber tiefrote Zahlen; der Cashflow sinkt um bis zu 39 Prozent.
Der lästige Störefried
Die amerikanische Ölindustrie schwang sich in den letzten Jahren dank dem Fracking zum grössten Produzenten der Welt auf. Die USA sind erstmals seit langem nicht mehr auf Importe aus Saudiarabien angewiesen. Sie können im Gegenteil einen Drittel der täglichen Produktion von 13 Millionen Fass ausführen und weisen seit letztem November wieder einen Exportüberschuss aus. Dieser Erfolg sticht Saudiarabien und Russland gleichermassen, sagen US-Marktanalysten. Beide Länder streiten um ihren Einfluss auf dem Weltmarkt und sehen die USA zunehmend als lästigen Störefried.
Die Eskalation sei nicht nur, aber auch als ein Angriff auf die amerikanische Fracking-Industrie zu sehen, meint Scott Sheffield, Chefin der texanischen Pioneer Natura Ressourcen. «Viele Unternehmen werden bankrott gehen. Wir müssen unser Kapital und unserer Arbeitskräfte anpassen, um die Bilanz auszugleichen.»
Konkret heisst das: Entlassungen und geringere Investitionen. Halliburton, Schlumberger und mehrere mittelgrosse Produzenten haben bereits mehrere Tausend Entlassungen ausgesprochen; doch auch die Giganten der Branche, Exxon und Chevron, leiden. Sie haben trotz gewaltiger Investitionen nie einen Profit mit dem Fracking erzielt und sind nun ebenfalls zum Kostensparen gezwungen. Nur so können sie ihre satten Dividenden weiter zahlen und die Aktionäre vor einem Ausstieg bewahren.
Opfer des eigenen Erfolgs
«Die Angst entzieht der Ölbranche das nötige Kapital und schmälert die lausigen Erträge weiter», sagt LeBlanc. Die Zahl der Bankrotte stieg letztes Jahr schon deutlich an. 44 Förderfirmen mit Schulden von 26 Milliarden Dollar (doppelt so viel wie im Vorjahr) meldeten einen Konkurs an. Da dieses und nächstes Jahr gemäss dem Institute for Energy Economics and Financial Analysis mehr als 100 Milliarden Dollar fällig werden, sei mit noch mehr Konkursen zu rechnen. «Es fällt es schwer, ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen», schreibt Finanzanalystin Kathy Hipple.
Bis zu einem gewissen Grad wurde die Fracking-Industrie auch Opfer ihres eigenen Erfolgs. Dank immer raffinierteren Methoden, die letzten Reserven in Gesteinsschichten zu entdecken und auszupressen, konnte sie die Produktion rascher als je erwartet steigern. Die Vorräte werden in wenigen Jahren völlig ausgebeutet.
Teils kannibalisieren sich benachbarte Unternehmen sogar und drücken ihre Erträge gegenseitig. Die Laisser-faire-Politik der Regierung Trumpf trug zu einem Wildwuchs bei. Kommt es im November zu einem Regierungswechsel, drohen striktere Regulierungen, weshalb eine Konsolidierung in der Hand von wenigen Konzernen gemäss der UBS unausweichlich sein wird.
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