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Meinung

Analyse zum Rahmenabkommen Schweiz EU
Aus dieser Zwickmühle kommt die Schweiz nur schwer heraus

Brüssel wartet auf die neue Chefunterhändlerin Livia Leu und die Weichenstellungen des Bundesrates beim Rahmenabkommen.  
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Was hat der Wahltag in den USA mit dem Brexit oder mit dem Schweizer Rahmenabkommen zu tun? Der britische Premier wartet für die letzte entscheidende Weichenstellung beim Brexit auf den Ausgang der US-Wahlen. Der Schweizer Bundesrat dürfte am Tag nach der historischen Präsidentschaftswahl oder zeitnah bekannt geben, wie es beim Rahmenabkommen weitergehen soll.

Für Boris Johnson ist das Kalkül einfach. Reicht es Donald Trump für eine zweite Amtszeit, macht sich der britische Premier Hoffnungen auf ein schnelles Handelsabkommen mit den USA. Ein Deal mit der EU erscheint dem Briten dann eher verzichtbar und Konzessionen für den Zugang zum Binnenmarkt gegenüber Brüssel vielleicht unnötig. Ob die Briten mit amerikanischen Chlorhühnern und Hormonfleisch glücklich werden, ist eine andere Frage.

Schweizer Timing

Im Fall der Schweiz steht natürlich weniger auf dem Spiel. Dem Schweizer Bundesrat dürfte allerdings gelegen sein, dass seine Ankündigung zum Rahmenabkommen durch weltpolitisch wichtigere Ereignisse überschattet wird. Die US-Wahl helfe sicher, das Thema klein zu halten, interpretiert man in EU-Kreisen das Schweizer Timing. Brüssel wird absorbiert sein, sich einen Reim auf den Ausgang der US-Wahlen zu machen.

Doch was sind die Erwartungen in Brüssel, und welche Optionen hat die Schweizer Regierung überhaupt? In Brüssel rätselt man, was der Bundesrat vorhat. Offenbar gibt es auch zwei Jahre nach dem Ende der eigentlichen Verhandlungen keine klaren Signale und keinen Austausch über mögliche Zusatzprotokolle. Der Ball sei in Bern, heisst es in EU-Kreisen lakonisch. Relativ einfach wäre der Fall, wenn der Bundesrat die neue Chefunterhändlerin Livia Leu mit den drei im Sommer 2019 angekündigten Erklärungswünschen nach Brüssel schicken würde. Über die Zusatzprotokolle zu Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie und Staatsbeihilfen könnten sich beide Seiten relativ rasch einig werden.

In einer rechtlich verbindlichen Erklärung könnte bekräftigt werden, dass das Schweizer Schutzniveau garantiert wird. Bei der Unionsbürgerrichtlinie könnte die Schweiz Elemente explizit ausgeklammert bekommen, die keine Weiterentwicklung der ursprünglichen Personenfreizügigkeit sind. Auch könnten beide Seiten klarstellen, dass die neuen Beihilferegeln abgesehen von der Luftfahrt nur für künftige Marktzugangsabkommen relevant werden.

Schwierig wird es, sollte die Schweiz noch einmal über die Streitschlichtung oder gar das Prinzip der dynamischen Rechtsübernahme reden wollen. Dann sei alles wieder auf dem Tisch, auch die Konzessionen der EU, heisst es dazu in Brüssel. So hätte die EU ursprünglich gerne den Schweizer Kohäsionsbeitrag rechtlich verankert gehabt oder deutlich mehr bilaterale Abkommen sofort dem Rahmenabkommen unterstellt. Auch das Schiedsgericht, das dem Europäischen Gerichtshof vorgeschaltet werden soll, ist aus EU-Sicht eine Konzession an die Schweiz gewesen.

Die Souveränitätsfrage

Gut möglich, dass der Bundesrat die sogenannte Souveränitätsfrage angesichts der innenpolitischen Stimmung trotzdem noch einmal stellt. Aus EU-Sicht wäre das so, als wollte die Schweiz sechs Jahre nach Beginn der Verhandlungen noch einmal von vorne anfangen. Der Bundesrat hat, als er 2013 das Mandat beschloss, sich explizit für die EuGH-Option entschieden. Aus gutem Grund, denn derselbe Europäische Gerichtshof würde jedes Abkommen annullieren, das ihm nicht das letzte Wort bei der Interpretation von EU-Recht zugesteht.

Aus dieser Zwickmühle kommt die Schweiz nur schwer heraus. Was sind die Optionen? Abgebrochen werden erfolglose Verhandlungen selten. Wahrscheinlicher ist, dass die Verhandlungen einschlafen, das Rahmenabkommen in der Tiefkühltruhe landet, wenn aus Bern nicht bald das Signal kommt, zu ratifizieren. Brüssel dürfte dann nicht nur am Tag nach der US-Wahl, sondern auf absehbare Zeit das Interesse verlieren. Und wie wäre es mit einem Interimsabkommen, wie es von Ex-Staatssekretär Michael Ambühl zur Stabilisierung der bilateralen Beziehung propagiert wird? In EU-Kreisen fragt man sich da, weshalb Brüssel interessiert sein sollte, der Schweiz ohne Gegenleistung den Status quo zu garantieren. Tatsächlich ist die Gefahr einer schleichenden Erosion der bilateralen Beziehung die einzige Drohkulisse der EU.