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Mindeststeuer für Unternehmen
«Aus demokratischer Sicht eine Katastrophe»

Es hagelt aber nicht nur Kritik, sondern es gibt auch Lob: Bundespräsident Guy Parmelin (l.) und Bundesrat Ueli Maurer.
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SVP-Finanzminister Ueli Maurer bekommt Kritik aus den eigenen Reihen. Nationalrat Roger Köppel (SVP) wirft ihm vor, den jüngsten «Angriff» auf die Schweiz ohne Gegenwehr über sich ergehen zu lassen. «Wo ist der Widerstand?», fragte Köppel am Sonntag auf TeleZüri. Es geht um den Plan der sieben führenden Industrienationen (G-7), eine internationale Mindeststeuer von 15 Prozent für Unternehmen einzuführen. Den definitiven Entscheid fällt die OECD.

Auch SVP-Nationalrat Thomas Matter verlangt von den SVP-Bundesräten entschlossenes Handeln, auch von Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Die Schweiz müsse sich mit Irland und osteuropäischen Staaten zusammenschliessen, welche dieselben Interessen hätten, und in der OECD ihr Veto einlegen. «Ich erwarte von unseren beiden Bundesräten, dass sie sich mit aller Kraft dafür einsetzen», sagt Matter. Der Angriff auf die Souveränität einzelner Länder sei «aus demokratischer Sicht eine Katastrophe.» Speziell für die Schweiz, dem einzigen Land weltweit, wo die Stimmbürger über die Höhe des Steuersatzes selber entscheiden könnten.

Moderate Lösung gewünscht

Unterstützung bekommt Maurer aus anderen Parteien. Die Kritik sei nicht gerechtfertigt, sagt GLP-Nationalrat Roland Fischer. «Widerstand wäre kontraproduktiv.» Ohne globale Lösung bestehe die Gefahr, dass Staaten individuelle Mindestbesteuerungssysteme einführten. «Ein international koordiniertes Vorgehen ist deshalb im Interesse der Schweiz.» Auch demokratiepolitisch hat Fischer keine Bedenken: Es handle sich um Steuervermeidungs-Praktiken von international tätigen Konzernen und somit um ein globales Problem. «Deshalb muss es auch global gelöst werden.»

Das Finanzdepartement geht auf die Kritik nicht ein. Die Schweiz werde die nötigen Massnahmen ergreifen, um als Wirtschaftsstandort attraktiv zu bleiben, sagt ein Sprecher auf Anfrage. Departementsvorsteher Ueli Maurer hatte sich allerdings im April im Radio SRF dazu geäussert. Auf die Frage, welche Folgen ein Mindeststeuersatz von 12 Prozent oder höher hätte, antwortete er: «Ich gehe davon aus, dass sich auch andere Länder zur Wehr setzen würden.» Eine globale Lösung müsse moderat sein. Maurer machte aber auch klar, dass der Schweiz kein Nachteil erwüchse, wenn überall auf der Welt der gleiche Mindeststeuersatz für Unternehmen gälte. Sie müsste im internationalen Wettbewerb dann einfach in anderen Bereichen etwas mehr bieten, als das vielleicht heute der Fall sei, so Maurer, etwa in den Bereichen Bildung, Sicherheit und Stabilität.

Thomas Matter indes befürchtet, dass der Steuersatz nicht bei 15 Prozent bleiben, sondern steigen wird, auf über 20 Prozent. Die an sich guten Rahmenbedingungen der Schweiz würden dann vielleicht nicht mehr genügen, um Firmen anzulocken oder vom Abwandern abzuhalten, dies umso mehr, als unklar sei, mit welchen Steuertricks andere Länder die neue Regelung umschiffen werden. Ein Punkt, der auch Freisinnigen Sorgen bereitet. Ständerat Ruedi Noser hält wenig von solchen Steuer-Harmonisierungsversuchen. «Sie führen zu mehr Bürokratie, aber nicht zu mehr Gerechtigkeit», sagt er. Der Grund seien Umgehungsmassnahmen, wie sie in der EU «gang und gäbe» seien und jetzt auch in der Schweiz diskutiert werden: Ersatz-Zahlungen oder der Erlass von Abgaben, wie sie der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler im Gespräch mit dieser Zeitung vorschlägt. Zug ist der Kanton mit den schweizweit tiefsten Unternehmenssteuern, insgesamt 18 Kantone müssten sie anheben, wenn die Pläne der G-7 umgesetzt werden.

«Solange es intransparente Abkommen gibt, erreichen wir keine Harmonisierung.»

Ruedi Noser, FDP-Ständerat

Ständerat Noser ermutigt die Kantone, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, um für Firmen attraktiv zu bleiben. Und er hofft, Finanzminister Ueli Maurer (SVP) werde sich dafür einsetzen, dass die USA und Grossbritannien mit ihren Tiefsteuer-Staaten und Kronkolonien in die Pflicht genommen würden. Ebenso Irland und Holland, wo anonyme Steuerabkommen möglich sind. «Solange es die Möglichkeit anonymer und intransparenter Abkommen gibt, erreichen wir keine Harmonisierung», sagt Noser.

Skeptisch ist auch Ständerat Erich Ettlin (Die Mitte). Immerhin liege der vorgeschlagene Steuersatz bei 15 Prozent und nicht bei 21, wie es Joe Biden zuerst wollte. Doch die Folgen seien unklar, und ebenso, wie die Berechnung der Mindeststeuer im Detail aussehe. Ob sie zum Beispiel Umweltabgaben oder schweizerische Spezialsteuerregelungen beinhalte. Und ob, falls dem nicht so wäre, es die OECD der Schweiz erlauben würde, den Unternehmen diese als Kompensationsmassnahme künftig zu erlassen.

«Toll» für die Schweiz

Keine Bedenken, sondern im Gegenteil Applaus gibt es von der linken Seite. Das System, das die G-7 vorschlägt, wäre für die Schweiz «toll», sagt SP-Nationalrat Samuel Bendahan. Jeder Staat sei frei, mitzumachen, und habe dennoch den grössten Anreiz dazu. Denn die Grosskonzerne müssten neu nicht mehr nur an ihrem Standort Steuern abliefern, sondern auch in anderen Ländern, in denen sie Wertschöpfung generierten. Insgesamt würden sie in jedem Fall mit 15 Prozent belastet. Wenn also ein Land seine Firmen nur mit 10 Prozent besteuern wollte, würden die anderen beteiligten Länder einfach mehr bekommen.

«Ein geniales, ausgeklügeltes System», sagt der Waadtländer Ökonom Bendahan. «Und für kleinere Länder wie die Schweiz ein grosser Fortschritt.» Er rechnet mit deutlich mehr Steuereinnahmen, falls die OECD im Sommer den Vorschlag tatsächlich gutheissen sollte. «Da geht es um Milliarden, denn die Technologie ist ein stark wachsender Sektor.»

Allerdings: Was mit allfälligen künftigen Mehreinnahmen passieren würde, ist umstritten. Die SP stellt sich vor, dass dieses Geld in Bildung, Verkehr und weitere Infrastruktur investiert wird. Möglich wäre es aber auch, im Gegenzug die Steuern für natürliche Personen zu senken. Ruedi Noser geht davon aus, dass sich der Steuerwettbewerb mittelfristig auf die Einkommensbesteuerung von natürlichen Personen verlagern werde. Hier sei die Schweiz bei Löhnen ab 200’000 Franken nicht sehr wettbewerbsfähig. Sicher spiele auch die Lebensqualität eine grosse Rolle als Standortfaktor, aber irgendwo sei die Schmerzgrenze. Eine zu grosse Differenz bei der Steuerbelastung nehme kaum jemand in Kauf für etwas mehr Lebensqualität.