Treffen in TeheranAuf jeden Fall sind sie gegen den Westen
In Teheran versuchen die Präsidenten der Türkei, Russlands und des Iran eine Allianz zu schmieden. Die Konflikte in Syrien und der Ukraine wollen sie zu ihren Gunsten beeinflussen. Doch untereinander ist man sich nicht einig.
Wenige Stunden nach ihrer Landung auf dem Flughafen Mehrabad begannen die Delegationen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putins in Teheran mit bilateralen Gesprächen. Die Staatschefs trafen im Saadabad-Palast den iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi. Die Begegnung im Rahmen des «Astana-Formats» ist das siebte Treffen der von Erdogan und Putin mit geschaffenen Plattform für Verhandlungen über Syriens Zukunft.
Aber es ging im Iran auch um den Export von ukrainischem Getreide. Kiew wirft der russischen Besatzungsarmee vor, Weizen aus der Ukraine illegal an Russlands Verbündete wie Syrien zu liefern. Die russische Schwarzmeerflotte blockiert das Anlaufen von Frachtschiffen in den Hafen Odessa. Die Frage war etwa, was mit den bereits geernteten Vorräten für Afrika und Südamerika geschehen soll. Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar hatte am Montag gesagt, man habe sich mit Moskau geeinigt auf einen Lieferkorridor über das Schwarze Meer in türkische Häfen. In Istanbul soll ein Koordinierungszentrum für den Export eingerichtet werden.
Es drohen soziale Unruhen
Russlands Verteidigungsministerium hatte bereits am Freitag angekündigt, nach dem Treffen von Teheran trete ein von den Vereinten Nationen verhandeltes Abkommen für den Export von 20 Millionen Tonnen Weizen und Dünger in Kraft. Die russische Schwarzmeerblockade führte zu einem rasanten Anstieg des Weltmarktpreises für Weizen. In mehreren afrikanischen Ländern, im Nahen Osten und in Nordafrika drohen daher soziale Unruhen. Das will Moskau unbedingt verhindern. Denn es fürchtet offenbar, dass es durch die Getreidekrise die grosse Unterstützung der Menschen in der Region verliert.
EU-Chefdiplomat Josep Borell warnt vor Hunderttausenden Hungertoten, sollte die Blockade ukrainischer Häfen nicht beendet werden. Selbst einem in Teheran beschlossenen Export von ukrainischem Getreide aus von Russland besetzten Hafenstädten würde sich Brüssel wohl kaum entgegenstellen. Einigen sich die drei Präsidenten in Teheran über ihre Interessen in Syrien und der Ukraine, dürfte das deshalb Kiews Position schwächen.
Was Syrien betrifft, erwartete Erdogan in Teheran von Russland und vom Iran Zustimmung für die geplante Offensive auf die Kurdengebiete in Nordwestsyrien. Doch beide unterstützen das syrische Regime von Bashar al-Assad und lehnen es ab, dass die Türkei ihren Einfluss in Syrien ausweitet. Die letzten verbliebenen Rebellen in Idlib stehen unter türkischem Schutz.
Ein türkisch-russischer Kompromiss wie in Libyen, wo beide Länder trotz Gegnerschaft einen fragilen Waffenstillstand garantieren, erscheint für Syrien ungleich schwerer erreichbar. Das grösste Druckmittel Teherans und Moskaus wäre die Vertreibung der mehr als vier Millionen Flüchtlinge aus dem von türkischen Militärs kontrollierten Rebellengebiet Idlib. Aber auch zwischen dem Iran und Russland ist es kompliziert: In Syrien sind beide Militärpartner, zugleich buhlen beide Ölproduzenten um Lieferverträge mit China und Indien.
Das Treffen mit den Präsidenten des Iran und der Türkei kann der Kreml als Gipfel mit zwei bedeutenden Regionalmächten darstellen.
Zusammen mit Ankara warnt die russische Führung den Iran zudem davor, eine Atombombe zu bauen. Erdogan wirft Teheran vor, den ganzen Nahen Osten kontrollieren zu wollen. Vielleicht kommt es in der iranischen Hauptstadt hinter den Kulissen zu einem iranisch-türkischen Interessenausgleich in Syrien. Und Russlands militärischer Fokus auf die Ukraine könnte dem Iran die Chance bieten auf den lange gewünschten Zugang zum Mittelmeer – mit türkischen Garantien und ohne Bashar al-Assads bröckelndes Regime. Wegen gestiegener Lebensmittelpreise schwindet die Zustimmung der Menschen in Syrien für den russischen Alliierten täglich.
Für Putin war dies erst die zweite Auslandsreise seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine, die erste ausserhalb früherer Sowjetstaaten – und deshalb besonders wichtig. Er muss der heimischen Bevölkerung deutlich machen, dass Russland international keineswegs isoliert sei. Das Treffen mit den Präsidenten des Iran und der Türkei kann der Kreml deshalb als Gipfel mit zwei bedeutenden Regionalmächten darstellen, es hat also für Moskau auch starken symbolischen Nutzen. Vor allem der Iran gilt zudem als dringend benötigter Wirtschaftspartner. Beide sind bisher vor allem über russische Rüstungsexporte, das Atomkraftwerk Bushir und einen Transportkorridor Richtung Indien miteinander verbunden.
Erst am Tag vor seiner Abreise nach Teheran machte Putin deutlich, wie mächtig die westlichen Sanktionen Russland zusetzen. Er sprach von «riesigen Herausforderungen», einer «kolossalen Menge an Problemen», für die es eine Lösung brauche. Russlands Wirtschaft ist nach dem Rückzug vieler grosser westlicher Technologiekonzerne wie Microsoft, Intel und Apple darauf angewiesen, die eigene Produktion zu stärken. Aber das braucht viel Zeit, in der die Wirtschaft erst noch weiter schrumpfen dürfte.
Iranische Drohnen für Russland?
Der Iran kann das nicht ausgleichen, immerhin aber leben beide Staaten jetzt mit westlichen Sanktionen und streben deshalb ein engeres Verhältnis an. «Alles, was uns nicht umbringt, macht uns nur stärker», sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow vor der Iranreise. Nach Angaben der russisch-iranischen Handelskammer ist seit Beginn des Konflikts in der Ukraine Teherans Export nach Russland gestiegen.
Ob dies auch für iranische Drohnen gilt, war zunächst unklar. Die US-Regierung hatte Hinweise veröffentlicht, dass Russland am Kauf von mehreren Hundert iranischen Drohnen interessiert sei und sich die Modelle bei einer Vorführung habe zeigen lassen. Nachdem die Ukraine im Krieg zunehmend hochtechnische westliche Waffen wie Mehrfachraketenwerfer einsetzt und Russland Probleme bereitet, könnte das russische Militär durchaus Interesse an solchen Drohnen haben, um entsprechende eigene Mängel zu beheben. Äussern wollte sich der Kreml dazu jedoch nicht.
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