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Schweizer Sicherheitspolitik
Parmelin sorgt für Kurs­wechsel: SVP lehnt Atom­waffen­verbot nun doch ab

Nationalrat Franz Grueter, SVP-LU, Staenderat und abtretender Praesident Marco Chiesa, SVP-TI, die Nationalrate Magdalena Martullo-Blocher, SVP-GR, Marcel Dettling, SVP-SZ, sowie die Bundesraete Guy Parmelin und Albert Roesti, von links, singen die Nationalhymmne an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz, am Samstag, 23. Maerz 2024, in Langenthal. (KEYSTONE/Peter Schneider)
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Geht es um die Armee und um Verteidigung, werden sich die SVP und die Linke selten einig. Zuletzt konnten die SP und die Grünen bei pazifistischen Anliegen aber gleich mehrmals auf die SVP zählen. Die SVP unterstützte jüngst zwei linke Anliegen im Bereich der Verteidigung. Sie stimmte für ein Verbot von Kooperationen der Schweizer Bodentruppen mit der Nato – und ihre Aussenpolitiker sprachen sich dafür aus, dass die Schweiz den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet.  Bei Letzterem ändert die SVP nun aber ihre Position – und das schon zum zweiten Mal innert eines Jahres. . 

Dem Atomwaffenverbotsvertrag haben sich rund 70 Staaten angeschlossen. Die internationale Vereinbarung verbietet unter anderem die Produktion und den Einsatz von Atomwaffen. So soll auch Druck auf die Atommächte ausgeübt werden, die den Vertrag alle nicht unterschrieben haben. Die SVP erhoffte sich vor allem, dass ein Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag eine Annäherung der Schweiz an die Nato verhindern kann. Deren Mitgliedsstaaten sehen den Vertrag nämlich kritisch.

Deshalb änderte die SVP letzten Sommer ihren Kurs. Ihre Aussenpolitiker unterschrieben einen Brief, mit dem der Bundesrat aufgefordert wurde, das internationale Abkommen für ein Kernwaffenverbot zu ratifizieren. Das Parlament hatte dies bereits 2018 mit einer Motion verlangt. Damals lehnte die SVP ein Verbot allerdings noch klar ab.

Aussprache der SVP-Parlamentarier

Nun kommt die Volkspartei wieder zurück auf ihre Ursprungsposition, wie SVP-Aussenpolitiker Franz Grüter in einem Interview mit CH Media sagte. Grüter, der in der SVP-Parteileitung sitzt, begründet dies mit einem «neuen Rechtsgutachten». Demnach soll ein Schweizer Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag eine weitere Annäherung an die Nato nicht verhindern.

Beim Aussendepartement heisst es auf Anfrage, ein Rechtsgutachten gebe es nicht. Der Bundesrat habe aber im Januar einen Bericht zu den Folgen eines Beitritts publiziert. Auf Nachfrage erklärt Grüter, dass eine Einschätzung von SVP-Bundesrat Guy Parmelin den Ausschlag für die erneute Kehrtwende der Partei gegeben habe. «Er hat uns erklärt, dass ein Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag eine Annäherung an die Nato nicht eindeutig verhindern würde.» Mehrere SVP-Exponenten hätten sich daraufhin eine vertiefte Debatte zum Thema gewünscht. Vor der Sommerpause habe eine Aussprache stattgefunden – und die Fraktion sei wieder auf ihre alte Position zurückgekommen.

Nationalrat Franz Grueter (LU), Mitglied der Aussenpolitischen Kommission, spricht an einem Point de Presse der SVP kurz nach einer Medienkonferenz im Rahmen der Konsultation der APK-N zum Entwurf des Mandats fuer die Verhandlungen mit der EU, am Dienstag, 30. Januar 2024 in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)

Der Bundesrat ist der Aufforderung des Parlaments aus dem Jahr 2018, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen, bis heute nicht nachgekommen. Er argumentierte stets, das Verbot habe nur eine begrenzte Wirkung. Dies, weil die Atommächte ihn nicht unterzeichnet hätten. Zudem sei ein Beitritt nicht im sicherheitspolitischen Interesse der Schweiz

Im jüngsten Bericht hiess es nun zwar, ein Beitritt würde «unmittelbar keine Zusammenarbeitsbereiche» mit der Nato ausschliessen. Allerdings könnte er «die Bereitschaft wichtiger sicherheitspolitischer Partner zur Kooperation mindern». Und: «Spätestens im Extremfall», falls sich die Schweiz mithilfe der Nato verteidigen wolle, sei eine Mitgliedschaft «nicht mit allen denkbaren Kooperationsformen zu vereinbaren». 

Dass viele einflussreiche Nato-Staaten, darunter die Atommächte Frankreich und USA, keine Freude daran hätten, wenn die Schweiz ein Atomwaffenverbot unterstützen würde, ist ein offenes Geheimnis. Doch das politische Argument reicht laut Grüter aus Sicht der SVP nicht aus: «Für uns wäre das Ja zu diesem Vertrag wirklich nur ein Mittel zum Zweck gewesen, um eine schädliche Annäherung an die Nato zu verhindern.» Wenn dies nicht gesichert sei, unterstütze die SVP das Verbot vorderhand nicht. 

Initiative hat wohl schlechtere Chancen

Wegen des Widerstands aus dem Bundesrat will nun eine Gruppe den Beitritt zum internationalen Verbotsvertrag in die Verfassung schreiben – und den Bundesrat damit zu einer Unterschrift zwingen. Die Atomwaffen­verbots­initiative wurde Anfang Juli eingereicht. Die SVP war nie unter den offiziellen Unterstützern. Die Initiative wird von diversen linken Organisationen und einzelnen bürgerlichen Exponenten getragen.

Die erneute Kehrtwende der SVP dürfte die Chancen der Initiative trotzdem schmälern. Grüter sagt, die Partei habe sich noch nicht festgelegt, wie sie zur Atom­waffen­verbots­initiative stehe – falls diese zustande kommen sollte. «Aber das Anliegen hat für uns sicher keine Priorität mehr.»

SP-Ständerat Sommaruga ist Co-Präsident des Initiativkomitees. Von ihm stammte auch der Vorstoss, mit dem das Parlament vor sechs Jahren einen Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag erreichen wollte. Sommaruga sagt: «Ich bin überzeugt, dass es innerhalb der SVP weiterhin Personen gibt, die unsere Position unterstützen.» Es habe aber nie eine Vereinbarung mit der SVP gegeben. Offiziell unterstützt werde die Initiative von einer Reihe anderer Organisationen und Parteien.

«Ich sage aber schon lange, dass die Warnungen des Bundesrats, was die Kooperation mit der Nato angeht, übertrieben sind», sagt Grüter. So habe Österreich den Atomwaffenverbotsvertrag bereits vor mehreren Jahren ratifiziert. «Und das Land kooperiert weiterhin mit der Nato.» Die Unterschriftensammlung für die Initiative gehe nun wie geplant weiter. 

Präzisierung: In einer ersten Version dieses Artikels hiess es, die SVP habe jüngst im Parlament zwei linke Anliegen im Bereich der Sicherheitspolitik unterstützt. Die Unterstützung für den Atomwaffenverbotsvertrag erfolgte aber nicht in einer Abstimmung, in der sich die ganze Fraktion äusserte. Es waren SVP-Aussenpolitiker, die einen Brief an dem Bundesrat mitunterzeichneten. Danach erklärte SVP-Parteileitungsmitglied Franz Grüter in verschiedenen Medien, darunter le Temps und Aargauer Zeitung, weshalb die SVP den Atomwaffenverbotsvertrag neu unterstütze. Die Fraktion entschied daraufhin am 15. April 2024, den Vertrag nicht zu unterstützen, wie im Artikel erwähnt ist.