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Nukleare Bedrohung
Schweiz weigert sich, Atomwaffen zu verbieten

Regelmässig testen Atommächte Mittelstreckenraketen, die mit nuklearen Sprengkörpern bestückt werden können. Einsatztests auf dem Luftwaffenstützpunkt Vandenberg in Kalifornien im Februar 2016.
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Die Kuba-Krise vom Oktober 1962 und der russische Krieg gegen die Ukraine: Zwischen diesen Ereignissen zieht Bundespräsident Ignazio Cassis Parallelen. In einer Rede am Sitz der UNO in New York sagte Cassis in der Nacht auf Mittwoch: «Vor 60 Jahren blickte die Welt wegen der Stationierung von Raketen in Kuba in den Abgrund. Die inakzeptablen Atomdrohungen, die von Russland Anfang des Jahres im Zusammenhang mit seiner militärischen Aggression gegen die Ukraine ausgegangen sind, erinnern einmal mehr an das Damoklesschwert, das über unseren Köpfen hängt.» Die nuklearen Risiken seien so gross wie nie mehr seit dem Ende des Kalten Kriegs. Darum «wolle die Schweiz eine atomwaffenfreie Welt erreichen», so Cassis.

Bundespräsident und Aussenminister Ignazio Cassis in einer Rede an der UNO in Genf im Februar 2022.

Ein Schritt hin zu einer atomwaffenfreien Welt wäre die Unterzeichnung und Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags. Doch die Schweiz wird den Verbotsvertrag weiter nicht unterzeichnen. Das hält das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in einem Communiqué fest. Immerhin wird der Bundesrat die Schweizer Position einer Neubeurteilung unterziehen. Das sei so angekündigt worden und «werde auf der Grundlage eines Berichts der Verwaltung und unter Einbezug externer Experten erfolgen», teilt EDA-Sprecher Pierre-Alain Eltschinger auf Anfrage mit. 

Ein alter und ein neuer Vertrag

Der Atomwaffenverbotsvertrag wurde 2017 von 122 UNO-Mitgliedstaaten unterzeichnet. Die Staaten verpflichteten sich für ein vollständiges Verbot von Entwicklung, Lagerung, Transfer und Einsatz von Atomwaffen, auch der Drohung mit Nuklearschlägen. Der 2021 in Kraft getretene Verbotsvertrag ergänzt den in den 1960er-Jahren ausgehandelten Atomwaffensperrvertrag, den auch die Schweiz unterzeichnete und sich damit verpflichtet, Atomwaffen nicht zu erwerben oder zu besitzen.

Ginge es nach dem Willen des National- und Ständerats, hätte der Bundesrat auch den Atomwaffenverbotsvertrag längst unterzeichnen müssen. 2018 votierten beide Räte für eine entsprechende Motion. Die Regierung weigerte sich jedoch. 

Das EDA schreibt heute, die Schweiz beobachte zunächst die weitere Entwicklung des Vertrags. «Dieser Vertrag wurde ohne die Atommächte ausgehandelt und wird nur von einem Teil der Staatengemeinschaft mitgetragen.» Zudem trügen ihn nur drei EU-Staaten mit und es bestünden Fragen «zu dessen Wirksamkeit», heisst es in einem Communiqué.

Friedensaktivisten forderten in den 1970er-Jahren, wie hier in La Chaux-de-Fonds, dass sich die Schweiz weder Atomwaffen beschafft, noch solche entwickelt. 

Tatsächlich haben den Atomwaffenverbotsvertrag von den EU-Staaten nur Österreich, Irland und Malta unterzeichnet. Doch falls der Bundesrat befürchtet, seitens der Atommächte negative Konsequenzen tragen zu müssen, wären solche Bedenken zumindest mit Blick auf die drei Unterzeichnerstaaten wohl unbegründet. Wirtschaftliche oder diplomatische Repressionen gegen sie gab es keine, und auch deren Einbindung in Sicherheitskonzepte der EU oder der Nato stand nie zur Debatte. Das betont auch Florian Eblenkamp von der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican) mit Sitz in Genf, die 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. 

«Mutlose» Position der Schweiz

Florian Eblenkamp bezeichnet die Position der Schweiz als «mutlos» und die Gründe fürs Abseitsstehen als «vorgeschoben und politisch motiviert». Vergleichbare Verbotsverträge wie die Chemiewaffenkonvention habe die Schweiz ebenfalls unterzeichnet und ratifiziert, so Eblenkamp. Der Schweiz gehe es wohl einfach darum, keine Angriffsfläche zu bieten, weil Washington und auch die Nato auf Bern einen gewissen Druck ausübten. 

«Die Schweiz soll sich ambitionierter positionieren und dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten.»

Florian Eblenkamp, Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican)


Dass die Schweiz betont, sich mit 30 Staaten mit einem Massnahmenpaket darum zu bemühen, «nukleare Risiken zu verringern und die Welt in Krisenzeiten widerstandsfähiger zu machen», bezeichnet Florian Eblenkamp als «Augenwischerei», wenn dies nicht zu konkreten internationalen Abrüstungsmassnahmen führt. Für den Ican-Vertreter ist die Pflege von «Krisenkommunikationskanälen gegen ungewollte Eskalationen», wie die Schweiz sie hervorhebt, «nur der Minimalkonsens». Eblenkamp fordert, die Schweiz solle sich ambitionierter positionieren und dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten.

Das EDA hält sich bedeckt

Welche Voraussetzungen müssten erfüllt sein, damit die Schweiz den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet? Eine Antwort auf diese Frage gibt das EDA auf Anfrage nicht. Sprecher Pierre-Alain Eltschinger verweist stattdessen auf den Bericht, der 2023 entstehen soll und in dem «aussen- und sicherheitspolitische, friedenspolitische, völkerrechtliche und wirtschaftliche Aspekte erörtert» würden, aber auch die «Auswirkungen der militärischen Aggression gegen die Ukraine und das dadurch veränderte sicherheitspolitische Umfeld» eine Rolle spielen sollen.

Auch Bundesrat Ignazio Cassis blieb in seiner Rede an der UNO in New York unverbindlich. Er sagte: «Die Förderung von Frieden und Sicherheit ist eine der wichtigsten Prioritäten der Schweiz. Wir setzen uns ein, verpflichten uns, den Dialog zu erleichtern und Brücken zu bauen.»