Neue Regeln für iPhonesApple führt sich auf wie ein «trotziges Kind»
Der Konzern bietet Konsumenten neu die Möglichkeit, ihre Apps auch aus Stores von Drittanbietern zu beziehen – und erntet von allen Seiten Kritik.
Für Apple ist es ein grosser Schritt – doch für viele in der Branche ist er längst nicht richtungsweisend. Nicht nur Softwareentwickler äussern sich kritisch über die neuen Regeln im App Store, sondern auch Konsumentenschutzorganisationen und Journalisten.
Zur Vorgeschichte: Letzte Woche hat Apple eine neue Möglichkeit zur App-Installation auf dem iPhone eingeführt. Nutzerinnen und Nutzer in der EU können ihre Programme nun nicht mehr nur aus Apples Laden beziehen, sondern auch aus Stores von Drittanbietern. Allerdings liegen die Hürden für diese Dritt-Stores hoch. Überdies sind die alternativen Bezugsquellen nur in der EU zugänglich, nicht in anderen Ländern – auch nicht in der Schweiz.
Apple setzt mit dieser Öffnung die Vorgaben des Digital Markets Act (DMA) um. Mit diesem Gesetz fordert die EU von Tech-Unternehmen eine Öffnung ihrer dominanten Plattformen. Ziel ist es, den Wettbewerb zu verbessern und den kleineren Konkurrenten eine Chance einzuräumen.
«Apple zwingt Entwickler zum Status quo»
Die Chefin der Xbox-Abteilung bei Microsoft, Sarah Bond, kommentierte auf X (vormals Twitter), Apples neue Regelung sei «ein Schritt in die falsche Richtung», allerdings ohne spezifischer zu werden. Bond verbreitete einen Tweet von Daniel Ek, in dem der Spotify-Chef härtere Töne anschlägt: «Das stellt ein neuer Tiefpunkt dar, selbst für dieses Unternehmen.»
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Nun muss man wissen, dass Spotify seit Jahren mit Apple über die Store-Regeln im Clinch liegt. Der schwedische Musikanbieter wirft Apple vor, beim Streaming die eigene marktbeherrschende Stellung auszunutzen. Er hat 2019 Klage eingereicht und Recht bekommen: Die EU hat Anfang Monat eine Busse von 1,8 Milliarden Euro gegen Apple ausgesprochen.
In einem Blogpost erläutert Ek, warum ein Dritt-Store für sein Unternehmen keine echte Alternative darstellt: «Da wir in der EU über 100 Millionen Apple-Nutzer haben, könnte diese neue Steuer auf Downloads und Aktualisierungen unsere Kundenakquisitionskosten in die Höhe treiben und sie möglicherweise verzehnfachen.» Mit der «Steuer» meint Ek die Core Technology Fee. Das ist eine Gebühr, die Apple von Softwareanbietern erhebt, die ihre Apps über einen Dritt-Store vertreiben. Die erste Download-Million ist von der Gebühr befreit, doch ab dann müssen sie 50 Cent pro Installation bezahlen. Fazit von Daniel Ek: «Apple zwingt Entwickler zum Status quo.»
In Epic hat Apple einen weiteren lautstarken Kritiker. Der Spielehersteller fühlte sich sogar bemüssigt, einen E-Mail-Disput zwischen Apple-Manager Phil Schiller und dem eigenen Chef Tim Sweeney öffentlich zu machen. Zankapfel war konkret Epics Entwickler-Account. Den sperrte Apple erst, um ihn dann wieder zuzulassen.
In seiner Mail erhebt Schiller den Vorwurf, Epic habe Vereinbarungen mit Apple gebrochen, um Sweeneys dann dessen eigene Vorwürfe um die Ohren zu hauen: «In jüngster Zeit haben Sie unseren Plan, mit dem EU-Recht konform zu gehen, als ‹grossen Mist›, eine ‹Horrorshow› und einen ‹hinterhältigen neuen Fall von Dienst nach Vorschrift in bösartiger Absicht› bezeichnet. Und Sie haben sich über das beschwert, was Sie ‹Junk Fees› und ‹Apple-Steuern› nennen.» Sweeney parierte nonchalant mit den Worten, Epic werde «alle aktuellen und zukünftigen Vereinbarungen einhalten» und sei bereit, Apple «jedwelche spezifische Zusicherungen zu geben, die dienlich sein könnten».
«Im Stil eines Raubritters»
Ungnädig äussert sich auch der Bundesverband Digitale Wirtschaft. «Unter den neuen Geschäftsbedingungen senkt Apple zwar seine eigenen Gebühren, führt aber im gleichen Atemzug eine neue Abgabe ein – ganz im Stil eines Raubritters», werfen die Interessenvertreter der deutschen Unternehmen dem Tech-Unternehmen vor.
Der Kommentator der österreichischen Zeitung «Der Standard» führt einen weiteren problematischen Punkt an: Um die Dritt-Stores zu nutzen, müssen sich Nutzerinnen und Nutzer innerhalb der EU aufhalten. Nach dreissig Tagen ausserhalb der EU funktionieren die Stores nicht mehr, sodass nicht einmal mehr Sicherheitsupdates ausgeliefert würden: «Ausgerechnet jenes Unternehmen, das noch jedes Aussperren von Konkurrenz mit dem Hinweis auf Sicherheit begründet hat, unterwandert damit effektiv die Sicherheit von iPhone-Nutzerinnen und -Nutzern.»
Das Fazit von «Der Standard»: Apple führe sich auf wie ein «trotziges Kind». Mit dieser Haltung lege es Apple geradezu darauf an, dass die EU bei der DMA-Umsetzung genau hinschauen und jede Gelegenheit zum Nachschärfen wahrnehmen werde.
Aus der Schweiz heisst es gar, Apple sei «zur eisernen Technologie-Diktatorin» geworden – und zu jenem Unternehmen, gegen das es selbst einmal angetreten ist. Dieses Urteil verkündet Threema, der Messenger-Hersteller aus Pfäffikon SZ. Es nimmt Bezug auf Apples legendären 1984-Werbespot, in dem der Macintosh als Waffe gegen Tech-Monopole angetreten war. «Apple schafft Rahmenbedingungen, welche den Überwachungskapitalismus fördern», kritisiert Threema. Entwickler wie Meta, die ihre Apps gratis anbieten, aber über gesammelte User-Daten finanzieren, müssten keinerlei Gebühren an Apple entrichten. «Doch Dienste mit einem datenschutzfreundlichen Geschäftsmodell» – gemeint ist natürlich auch Threema – «werden gehörig zur Kasse gebeten.»
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Es gibt auch Stimmen, die sich für Apple aussprechen. Eine stammt von Malte Kirchner, einem profunden Apple-Kenner beim deutschen «Heise»-Magazin: Apple mache sich die Lücken zunutze, die die Gesetzgeber leichtfertig gelassen hätten. «Apples vorgelegte Strategie entlarvt – wenn sie denn so durchgeht – den politischen Idealismus, der im DMA steckt und der hier auf harte wirtschaftliche Realitäten trifft.»
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