Neue iPhone-App-StoresDammbruch bei Apple
Apple unterzieht den App-Vertrieb der grössten Neuerung seit dem Start 2008: Neu sind auch Stores von Drittanbietern erlaubt. Doch die Schweiz bleibt aussen vor.
Worum geht es?
Es sei eine «grundlegende Änderung» und ein «Dammbruch», schrieb das Tech-Magazin Heise.de im Januar: Apple öffnet das iPhone für den Software-Bezug über Drittanbieter. Apps werden künftig nicht mehr nur über den eingebauten App-Store installiert werden können, sondern auch über alternative Marktplätze. Apple kann nun nicht mehr eine vollständige Kontrolle darüber ausüben, welche Programme auf dem iPhone laufen und welche nicht. Für die Nutzerinnen und Nutzer ergibt das mehr Wahlfreiheit.
Apple macht die Neuerung diese Woche mit einem Update des iPhone-Betriebssystems (iOS 17.4) zugänglich.
Warum tut Apple das?
Die Öffnung erfolgt nicht freiwillig, sondern auf Druck der EU. Seit November 2022 ist in der Europäischen Union das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, kurz DMA) in Kraft: Das zwingt die Anbieter, die mit ihren Plattformen eine marktbeherrschende Stellung erlangt haben, zur Öffnung: Das soll den Konkurrenten fairere Wettbewerbsbedingungen ermöglichen. Nachdem das Gesetz jetzt EU-weit gilt, sind die Techkonzerne dabei, die Vorgaben umzusetzen. Ebenfalls als Folge des DMA wird Meta bei Whatsapp die Möglichkeit einführen, Nachrichten mit anderen Messengern auszutauschen.
Was bedeutet das für die Nutzer ausserhalb der EU?
Einige der Veränderungen betreffen auch Nutzerinnen und Nutzer ausserhalb der EU; namentlich die Öffnung der Messenger wie Whatsapp. Doch die alternativen App-Stores fürs iPhone wird es nur innerhalb der EU geben. Ob sich das mittelfristig ändern wird, ist offen. Bloomberg jedenfalls berichtet, Apple habe seine Support-Mitarbeiter angewiesen, «nicht darüber zu spekulieren, ob die alternativen App-Stores auch in anderen Weltgegenden zugänglich gemacht werden».
Können Schweizerinnen und Schweizer von der Öffnung profitieren? Ja, aber der Aufwand ist gross: Um Dritt-Stores zu nutzen, ist gemäss Apple eine Apple-ID nötig, die auf ein Land der EU ausgestellt ist. Und die User müssen sich «physisch in der Europäischen Union befinden».
Können EU-Nutzerinnen und -Nutzer Apps jetzt völlig frei installieren?
Nein. Es ist weiterhin nicht vorgesehen, dass Anwendungen frei aus dem Internet heruntergeladen und installiert werden können, wie wir das von Windows, Mac OS und Linux gewohnt sind. Auch Android ist im Vergleich weniger restriktiv. Bei Googles Betriebssystem ist der Store zwar die erste Anlaufstelle für Apps, doch mit wenig Aufwand ist das sogenannte Sideloading, d.h. die freie Softwareinstallation, aktivierbar.
Anwenderinnen und Anwender müssen sich am iPhone erst die Store-App des Drittherstellers installieren, bevor sie dann Software aus einer neuen Quelle beziehen können. Es ist anzunehmen, dass Apple während dieses Vorgangs ausgiebig vor den Gefahren warnt.
Welche Regeln gelten für die Anbieter von Dritt-Stores?
Unternehmen, die einen Dritt-Store anbieten wollen, müssen sich einem Beglaubigungsprozess unterziehen und sicherstellen, dass die Apps bezüglich ihrer Funktionen, bei der Sicherheit und dem Datenschutz den – von Apple definierten Standards – entsprechen. Ausserdem müssen Unternehmen, die einen Store starten wollen, die Zahlungsgarantie einer Bank in der Höhe von einer Million Euro vorweisen.
Schliesslich hat sich Apple auch eine Methode ausgedacht, um an den Apps mitzuverdienen, die über Drittkanäle vertrieben werden. Es handelt sich um die «Core Technology Fee»; eine Gebühr, die anfällt, sobald eine App mehr als eine Million Mal installiert wurde. Ab dann wird für jede weitere Installation ein Betrag von 50 Cent fällig, die an Apple zu überweisen ist. Diese Gebühr wurde von Kritikern schon als «Strafzoll für abtrünnige Entwickler» bezeichnet. Apple begründet sie mit «dem Wert, den Apple Entwicklern durch kontinuierliche Investitionen in die Werkzeuge, Technologien und Dienste bietet».
Wird es angesichts dieser Regeln überhaupt Dritt-Stores geben?
Es gibt bereits Unternehmen, die eigene Stores angekündigt haben: Epic will noch 2024 mit einem eigenen Softwareladen starten. Der Spielhersteller ist durch das Spiel «Fortnite» bekannt – und durch die gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Google und Apple um die Zahlungsbestimmungen und sonstigen Regeln in den App Stores. Auch der bekannte Softwarehersteller Macpaw hat ein eigenes Angebot namens Setapp Mobile angekündigt. Es ist aber anzunehmen, dass die Auswahl an Dritt-Stores vorerst überschaubar bleiben wird, und es dort wegen der «Core Technology Fee» hauptsächlich Bezahl-Apps geben wird.
Sind die alternativen Stores die einzige Neuerung?
Nein. Apple öffnet ausserdem die NFC-Schnittstelle für Bezahl-Apps von Drittherstellern. Heute kommt an Bezahl-Terminals standardmässig Apple Pay zum Einsatz. Künftig dürfen die User andere Bezahllösungen auswählen. Und die Browser-Hersteller haben die Möglichkeit, für ihre Surfprogramme ihre eigene Engine (das Softwaremodul, das die Inhalte aus dem Internet am Bildschirm anzeigt) einzusetzen. Bislang sind alternative Browser am iPhone zwar erlaubt, aber sie müssen auf Apples Webkit-Engine basieren, die auch im Safari-Browser zum Einsatz kommt.
Fazit: Was bedeutet diese Öffnung?
Ohne Zweifel ist das ein Meilenstein in der Geschichte des iPhones: Seit dem Start des App-Stores 2008 lag es allein an Apple, zu entscheiden, welche Anwendungen verwendet werden können und welche nicht. Diese Kontrolle übte Apple rigide aus: Es gibt über die Jahre viele Beispiele von Apps, die aus dem Store geworfen wurden, weil sie (teils auch gegen nicht öffentliche) Regeln verstossen haben. Und es ist zu vermuten, dass sehr viele Apps überhaupt nie entstanden sind, weil die Entwickler annehmen mussten, dass ihr Konzept es niemals durch den Reviewprozess schaffen würde.
Diese Gatekeeper-Funktion fällt nun weg. Trotzdem bleibt die Kontrolle von Apple gross, und es bleibt abzuwarten, wie attraktiv es für Softwarehersteller ist, neue, bislang nicht umsetzbare Konzepte zu entwickeln, wenn die Apps nur innerhalb der EU verkauft werden können. Falls die alternativen Stores zur Erfolgsgeschichte werden, dürfte der Druck auf Apple jedoch wachsen, sie global zuzulassen. Genauso gut ist denkbar, dass sie ein Schattendasein fristen werden.
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