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Ende des Referenzzinses
Anwälte warnen Kunden von Hypotheken und Krediten vor Libor-Umstellung

Reihenhäuser der Ortschaft Mutschellen im Kanton Aargau: Den Traum von den eigenen vier Wänden finanzieren viele Menschen in der Schweiz mit Libor-Hypotheken. 
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Abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit findet derzeit die wohl grösste Umstellung in der Geschichte der Finanzwelt statt. Und sie hat Folgen für Kundinnen und Kunden und Banken gleichermassen. Die Rede ist von der Abschaffung des Referenzzinssatzes Libor, der «London Interbank Offered Rate». Ende des Jahres gibt es den Libor nicht mehr.

Nachdem Banken jahrelang den Libor manipuliert hatten, sollen nun neue Referenzzinssätze wie der Saron herangezogen werden, die weniger anfällig für Schummeleien sind. Doch laut Finanzaufsicht Finma hatten Schweizer Banken im vergangenen Sommer immer noch Finanzkontrakte von 14 Billionen Franken in den Büchern, die auf dem Libor basieren und die über 2021 hinaus gültig sind. Davon sind 15 Milliarden Franken Privatkredite und Hypotheken.

Mangels Gesetz droht Rechtsunsicherheit

SNB-Direktorin Andrea Maechler erklärte die Woche zwar, dass die Umstellung der Hypotheken «erfreuliche Fortschritte» mache. Probleme bereite vor allem der Derivatemarkt.

Heikel ist, wie es mit Verträgen weitergeht, die keine Auffangklauseln für den Fall enthalten, wenn der Libor wegfällt. In der EU und Grossbritannien hat der Gesetzgeber dafür Rückfalllösungen geregelt. In der Schweiz müssen das die Vertragspartner selbst regeln. Dafür hat die Bankiervereinigung Musterklauseln erarbeitet.

«Die Tatsache, dass im Gegensatz zu anderen Ländern mit wichtigen Finanzplätzen die Schweiz kein spezielles Gesetz erlassen wird, das die Folgen des Libor-Wegfalls regeln wird, ist bemerkenswert und führt zu Rechtsunsicherheit», urteilt Thomas Werlen von der Kanzlei Quinn Emanuel.

Das Problem: Niemand weiss, wie gross das Volumen jener Verträge ist, bei denen es keine vertraglichen Regeln für das Aus des Libor gibt – und wie viele Rechtsstreitigkeiten drohen. Weder UBS, CS oder ZKB wollen zum Volumen dieser Risikoverträge Angaben machen. Die Finma teilt nur mit, dass es Banken bisher nicht gelungen sei, alle Verträge ohne robuste Rückfallklauseln abzubauen.

Finma: Libor-Umstellung Risiko für Finanzplatz

Dabei macht die Aufsicht seit langem Druck: Seit Jahren nennt sie die Libor-Umstellung als eines der grössten Risiken für den Schweizer Finanzplatz. «Die Zeit zum Handeln ist jetzt» schrieb die Finma den Banken in einer Aufsichtsmitteilung bereits im Dezember 2020.

Die Banken passen nun ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen an. Dabei wird der Libor meist durch den Saron ersetzt. «Der Libor und der in der Schweiz als Ersatzreferenzsatz vorgesehene Saron unterscheiden sich grundsätzlich, auch wenn zum aktuellen Zeitpunkt die Werte ökonomisch ähnlich sind, dabei sind beide Zinssätze ökonomisch nicht gleichwertig», sagt Rechtsanwalt Werlen. Damit steht zum Beispiel die Frage im Raum, wer allfällige Wertdifferenzen tragen muss: Der Kunde oder die Bank?

Bei klassischen Libor-Hypotheken ist das derzeit aber ein theoretischer Fall, denn sowohl der Saron als auch der Libor sind derzeit tief im negativen Bereich. In diesem Fall zahlen Kunden den Banken nur die Marge. «Wenn die Zinsen einmal steigen, stellt sich aber sehr wohl die Frage der Wertdifferenz», sagt ein Bank-Insider.

Richtig knifflig wird es bei komplexen Hypotheken, wie Swap-Hypotheken, wie sie bei wohlhabenden Kunden verbreitet sind. Der Kunde hat dabei zwei Produkte: eine Libor-Hypothek und einen Zins-Swap. Mit dem Zinstausch-Geschäft wird aus der Libor-Hypothek de facto eine Festhypothek. Solche Swap-Hypotheken sind grundsätzlich günstiger als klassische Festhypotheken.

Gerade nach der Finanzkrise, als steigende Zinsen erwartet worden waren, haben wohlhabende Kunden solche Konstrukte gekauft. Und damals war das Ende des Libor noch nicht absehbar. Für solche Kunden könnte es sich laut Bankinsidern nun lohnen, die Umstellung auf einen anderen Referenzzins zu verweigern. Dies mit dem Ziel, aus dem heute ungünstigen Vertrag auszusteigen. Dabei kommt es auf den Einzelfall an.

«Einigen sich die Vertragsparteien nicht neu über die Verwendung von Saron, besteht eine Rechtsunsicherheit, die im Extremfall zum Wegfall des Vertrags führt.»

Thomas Werlen, Anwalt bei Quinn Emanuel

Fachanwalt Werlen erklärt: «Hat ein Bankkunde für Libor unterschrieben, gilt dies nicht für Saron. Einigen sich also die Vertragsparteien nicht neu über die Verwendung von Saron, besteht eine Rechtsunsicherheit, die im Extremfall zum Wegfall des Vertrags führt.» Ein Banken-Insider bestätigt: «Läuft die Umstellung nicht sauber ab, so gibt es für Kunden Angriffsflächen gegen Banken.» Offenbar gibt es schon erste Bankkunden, die erwägen, gegen Banken in dem Kontext vorzugehen.

Die Banken selbst zeigen sich entspannt: «Die Mehrheit der Hypotheken auf Libor-Basis haben wir bereits migriert», teilt die Zürcher Kantonalbank mit. Zur Frage, ob Kunden hier Ärger machen, schreibt die Bank, dass der «Umtausch bis anhin problemlos verlaufen» ist. Auch die Credit Suisse berichtet von «keinen grossen Problemen». Auf die Nachfrage, ob es Kunden gibt, die sich gegen die Anpassungen wehren, macht Credit Suisse aber keine Angaben.