Sicherheitsrat zur UkraineAnsteckendes aus Russlands Lügen-Labor
Im UNO-Sicherheitsrat beschuldigt Russland die USA, in der Ukraine Biowaffen entwickelt zu haben. Die Verschwörungstheorie macht sich auch in den USA breit.
Es ist ein giftiges Gemisch, das sich unter Verschwörungstheoretikern ausbreitet und am Freitag bis in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York vorgedrungen ist. Die ukrainische Regierung entwickle mithilfe der USA in geheimen Labors Biowaffen, behauptete Russlands Botschafter Wassili Nebensja an einer dringlichen Sitzung, die Russland selbst verlangt hatte.
Seit Monaten hat Russland den Boden für die Propagandaaktion vorbereitet. Gerüchte über angebliche Geheimlabors der USA kursieren seit Jahren, besonders in prorussischen Kreisen in der Ukraine, im vergangenen Herbst sahen sich die ukrainischen Behörden zu einem Dementi gezwungen. Russland befeuert die Theorien nun neu, seit Januar zuerst über soziale Medien wie Telegram. Im Februar redete auch Wladimir Putin vage von Massenvernichtungswaffen in der Ukraine. Inzwischen hat Russland die Erzählung verdichtet mit einem Bericht des Verteidigungsministeriums und der Veröffentlichung einer ganzen Reihe von Unterlagen, welche die angeblichen Geheimaktivitäten belegen sollen.
Fledermäuse als Biowaffen
Im Sicherheitsrat tischte Russlands Botschafter Wassili Nebensja am Freitag die These auf, die USA und die Ukraine hätten genmanipulierte Viren entwickelt, die nur Menschen bestimmter «Rassen» befallen würden. Diese Erreger hätten sie mithilfe von Zugvögeln und Fledermäusen in Russland verbreiten wollen. Seit Beginn des geheimen Waffenprogramms träten in der Ukraine mysteriöse Krankheiten öfter auf, von Masern über die Schweine- und die Vogelgrippe bis zu Pest-ähnlichen Ansteckungen.
China verlangte, die russischen Anschuldigungen seien aufs Genaueste zu prüfen. Chinesische Offizielle und Medien haben jüngst Berichte über die angeblichen Geheimlabors wiederholt. Die USA würden solche Labors weltweit, unter anderem in der Nachbarschaft Chinas, betreiben. Das ist unter anderem eine Retourkutsche dafür, dass China wegen des Umgangs mit Covid unter Druck geraten ist und bezichtigt wurde, das Virus selbst hergestellt zu haben.
Russlands indirekte Drohung an Europa
Die westlichen Vertreter im Sicherheitsrat kritisierten Russland, den Sicherheitsrat für eine Lügenkampagne missbrauchen. Die US-Regierung befürchtet, dass Russland sie als Deckmantel benutzen will: Russland könnte im Krieg selbst Biowaffen einsetzen und die Schuld dafür der Ukraine unterschieben. Wie eine Drohung klingt vor diesem Hintergrund die Aufforderung von Botschafter Nebensja an die europäischen Diplomaten, «über die sehr reale biologische Gefahr für die Menschen in europäischen Ländern nachzudenken, die von einer unkontrollierten Ausbreitung von Biowaffen durch die Ukraine» ausgehe.
Die USA finanzieren in der Tat Labors in der Ukraine mit. Die sind indes keineswegs geheim, sondern Teil eines Programmes zur Beseitigung und Prävention von Massenvernichtungswaffen. Detaillierte Unterlagen zu den Aktivitäten hat die US-Botschaft in Kiew auf ihrer Website veröffentlicht. Daraus geht etwa hervor, dass die USA Sicherheitsmassnahmen für teilweise antiquierte Labors bezahlten. Und dass dort auch Forschung betrieben wird, um Pandemien, die von Biowaffen oder natürlich mutierten Viren ausgehen, zu bekämpfen – konkret genannt werden unter anderem Anthrax, Pocken und die Vogelgrippe. Geforscht wird auch an Wirtstieren wie Zugvögeln und Fledermäusen, weil die erwiesenermassen Pandemien auslösen können.
Russland behauptet nun, diese Labors hätten nur als Fassade für heimliche Biowaffenprogramme gedient, um Russland zu bedrohen. In den USA verbreiten rechte Aushängeschilder wie Tucker Carlson die russischen Behauptungen in diesen Tagen eifrig. Anhänger von QAnon haben daraus bereits die Mutter aller Verschwörungstheorien in Corona-Zeiten gestrickt: Russland führe in der Ukraine Krieg, um zu verhindern, dass US-Chefepidemiologe Anthony Fauci dort seine Arbeit an der nächsten Version des Covid-19-Virus zu Ende bringen könne.
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