Schweizer Fechter im WeltcupAngst vor Corona: Jetzt haben die Fechter Schreiverbot
Ein Jahr Zwangspause – und nun gleich die Olympiaqualifikation. Den Schweizer Nationalteams steht beim Turnier in Kazan eine spezielle Aufgabe bevor. In vielerlei Hinsicht.

Verhältnisse wie im Ski hätten es auch nicht sein müssen, wo am Sonntag eine Saison zu Ende geht, in der gefühlt jeden Tag ein Rennen stattfand. Zumindest drei oder vier Turniere aber hätten sich die Fechter in den vergangenen Monaten schon vorstellen können.
Doch nun sind die Schweizerinnen und Schweizer am Dienstag nach Russland gereist, zum ersten Weltcupturnier überhaupt seit einem Jahr. Alle, auch wir, wissen seit Ausbruch der Corona-Pandemie um die Dauer eines langen Jahres. Das Ziel hat gefehlt oder lag höchstens irgendwo im Diffusen, «und jetzt nehmen wir ohne vorherigen Wettkampf am wichtigsten Wettkampf vor Olympia teil», sagt Max Heinzer, der zusammen mit Benjamin Steffen das Team anführt. Die Wichtigkeit des Events liegt darin, dass sich die Schweizer Mannschaft, Weltmeister 2018 und vor zwei Jahren WM-Bronzegewinner, in Kazan noch die Olympiaqualifikation für Tokio sichern muss.
Der Schweizer Weg: Minimumkontingent und Charterflug
Es gibt Gründe, wieso der Internationale Fechtverband (FIE) auf die Weltcups verzichtete. Bei einem solchen Turnier nehmen jeweils 60 bis 70 Nationen teil, reisen aus allen Kontinenten an – oder hätten nun eben aus Vorsicht verzichtet. Ein «Flickenturnier» hätte in der heiklen Corona-Zeit aber nur zu Unmut geführt. Zudem fehlt auch das Geld für rigorose Schutzmassnahmen, abgeschottete Hotels und Hallen, das Leben in einer Blase. Auch Swiss Fencing führte keine nationalen Meisterschaften durch – im Gegensatz zu anderen Schweizer Sportverbänden. Heinzer glaubt, rein organisatorisch wäre das möglich gewesen.
Für Kazan haben die Schweizer nun alles Erdenkliche unternommen: Es reisen nicht wie üblich zwölf Frauen und zwölf Männer ans Turnier, sondern nur sechs Fechterinnen und sieben einen Tag zuvor getestete Fechter – ein Minimumkontingent, um die Gefahr der Ansteckung möglichst tief zu halten. Und: Hingeflogen ist Swiss Fencing mit einer Chartermaschine, um möglichst zu vermeiden, was den Tennisspielern Anfang Jahr auf der Reise nach Australien passierte: Ein Passagier, der Corona-infiziert war, zwang Dutzende in die Quarantäne.
Die Verpflegung: Kein Teamkoch, aber Funktionalnahrung
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Eine weitere Vorsichtsmassnahme ist aber nicht Corona geschuldet: Weil sich die Schweizer in Kazan auch schon einen verdorbenen Magen holten und geschwächt fechteten, schlug Heinzer vor, das Essen mitzunehmen. «Die Fussball-Nationalmannschaft und auch die Rad-Teams haben ihre eigenen Köche dabei und mitgebrachte Lebensmittel, wieso also nicht auch wir?», fragt er rhetorisch. Der Zentralschweizer trainiert und verpflegt sich seit Herbst im ultramodernen Leistungszentrum OYM (On Your Marks) in Cham – es brachte ihn auf die Idee, die Verpflegung dort zu besorgen. «Getestet haben wir das im Trainingslager in Tenero», sagt er.
Heinzer hat deshalb vor dem Abflug am Dienstagmorgen in Cham 30 Kilo dickflüssiges «Birchermus», abgefüllt in PET-Flaschen, abgeholt – tiefgefroren. Die Funktionalnahrung reicht für fünf Tage, für alle Athletinnen und Athleten und enthält alles, was Spitzensportler an Wettkampftagen benötigen: Kohlenhydrate, Proteine und Mineralstoffe. Was nicht heisst, dass man das russische Buffet meidet. «Gewissen Nahrungsmitteln können wir so aber aus dem Weg gehen und sind auf der sicheren Seite», sagt er.
Der Wettkampf: Vieles, was man nicht trainieren kann

Was geht denn verloren in einem Jahr ohne Wettkampf? «Die Aggressivität und Explosivität, an einem Wettkampf fechtet man in einem höheren Gang. Ein paarmal brachte ich das auch im Training fertig, aber mit einem Turniergefecht kann man das nicht vergleichen», sagt Heinzer. Kommt das Mentale hinzu: Im Laufe der Woche ist die Nervosität bei allen ein wenig gestiegen – was sich auf einen Trainingswettkampf hin auch nicht simulieren lässt.
Das Einzelturnier, Qualifikation am Freitag und Hauptrunde am Sonntag, ist für die Schweizer für einmal sekundär. Im Fokus liegt der Teamwettkampf von Montag und Dienstag. Denn qualifizieren sie sich mit der Mannschaft für Tokio, sind drei der vier Fechter auch im olympischen Einzelturnier startberechtigt. Bereits vor Beginn ist klar: Nötig ist in Kazan mindestens der vierte Platz. Im Worldranking belegt die Schweiz derzeit Rang 2, unwahrscheinlich ist das also nicht.
Die spezielle Regel: Es wird nicht geschrien
Eine der grössten Herausforderungen an diesem Turnier ist nicht eine fechttechnische, sondern eine emotionale: Die FIE verbietet allen Athletinnen und Athleten, auf der Bahn und nach einem gewonnenen Punkt zu schreien.
Die Fechter sind berühmt für ihre lautstarken Gefühlsausbrüche, die Fechterinnen für ihr markdurchdringendes Geschrei sogar berüchtigt. Schreien bedeutet: zu viele Aerosole auf zu kleinem Raum in der Luft – auch durch die Maske hindurch. Noch weiss Heinzer nicht, ob ihm das Unterdrücken der Emotionen gelingen wird: «Es gehört bei uns einfach dazu, es ist Dampfablassen nach einer grossen Anspannung.»
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