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US-Inflationsdaten bereiten Sorgen
An den Finanzmärkten wanken die Gewissheiten

Hält bisher trotz wachsender Kritik eisern an der grosszügigen Geldversorgung und an Tiefzinsen fest: US-Notenbankchef Jerome Powell.
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Die vergangenen Tage haben deutlich gemacht, dass an den Kapitalmärkten eine Zeitenwende droht. Schon seit Wochen geht vor allem in den USA die Angst vor einer wieder steigenden Inflation um. Muss die US-Notenbanken deshalb künftig auf die Bremse treten, verlieren die Börsen weltweit ihre wichtigste Stütze. Nichts befeuert die Kurse so sehr wie deren Geldversorgung, mehr noch als jene der übrigen Notenbanken.

Schon vor den neuesten Zahlen zur Inflation in den USA gaben die Kurse deshalb weltweit nach, am deutlichsten aber an den US-Börsen. Der für die USA und die Aktienmärkte weltweit wichtigste Index S&P 500 verlor vom 7. Mai bis zum vergangenen Dienstag rund 4 Prozent. Seither hat er sich wieder leicht erholt. Weniger stark, aber ebenfalls mit Kursverlusten haben auch die übrigen Weltbörsen auf die von den USA ausgehenden Inflationssorgen reagiert. Das gilt auch für den Schweizer Leitindex SMI.

Die vom US-Arbeitsministerium am Dienstag veröffentlichten Zahlen zur Teuerung übertrafen dann sogar noch die Erwartungen: Mit 0,8 gegenüber dem Vormonat und 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr sind die Preise in den USA so stark angestiegen wie seit der Finanzkrise nicht mehr. In der Schweiz zeichnet sich bisher keine ähnliche Entwicklung ab.

Als Grund für den Preisanstieg in den USA werden meist höhere Energiepreise genannt. Doch ohne diese und ohne die ebenfalls volatilen Lebensmittelpreise war der Anstieg der Teuerung im April sogar noch grösser: nämlich 0,9 Prozent im Vergleich zum Vormonat. Das ist die stärkste Zunahme seit dem Jahr 1982.

Vieles wird an den Märkten vorgebracht, um diese Zahlen zu relativieren. Zum einen ist der Preisanstieg im Vergleich zum Vorjahresmonat vor allem deshalb so hoch, weil sich die Wirtschaft damals auf dem Tiefpunkt der Corona-Krise befand. Das spricht dagegen, dass die Inflation auf dieser Höhe bleiben wird.

Die Möglichkeit einer Schubumkehr

Zum anderen sind auch die Kurskorrekturen an den Aktienmärkten für sich gesehen noch kein Grund zur Sorge. Der S&P-500-Index liegt im Vergleich zum Jahresbeginn noch immer mit beinahe 10 Prozent im Plus, der Schweizer Aktienmarkt mit 3,6 Prozent.

Grund zur Sorge bietet vielmehr die wachsende Wahrscheinlichkeit, dass die Notenbanken angesichts steigender Preise demnächst doch zur Schubumkehr gezwungen sein könnten. Bisher wollen sie davon nichts wissen und beharren darauf, die aktuelle Preisentwicklung sei vorübergehend. Das Problem aber ist, dass es eine Lage wie jetzt noch nie gab. Prognosen zum Aufschwung und zu den Preisen könnten sich als falsch erweisen.

Seit mehr als einem Jahrzehnt konnten sich bisher alle auf den Finanzmärkten auf extrem tiefe Zinsen und den Rückenwind der Geldpolitik verlassen.

Wenn das der Fall ist und die Preise weiter anhaltend stark steigen, müssten die Notenbanken gemäss ihrem Auftrag die Geldversorgung einschränken und ihre Zinsen erhöhen. Das wäre für die Kapitalmärkte, die Börsen und für alle Schuldner diesmal ein besonders grosser Schock. Denn seit mehr als einem Jahrzehnt konnten sie sich bisher auf extrem tiefe Zinsen und den Rückenwind der Geldpolitik verlassen. Entsprechend haben sie sich eingerichtet.

Seit der Finanzkrise schaffen die Notenbanken weltweit in einem historisch einmaligen Ausmass frisches Geld. Die Zinsen befinden sich überall im negativen Bereich, in einigen Ländern wie den USA allerdings «nur» real, das heisst bereinigt um die Teuerung.

Jedes Mal, wenn auch nur entfernt die Sorge vor breit sinkenden Aktienkursen auftrat, kamen die Notenbanken zur Rettung. Oft auch aus guten Gründen. Das begann schon vor der Finanzkrise, erreichte mit ihr aber einen ersten Höhepunkt, den nächsten dann mit der Eurokrise und jüngst einen weiteren mit der Corona-Krise.

Dass die Börsen selbst während der Corona-Pandemie – die eine der schwersten Wirtschaftskrisen der Geschichte zur Folge hatte – nach einem massiven Taucher im März 2020 stärker als zuvor zugelegt haben, macht den Einfluss der Notenbanken besonders deutlich. Denn als Folge der Krise haben diese ihre Geldschöpfung noch massiv weiter ausgedehnt, auch zur Finanzierung massiv höherer Staatsausgaben.

Alles hängt an tiefen Zinssätzen

Fachleute sind sich dennoch alles andere als einig darüber, ob die Bewertungen an den Börsen für eine Blase stehen. Robert Shiller, der den Wirtschaftsnobelpreis für Themen wie irrationale Übertreibungen an den Aktienmärkten erhalten hat, sieht bisher keinen Grund zur Sorge.

Obwohl gemessen an seinem eigenen Massstab die Börsen aktuell höher bewertet sind als selbst vor dem grossen Börsencrash 1929, hält er sie aktuell nicht für überbewertet. Der Grund sind die tiefen Zinsen, wie er im November argumentiert hat: Je tiefer die Zinsen, desto höhere Aktienkurse sind gerechtfertigt, da tiefere Zinsen eine höhere Prämie für die Risiken ermöglichen, die mit Aktien eingegangen werden.

Dank der bisherigen Absicherungspolitik gegen sinkende Kurse kann man ohnehin schlecht von einem Risiko von Aktienanlagen insgesamt sprechen.

Doch auch dieses Argument bricht zusammen, wenn die Notenbanken ihre Politik ändern und die Zinsen erhöhen. Dank ihrer bisherigen Absicherungspolitik gegen sinkende Kurse kann man ohnehin schlecht von einem Risiko von Aktienanlagen insgesamt sprechen.

Eine gefährliche Sorglosigkeit

Und das gilt nicht nur für Aktienanlagen. Dass selbst der Wert einer als Jux gegründeten Kryptowährung wie Dogecoin von Ende Januar bis vor einer Woche um 9600 Prozent ansteigen konnte, zeugt ebenfalls von der erstaunlichen Sorglosigkeit, die generell an den Finanzmärkten Einzug gehalten hat.

Auch Dogecoin hat innert einer Woche wieder rund 40 Prozent an Kurswert eingebüsst. Hinter dessen Kursentwicklung, wie hinter jener von Bitcoin, stehen jüngst vor allem wechselnde Empfehlungen des Tesla-Chefs Elon Musk. Doch allein dass er Kurse so einfach treiben kann, ist kein gutes Zeichen für die Gesundheit der Märkte und ein weiterer Hinweis darauf, dass das Eis für alle Anlagen dünner sein könnte, als es den Anschein macht.