Kolumne «Heute vor»Als die Seestrasse von Rasern als Rennstrecke missbraucht wurde
Vor 65 Jahren brausten Automobilisten ohne Tempolimit über die Seestrasse, während sich in Schönenberg ein tragisches Unglück ereignete.
Mit 100 Stundenkilometern über die Seestrasse brettern? Was sich heute nach einem schlechten Scherz anhört, war vor 65 Jahren nicht besonders aussergewöhnlich, wie aus einem Artikel der Zürichsee-Zeitung zu entnehmen ist. Im Jahr 1958 gab es in der Schweiz nämlich noch keine Tempolimitierung. So wurde im Bundesgesetz lediglich festgehalten, dass Autofahrer «ihr Fahrzeug ständig beherrschen müssen und die Geschwindigkeit den Strassen- und Verkehrsverhältnissen anpassen müssen».
Dies hatte eine weitverbreitete rüpelhafte Fahrweise zur Folge. So wird von einem Automobilisten berichtet, der mit 110 Kilometern pro Stunde durch eine obere Seegemeinde fuhr. Dabei beharrte er uneinsichtig auf seinen Standpunkt, dass es innerorts keine Geschwindigkeitsbegrenzung gebe und er deswegen so schnell fahren könne, wie es ihm beliebe.
Diese «Raserei» hatte einen deutlichen Anstieg an Verkehrsunfällen zur Folge. So verzeichnete man im Frühjahr 1958 bereits weit über hundert Verkehrsunfälle, die in vierzig Fällen Schwerverletzte zur Folge hatten. Für den Autor des Zeitungsartikels stand fest, dass die Einführung eines Tempolimits unumgehbar sei, sich im Interesse der Unfallverhütung gar «direkt gebieterisch aufdrängt».
Tatsächlich konnten sich die rasenden Automobilisten nur noch kurze Zeit am Schnellfahren berauschen. 1959 trat die erste Version des heute noch gültigen Strassenverkehrsgesetzes in Kraft, die innerorts eine Maximalgeschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde vorsah.
Vom Blitz getroffen
Ein schreckliches Unglück ereignete sich derweil an einem Sommernachmittag in Schönenberg. Während ein heftiges Sommergewitter wütete, machte sich ein 34-jähriger Familienvater mit seinem Auto auf den Weg, um seinen Sohn von der Schule abzuholen. Kurz vor 16 Uhr erspähte er seinen Buben mit einigen Kollegen in der Nähe der Schule und hielt den Wagen unter einem Birnbaum an.
Schnell kletterten alle Kinder ins Auto, um dem strömenden Regen zu entfliehen, als plötzlich ein Blitz in den mächtigen Baum einschlug. Dieser gab der Naturgewalt nach und traf im Fallen den neben dem Auto stehenden Mann. Der Unglückliche wurde zu Boden gerissen und war auf der Stelle tot. Wie durch ein Wunder blieben alle Kinder unverletzt.
Dennoch hatte die Tragödie ein schreckliches Ausmass, war der Autolenker doch Vater dreier Kinder. Der «Allgemeine Anzeiger vom Zürichsee» sprach deswegen der ganzen Familie tiefes Mitempfinden aus.
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