Kolumne «Heute vor»Als Anwohner Tempo 12 forderten und ein Handörgeler vor Gericht kam
Vor 100 Jahren belästigte in Meilen ein Handörgelispieler seine Nachbarn und in Wädenswil beschädigten schwere Lastwagen die Häuser.
Ein kurioser Gerichtsfall sorgte vor 100 Jahren bei der Klägerschaft für erleichtertes Aufatmen, während der passionierte Handörgeler auf der Anklagebank den Kürzeren zog. Der Musikant aus Meilen schien ganz für seine Leidenschaft zu brennen und lebte diese in der eigenen Wohnung regelmässig und ausdauernd aus – zum Missfallen der anderen Mieterinnen und Mieter.
Dem Urteil des Obergerichts war ein erbitterter Nachbarschaftsknatsch vorausgegangen. Das unfreiwillige Publikum des «Handörgelimaas», wie die «Zürichsee-Zeitung» den Angeklagten betitelte, echauffierte sich am «täglichen sieben- bis neunstündigen Handorgelspiel».
Und sie bekamen recht. Der Richter kam zum Schluss, dass das exzessive Musizieren für die Mietenden eine «Plage» sei. «Es ist eine allgemein bekannte Tatsache», liess der Richter verlauten, «dass gerade das Handorgelspielen in einer Bewohnung weit lästiger empfunden wird als zum Beispiel das Klavierspiel». Fortan durfte der Mann seinem Hobby nur noch vier Stunden täglich nachgehen.
Auch auf der anderen Seeseite ärgerten sich Anwohnende. Die Wädenswiler beklagten sich über Schäden an Häusern, gesprungene Fensterscheiben und klirrendes Geschirr. Diese Probleme hatten jedoch nichts mit nervtötender Musik zu tun, sondern mit rasenden Lastwagen. Anlässlich einer Versammlung der Haus- und Grundstückeigentümer wurde beratschlagt, was man gegen das «schnelle Fahren der Lastautos durch Ortschaften» unternehmen könnte.
In der hitzigen Diskussion wurde die Forderung laut, dass «Lastwagen eine Fahrgeschwindigkeit von 12 Kilometern pro Stunde nicht überschreiten dürfen». Auch das nächtliche Fahren schwerer Fahrzeuge wolle man unterbinden, hielt der Journalist in seiner Berichterstattung fest.
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