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«Gsunds Nöis»: Pro und Kontra
Alkoholfreier Januar – bringts das?

Jahresbeginn das höchste aller Gefühle? Wasser aus dem Hahnen.
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Ja

Daniel Böniger

Lange gehörte ich zu den Genussmenschen, die fanden: Wer im Januar nichts Alkoholisches trinkt, hat offenbar elf Monate im Jahr ein gröberes Problem. Noch grösser ist es bloss, dachte ich, wenn man den Februar als abstinenten Monat wählt, weil dieser etwas kürzer ist.

Inzwischen sehe ich die Sache anders: Ich verzichte die nächsten Tage überzeugt auf den Gin Tonic zum Apéro. Und den Rosé zur Pizza. Erstens wegen der Gesundheit. Auch wenn (gerade von französischen Experten) immer wieder behauptet wird, dass das tägliche Glas Rotwein aufgrund der Gerbstoffe für Herz und Kreislauf gesund sei – wann bleibt es denn beim einen Glas, wenn der Tropfen gut ist und zum Abendessen passt? Es ist da doch einfacher, die Flasche mal nicht zu entkorken. Und Ihr Hausarzt wird Ihnen mit Sicherheit erklären können, warum jeder Tag, den man auf alkoholische Getränke (und zuckerhaltige Softdrinks!) verzichtet, für die Leber sicher nicht verkehrt ist.

Wie herrlich an kalten Tagen Rooibostee vor dem TV sein kann

Zweitens kommt die Horizonterweiterung hinzu: Ist es nicht sinnvoll, mal wieder zu entdecken, wie gut eine Tasse Schwarztee zum Fondue passt? Wie vornehm und erfrischend Leitungswasser schmeckt, wenn man es mit Zitrusfrüchten oder Kräutern aufpeppt? Und wie herrlich an kalten Tagen ein Rooibostee vor dem Fernsehapparat sein kann?

Nachvollziehbar, wenn Sie diese Argumente nicht vollständig überzeugen. Auch bei mir ist es etwas anderes, was mich in erster Linie am trockenen Januar reizt: Wann schmeckt ein Wurst-Käsesalat oder eine Kartoffelsuppe am allerbesten? Wenn man Hunger hat. Wann ist Sex am intensivsten? Wenn man lange keinen mehr hatte. Warum steht ein Mann in der Ecke – Achtung, Witz – und haut sich mit dem Hammer auf den Kopf? Weil er es so schön findet, wenns aufhört …

Was mich auch zum alkoholfreien Januar anstachelt: das erste Bier im Februar. Glauben Sie mir, es wird so wunderbar schmecken wie wahrscheinlich keines mehr im ganzen Jahr.

Nein

Nina Kobelt

Um es kurz zu machen: Wann saufen, wenn nicht jetzt?

Man sagt dem «dry january» dem trockenen Januar – auch «white january». Und dabei kommt mir immer das Wort Whiteout in den Sinn: Ein meteorologisches Phänomen, bei dem Schnee und Licht die Weitsicht verunmöglichen und das Beklemmung, Angstgefühle und Orientierungslosigkeit hervorruft. Das ist nicht die Art, wie ich in ein neues Jahr starten will, nie, aber ganz besonders nicht ins 2021.

Kommt hinzu, dass dieses institutionalisierte Trendgehabe niemandem ausser dem eigenen eitlen Gewissen etwas bringt (im Gegensatz zu, sagen wir mal, Veganuary dem Klima, aber das ist wieder ein anderes Thema). Jetzt alkoholfrei zu leben, ist auch ein bisschen billig: Was ist denn das bitte für eine Leistung, auf Alkohol zu verzichten, wenn alle Restaurants geschlossen sind? Wenn es keine öden Stehapéros gibt, an denen man sich von fremden Leuten volllabern lassen und sich deshalb betrinken muss?

Allzu bewusst existieren möchte ich im Moment nicht

Doch auch ich denke an mich selber: Uns steht der wohl schlimmste Monat bevor, pandemiemässig, mein ich. Will ich den nüchtern erleben? Keinesfalls.

Besser schlafen, schärfere Gedanken fassen – solche Sachen sind es, die Dry-January-Verfechter jeweils vorbringen (die männliche Form wähle ich hier bewusst: Es sind vor allem Männer, die sich bemüssigt fühlen, Alkoholpausen öffentlich zu deklarieren, Kollege Böniger ist hier natürlich ausgenommen, er muss, berufsbedingt). Schlafen kann ich auch alkoholfrei nicht besonders gut, und allzu bewusst existieren möchte ich im Moment auch nicht, da werde ich depressiv.

Im Übrigen: Die Alternative zu «dry january» ist ja nicht «wet january». Ich habe nicht vor, stockbesoffen durch den Monat zu torkeln. Aber ich werde mir abends schwere Tropfen einschenken. Um glasklar in die Zukunft zu schauen.