Ticker zu WEF-EröffnungsredenSelenska: «Wir müssen der Aggression mit Einigkeit begegnen»
In Davos haben Bundespräsident Berset, WEF-Gründer Schwab und die ukrainische First Lady ihre Ansprachen gehalten. Bestimmendes Thema waren die Folgen des Ukraine-Kriegs.
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Das Wichtigste in Kürze
Gründer Klaus Schwab hat bei der offiziellen WEF-Eröffnung Klimawandel und Krieg zum Thema gemacht.
Alain Berset sprach dann ebenfalls über den Ukraine-Krieg, bedrohte Demokratien und die «toxische Ungleichheit» zwischen den Geschlechtern.
Die ukrainische First Lady Olena Selenska forderte die Mächtigen in Davos auf, der «russischen Aggression» entgegenzuwirken.
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Zusammenfassung
Am Dienstagvormittag ist das Weltwirtschaftsforum in Davos offiziell eröffnet worden. Als erster hielt WEF-Gründer Klaus Schwab eine Rede. Eine der grossen Herausforderungen der Menschheit sei die «tiefe soziale Fragmentierung», sagte er. Diese spalte Staaten und Menschen.
«Zu Beginn dieses Jahres stehen wir vor vielfältigen und noch nie dagewesenen Herausforderungen», sagte Schwab. Er betonte, dass die globale Welt nach der Pandemie vor einem «tiefgreifenden Wandel» stehe. Diese drohe sich in einen «verwirrenden Flickenteppich von Mächten» zu verwandeln.
Er hoffe, dass das von ihm gegründete Treffen von Spitzenpolitikern und Wirtschaftseliten dazu beitragen könne, «den Trend der zunehmenden Fragmentierung und Konfrontation» zu stoppen, so der 84-Jährige.
Berset: «Ungleichheit wird nicht durch Wohltätigkeit beseitigt»
Danach hielt Bundespräsident Alain Berset eine Rede. Er sieht die demokratischen Institutionen und die Rechtsstaatlichkeit auf der ganzen Welt aufgrund der wachsenden Ungleichheit in Gefahr. Die Welt stehe an einem Wendepunkt, sagte er.
Zudem verurteilte er erneut den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine. Der Krieg sei ein brutaler Angriff auf ein friedliches Land, sagte Berset in Anwesenheit der ukrainischen First Lady Olena Selenska.
Die Zahl der Demokratien weltweit sei stark zurückgegangen, sagte Berset. Und selbst in demokratischen Staaten und internationalen Systemen sei die Rechtsstaatlichkeit zum Teil bedroht. Berset forderte dazu auf, sofort Massnahmen zu ergreifen und das zivilisierte Zusammenleben entschlossen zu verteidigen. Dazu gehöre die Solidarität demokratischer Länder mit den Menschen in der Ukraine und jenen, die geflohen seien, sagte Berset.
Daneben kritisierte Berset, dass bisher zu wenig über die soziale Gerechtigkeit nachgedacht wurde – auch am WEF. Die weltweite Ungleichheit sei gewachsen, sagte er. Das sei politisches Gift und untergrabe den Zusammenhalt. Berset zeigte sich überzeugt, dass auch Populismus im Wesentlichen eine Reaktion auf die wachsende Ungleichheit sei.
Ebenso habe die Ungleichheit zwischen den Staaten «in erschreckendem Mass» zugenommen. Ohnehin schwache Staaten würden zusätzlich geschwächt durch den Klimawandel, die Pandemie und den Krieg in der Ukraine, so Berset.
So habe etwa Eritrea und Somalia vor dem Krieg 90 Prozent des Getreides aus der Ukraine und Russland importiert. Dabei hätten viele afrikanische Länder vor der Pandemie zu den am schnellsten wachsenden der Welt gehört.
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Laut Berset werden Ungleichheiten nicht durch Wohltätigkeit beseitigt. Berset forderte ein Umdenken und «eine aktive globale Partnerschaft, welche das Potenzial afrikanischer Länder anerkennt, die Menschenrechte und Demokratie stärkt und auch wirtschaftliche Chancen und Innovation fördert».
So sei etwa bei der Verteilung der Impfstoffe wenig von dieser Partnerschaft zu spüren gewesen, kritisierte er. Multilaterale Plattformen wie das WEF könnten helfen, den globalen Dialog zu fördern. Die Schweiz werde sich systematisch für die vulnerable Zivilgesellschaft und für die Ernährungssicherheit einsetzen.
Selenska: Krieg wird nicht durch Waffenstillstand beendet
Nach Berset trat Olena Selenska, die Ehefrau des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski in Davos auf. Sie warnte angesichts des russischen Angriffskriegs gegen ihr Land vor einer «Welt, die zusammenbricht». Sie wünschte sich, dass 2023 das «Jahr der ukrainischen Friedensformel» werde und forderte China auf, die Ukraine zu unterstützen.
Die ukrainische First Lady hatte vor einigen Tagen gesagt, ihr Land sei bereit, ein weiteres Jahr des Krieges zu erdulden. Nun erwartete sie jedoch internationale Anstrengungen, die dem Widerstand ihres Volkes gerecht würden. In ihrer Rede am WEF prangerte sie diejenigen an, die «ihren Einfluss nutzen, um zu spalten, anstatt zu vereinen».
Ihrer Meinung nach sind zwar Inflation und Klimawandel die grossen Herausforderungen. Sie fragte jedoch, wie bedeutend diese seien, wenn angesichts des Krieges gegen ihr Land Grenzen verletzt würden und «die Brände», die von russischen Kräften in der Ukraine verursacht würden, weitergingen. Sie warnte auch vor einer nuklearen Katastrophe.
«Natürlich muss dieser Krieg eines Tages beendet werden», sagte sie. «Aber das wird nicht durch einen Waffenstillstand erreicht werden», sagte sie. «Kein Ukrainer ist im Moment sicher», sagte sie und erwähnte mindestens 43 Todesopfer eines russischen Raketenangriffs auf ein Wohnhaus in Dnipro vom Samstag.
Von der Leyen: 18 Milliarden Euro für die Ukraine
Im Anschluss an Selenskas Rede betrat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Bühne.
Die EU werde die Ukraine «so lange wie nötig» unterstützen. «Unsere unerschütterliche Unterstützung für die Ukraine wird nicht nachlassen, von der Hilfe bei der Wiederherstellung der Strom-, Wärme- und Wasserversorgung bis hin zur Vorbereitung langfristiger Wiederaufbaubemühungen.»
Am Montag hatte von der Leyen im Onlinedienst Twitter angekündigt, dass die EU der Ukraine am Dienstag eine neue Hilfstranche von drei Milliarden Euro auszahlen werde. Sie betonte, die Regierung in Kiew benötige das Geld «dringend», um ihren Finanzierungsbedarf infolge des russischen Angriffskriegs zu decken. Nach einem EU-Beschluss sollen in diesem Jahr bis zu 18 Milliarden Euro an die Ukraine fliessen.
Mit dem Geld sollen unter anderem Krankenhäuser und Schulen in der Ukraine finanziert werden. Die ersten drei Milliarden Euro sind für die Monate Januar und Februar gedacht. Ab März will die EU monatliche Tranchen von jeweils 1,5 Milliarden Euro auszahlen.
Von der Leyen: Europa an der Seite der Ukraine
Auf Selenskas Auftritt folgt eine Rede von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Seit einem Jahr versetze die Ukraine die Welt in Staunen, sagt sie. Zunächst hätten viele befürchtet, Kiew würde schnell fallen. «Doch der Mut und Widerstand der Ukrainerinnen und Ukrainer haben uns anderes gelehrt.»
Europa werde der Ukraine so lange wie nötig zur Seite stehen, sagt von der Leyen. Zudem bekräftigt sie den Willen, dass russische Verbrechen nicht ungestraft bleiben.
Selenska: Aggression mit Einigkeit begegnen
Børge Brende, Präsident des WEF Genf, heisst die ukrainische First Lady Olena Selenska willkommen.
Die Agression Russlands drohe, auf andere Länder überzugreifen, sagt Selenska – «sollte der Agressor nicht verlieren».
Kinder in der ganzen Welt seien bedroht. Sie spricht die Gefahr eines nuklearen GAU an. Kein Kind sollte damit konfrontiert werden müssen. Auch nicht von Hunger, den sie ebenfalls als Bedrohung für Kinder bezeichnet. Und auch nicht von Stromknappheit.
Niemand, der die Bombardierung Mariuopls im Keller erlebt habe, die Gräueltaten in Butscha überlebt habe, könne akzeptieren, dass die Taten Russlands unbestraft bleiben würden.
Es könne nicht sein, dass so viele Menschen traumatisiert werden. Selenska spricht damit auch die Angriffe auf die zivile Infrastruktur an. Raketen, die für den Abschuss von Flugzeugen entwickelt worden seien, seien gegen Zivilisten eingesetzt worden.
Das einzige, das der Aggression entgegenwirken könne, sei Zusammenhalt und Einigkeit.
Ihr Mann Wolodimir Selenski habe Alain Berset, Ursula von der Leyen und Chinas Präsident Xi Jingping einen Brief geschrieben.
Berset: Ungleichheit politisch toxisch
Nun spricht Bundespräsident Alain Berset. Er kommt direkt auf den Angriff Russlands auf die Ukraine zu sprechen: Es handle sich um «eine brutale Attacke auf ein friedliches Land. Aber auch eine brutale Attacke auf das internationale Recht und die globale Entwicklung der Demokratie.»
Gerne würde Berset daran glauben, dass grosse Transformation auch Chancen für Veränderungen seien. Doch zeichnet er ein düsteres Bild der Lage der Welt. So sei Ungleichheit nicht nur ein Problem in manchen Ländern, sie sei eine Bedrohung für alle. Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern sei weltweit nicht besser als vor 20 Jahren, sagt Berset. «Ungleichheit ist politisch toxisch.»
Die Rechtsstatlichkeit sei global in Gefahr, sagt Berset weiter. Er hebt speziell Länder in Afrika hervor, die durch den russischen Angrifskrieg in Gefahr seien. Deshalb fordert er internationale Zusammenarbeit.
Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine würden zeigen, wie wichtig es sei, «fragilen Ländern» zu helfen. Ansonsten drohten sie zu gescheiterten Staaten («failed states») zu werden.
Berset kritisierte, dass bisher zu wenig über die soziale Gerechtigkeit nachgedacht wurde – auch am WEF. Die weltweite Ungleichheit sei gewachsen, sagte er. Das bringe enorme Kollateralschäden mit sich.
Der Bundespräsident forderte ein Umdenken und «eine aktive globale Partnerschaft», die Menschenrechte und Demokratie stärke und auch «wirtschaftliche Chancen und Innovation fördert». So sei etwa bei der Verteilung der Impfstoffe wenig von dieser Partnerschaft zu spüren gewesen, sagte er.
Schwab: Klimawandel und Krieg als Bedrohung
WEF-Gründer Klaus Schwab hat als erster das Wort. Er hebt hervor, dass die internationale Wirtschaft einen Umbruch erlebe. Dabei verweist er auf die Energiekrise. Auch das geopolitische System erfahre eine tiefgreifende Transformation, sagt er im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine, ohne diesen direkt zu nennen.
Schwab wählt deutliche Worte: Klimawandel und Krieg könnten zu einem «Aussterben grosser Teile der Bevölkerung führen».
Schwab sagt aber auch: «Hier in Davos haben wir die Kapazität, Herausforderungen in Möglichkeiten zu drehen.»
Ansprache beginnt in Kürze
Die Eröffnungsrede mit Berset und Schwab ist um 10.45 Uhr geplant. Danach hält die ukrainische First Lady Olena Selenska eine Rede. Das Programm wird auch musikalisch begleitet.
Eröffnung mit Berset, Schwab und Selenska
Fünf Tage lang treffen sich in Davos rund 400 Vertreterinnen und Vertreter von Regierungen und der Politik aus der ganzen Welt. Auch 600 Firmenlenker und Chefinnen werden erwartet sowie zahlreiche Prominente. Die Agenda ist angesichts von Krisen und Konflikte weltweit gut gefüllt: Klimawandel, Ukraine-Krieg, Lieferkettenprobleme sind nur einige der Punkte.
Das Programm startete bereits am Montagabend mit einer Zeremonie, an der die Arbeit von Persönlichkeiten für ihr aussergewöhnliches Engagement zur Förderung des Umweltschutzes, der Ernährungssicherheit und des Klimawandels ausgezeichnet wird. Der Leitsatz für dieses Jahr ist: «Cooperation in a Fragmented World» («Zusammenarbeit in einer zersplitterten Welt»).
Die Eröffnungsrede mit Bundespräsident Alain Berset ist am Dienstag um 10.45 Uhr geplant. Auch WEF-Gründer Klaus Schwab tritt auf und danach richtet Olena Selenska eine Botschaft («A Special Message») an die Runde.
Die ukrainische First Lady landete am Montag am Flughafen in Zürich, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete.
Selenska stieg demnach am Mittag aus einer ukrainischen Regierungsmaschine. Das WEF bestätigte danach ihre Teilnahme am Politik- und Wirtschaftstreffen.
Die WEF-Veranstalter machten bisher keine offiziellen Angaben zur ukrainischen Delegation – aus Sicherheitsgründen. Ob sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erneut zuschalten lassen oder diesmal sogar selbst anreisen will, blieb zunächst geheim.
Im vergangenen Jahr war am WEF der seit Februar 2022 wütende russische Angriffskrieg gegen die Ukraine das grosse Thema. In vielen Veranstaltungen riefen sich ukrainische Vertreter in Erinnerung. Präsident Selenskyj forderte in einer Videoansprache bei der WEF-Eröffnung die internationale Staatengemeinschaft zu «maximalen» Sanktionen gegen Russland auf.
Albert Röstis erster internationaler Kontakt als Bundesrat
Am Montag traf Albert Rösti einen der mächtigsten Politiker Europas: den deutschen Vizekanzler, Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck. Ebenfalls dabei beim Gespräch: Röstis Parteikollege, Wirtschaftsminister Guy Parmelin.
Das Gespräch der beiden Bundesräte mit dem deutschen Grünen dauerte länger als geplant, nämlich eine Stunde. Während der Pressekonferenz bezeichnete Habeck ihn als «Kollege Rössli». Hier lesen Sie, wie das Treffen verlief:
SDA/AFP/oli
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