Fehlender Covid-ImpfstoffAfrika muss noch lange warten
Selbst Afrikas Musterschüler Ghana und Ruanda haben erst drei Prozent ihrer Bürger geimpft. Und nun treffen auch die versprochenen Dosen aus Indien nicht ein.
Das Video, das seit einigen Tagen auf den Websites südafrikanischer Medien zu sehen ist, zeigt eine Frachtmaschine im Anflug auf den O.-R.-Tambo-Flughafen von Johannesburg, unterlegt von einer etwas dramatischen Musik. Die Maschine rollt über die Landebahn und wird entladen, aus ihrem Bauch kommt schliesslich die erste Ladung des Impfstoffes von Biontech/Pfizer, ein Dutzend Pappkisten, die etwas verloren aussehen auf der Ladefläche des Lastwagens, auf den sie verladen werden. Dennoch war die Ankunft am 3. Mai eine grosse Nachricht in Südafrika, es kommt eben nicht besonders oft vor, dass es eine Ladung Impfstoff bis hierher schafft. Man befindet sich vielleicht nicht am Ende der Welt, fühlt sich aber als Schlusslicht auf der Lieferliste.
Während sich grosse Teile Europas und der USA auf das vermeintliche Ende der Pandemie und den Beginn der Sommerferien freuen, hat sich die Lage in Afrika kaum verändert. Südafrika, das bisher am meisten betroffene Land, hat gerade einmal etwa ein Prozent der Bevölkerung geimpft und steht nach Ansicht vieler Epidemiologen kurz vor der dritten Infektionswelle. Anderswo sieht es nicht viel besser aus.
WHO und Gates-Stiftung helfen
Selbst in Ländern wie Ruanda und Ghana, die sehr effektive Impfprogramme haben, konnten nur etwa drei Prozent der Bevölkerung eine erste Spritze bekommen, mehr Impfstoff ist nicht da. Und wird auch so bald nicht kommen. Die von der WHO und der Gates-Stiftung initiierte und von einigen Industrieländern unterstützte Impfinitiative Covax hatte es sich zum Ziel gesetzt, bis Ende des Jahres 20 Prozent der Menschen in den ärmsten Länderb zu versorgen; es ist ein Ziel, das kaum erreicht werden dürfte. Das Programm sollte die meisten seiner Impfdosen vom Serum Institute in Indien bekommen, das AstraZeneca in Lizenz herstellt.
Dort überschätzte man wohl die eigenen Kapazitäten, dann brannte es in einer Fertigungsanlage, schliesslich wurde das Land von einer neuen Infektionswelle überrollt, was die Regierung dazu brachte, alle Lieferungen ins Ausland einzustellen. Die afrikanischen Länder erhalten nun erst einmal keinen Nachschub, der ohnehin nur kommt, wenn sie bilaterale Verträge abgeschlossen haben mit den Pharmaherstellern, wie im Falle von Südafrika. Aber auch dann wird es dauern, bis neue Flugzeuge landen. Afrika rangiert bei den Auslieferungen ganz unten. Und will deshalb so bald wie möglich selbst Impfstoffe herstellen.
«In der Geschichte wird man sich erinnern, dass die US-Regierung zur richtigen Zeit das Richtige getan hat.»
Die Entscheidung von US-Präsident Joe Biden, sich für die zeitweise Aufhebung des Patentschutzes der Covid-Vakzine einzusetzen, wurde auf dem Kontinent mit Euphorie begrüsst. «In der Geschichte wird man sich erinnern, dass die US-Regierung zur richtigen Zeit das Richtige getan hat», sagte John Nkengasong, der Chef des afrikanischen Zentrums für Seuchenkontrolle. Es gebe «sehr detaillierte Diskussionen» darüber, wie in Afrika schnell eine Impfstoffproduktion geschaffen werden könnte.
Impfstoff nicht nur für den Meistbietenden
Auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, der mit Indien eine Initiative von mehr als 100 Ländern anführte, die die Patente aufheben wollen, sagte, man müsse schnell Wege finden, die Produktion zu beschleunigen. «Wenn es die internationale Gemeinschaft ernst meint mit den Menschenrechten und dem Gebot der Gleichheit, dann sollten Impfstoffe ein globales öffentliches Gut sein.» Das nicht nur dem Meistbietenden zur Verfügung stehe.
In Afrika wird derzeit nur in Ägypten, Marokko, Senegal, Südafrika und Tunesien Impfstoff hergestellt, allerdings keiner gegen Corona. In Südafrika wurde in den vergangenen Jahrzehnten die eigene Produktion grösstenteils aufgegeben, da das Land mit den Billigimporten aus Europa, den USA und Indien nicht mehr mithalten habe können, sagen Experten. Südafrika werden aber immer noch die besten Chancen eingeräumt, in absehbarer Zeit mit der Produktion zu beginnen, der Pharmakonzern Aspen füllt bereits den Impfstoff von Johnson & Johnson ab. Biovac, ein anderer südafrikanischer Impfstoffhersteller, kooperiert mit dem US-Unternehmen Immunitybio, das einen Impfstoff in Tablettenform entwickelt hat, der sich in der Testphase befindet. Mit einer Produktion sei aber nicht vor Ende 2022 zu rechnen, heisst es.
Kagame will den Impfstoff im eigenen Land produzieren
Ruandas Präsident Paul Kagame sagte, seine Regierung befinde sich in Gesprächen, um die Impfstoffherstellung nach Ruanda zu bringen. Das Pasteur-Institut in Senegal, das Gelbfieberimpfstoff herstellt, gilt auch als ein aussichtsreicher Produktionsstandort. Experten weisen aber darauf hin, dass die Aufhebung des Patentschutzes nur ein Schritt hin zu einer Herstellung in Afrika sein könnte. Es brauche Technologietransfer und genügend Ausgangsstoffe.
Bis in Afrika genug Impfstoff vorhanden ist, wird noch viel Zeit vergehen. Bis dahin droht die Gefahr neuer Infektionswellen. «Eine Tragödie wie in Indien muss hier nicht passieren, aber wir müssen alle äusserst achtsam sein», sagte die WHO-Direktorin für Afrika, Matshidiso Moeti.
30 Prozent bis Ende Jahr
Die nächsten grösseren Lieferungen der Initiative Covax werden wohl erst im Juni kommen, wenn überhaupt, dazu müsste sich die Lage in Indien schnell entspannen. Die Afrikanische Union will dennoch an ihrem Ziel festhalten, bis Jahresende 30 Prozent der 1,2 Milliarden Menschen zu impfen. «Das müssen wir machen, wenn wir die Pandemie besiegen wollen, was wir müssen, wegen unseres eigenen Überlebens und dem unserer Volkswirtschaften», sagt John Nkengasong, der Chef des afrikanischen Zentrums für Seuchenkontrolle.
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