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Risse bei Europas Rechtsextremen
Le Pen fürchtet sich vor Weidels Querschlägern

President of the French far-right Rassemblement National (RN) group at the National Assembly Marine Le Pen waves as she attends a meeting to launch the RN's campaign for upcoming European elections, in Marseille, southeastern France, on March 3, 2024. European Parliament elections are scheduled to be held from June 6 to 9, 2024. (Photo by CHRISTOPHE SIMON / AFP)
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Europas extreme Rechte mag sich gerade stark fühlen, sogar ein bisschen triumphgewiss vor den Europawahlen im Juni: Doch so solide und eins, wie sie sich gern gibt, ist sie nicht. Eher im Gegenteil. Selbst innerhalb ihrer Bündnisse sind die Zerrüttungen gross, insbesondere in der Fraktion Identität und Demokratie, der die AfD und das französische Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen angehören. Die Risse sind so tief, dass auch ein Bruch nicht mehr ausgeschlossen ist. Man wartet nur die Wahl ab.

Ursprung des Konflikts ist das Treffen von AfD-Vertretern mit Rechtsextremisten vergangenen November in einem Hotel bei Potsdam, an dem auch Mitglieder der CDU und der erzkonservativen Werteunion teilnahmen. Dort hatte der Rechtsextremist Martin Sellner unter dem Begriff «Remigration» Pläne zur massenhaften Ausweisung von Migranten vorgestellt, auch von solchen, die eingebürgert sind. Die AfD distanzierte sich später von Sellners Vorstellungen, hielt aber am Begriff «Remigration» fest.

«Remigration»? Für Weidel war alles klar – Le Pen fasst nach

Für die Lepenisten ist das eine sehr ungünstige Geschichte zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Seit Jahren versuchen sie, ihr Image zu glätten – sich zu «entteufeln», wie sie es selbst nennen. Die Berichte über das Treffen von Potsdam brachte Le Pen dazu, sich öffentlich von der AfD zu distanzieren. Alice Weidel wiederum, die Vorsitzende der AfD, reiste Mitte Februar nach Paris, um Le Pen zu treffen. Die Meinungsunterschiede seien ausgeräumt, liess sie nach dem gemeinsamen Essen wissen.

Doch die Geschichte war damit nicht zu Ende. Le Pen verlangte eine schriftliche Stellungnahme. In einem Brief schilderte Weidel dann die Irritationen als Folge einer Medienkampagne voller angeblich falscher Behauptungen. Ausserdem, schrieb sie, werde «Remigration» in Deutschland anders verstanden als anderswo. Eine klare Distanzierung von einer Ausbürgerung von Deutschen aus Zuwandererfamilien fehlt in dem Brief ganz. Es gebe noch «eine Reihe offener Fragen», sagte Le Pen darauf.

epa10774071 Alternative for Germany party (AfD) board member Maximilian Krah (C), co-chairman Tino Chrupalla (L) and co-chairwoman Alice Weidel (R) stand next to each other during the AfD party convention in Magdeburg, Germany, 28 July 2023. The Alternative for Germany (AfD) holds their 14th federal party congress in Magdeburg on 28 July 2023, followed by a five day European Elections assembly.  EPA/CLEMENS BILAN

Dann war nichts mehr zu hören. Nun erzählte ein Abgeordneter des Rassemblement National aus der unmittelbaren Umgebung von Le Pen dieser Zeitung, wie die Partei das Essen mit Alice Weidel erlebt hat. Das Treffen, das Weidel danach in einem Post auf Instagram als «herzlich» dargestellt hat, verlief auch für die Lepenisten «sehr, sehr gut». Nicht gut genug allerdings, um das auch so öffentlich zu machen: Weder Le Pen noch Parteipräsident Jordan Bardella, der ebenfalls dabei war, mochten Weidels Post reposten. Es war die erste Begegnung überhaupt zwischen Le Pen und Weidel.

Man habe über alles gesprochen, über Programme, die Europawahlen, da habe es viele Übereinstimmungen gegeben, sagt der Abgeordnete. Le Pen habe Weidel klargemacht, dass ihre Partei nie eine «Remigration» von Menschen mit französischer Staatsbürgerschaft gefordert habe. Einzig für «kriminelle Einwanderer» verlange man eine Ausweisung.

Der Brief aus Berlin machte die Franzosen noch skeptischer

Weidel, so der Abgeordnete, habe beteuert, dass das alles ein Missverständnis sei. Die Konferenz von Potsdam sei weder von Leuten der AfD organisiert worden noch hätten Mitglieder der AfD daran teilgenommen. Weidels Darstellung widerspreche dem, was man in der Presse gelesen habe, sagt der Abgeordnete. Die Teilnahme von AfD-Mitgliedern ist nämlich unbestritten.

Die Skepsis der französischen Alliierten sollte bald noch grösser werden – und zwar mit dem Brief, den Weidel nach Paris sandte. Man bedauere beim RN, dass die AfD die Gelegenheit nicht genutzt habe, das Gedankenspiel über eine «Remigration» von deutschen Staatsangehörigen mit deutlichen Worten zu dementieren. «Wenn die Dinge ja so klar sind, warum sagt man es nicht auch so klar?» Man sei nicht einmal sicher, ob die AfD Teilnehmer der Potsdamer Konferenz aus der Partei ausgeschlossen habe.

Der «Freilauf» der AfD ist den Lepenisten zu viel

Stellt sich nun die Frage nach einem Bruch der Allianz? Der Brief sei für sie bindend, sagte der Abgeordnete aus Le Pens Umfeld, weil er verfasst worden sei von der Parteichefin der AfD. Und er decke sich nicht mit dem, was Weidel beim Pariser Treffen gesagt habe. Er wolle aber nichts vorwegnehmen: Das sechsköpfige Exekutivbüro der Partei prüfe den Brief, es sei kein Eilverfahren, man nehme sich Zeit.

Der RN sei damit beschäftigt, mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2027 die Machtübernahme von Le Pen in Frankreich zu organisieren. Da lasse man sich vom «Freilauf» der AfD nicht behindern. So habe man auch mit Verwunderung erfahren, dass Mitglieder der AfD als Wahlbeobachter zur Präsidentenwahl nach Russland gereist seien. Das seien «rote Linien», die die AfD «leider» überschreite, sie isoliere sich damit selbst.

Die Kritik der Franzosen entzünde sich auch am AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah, auch er sei Thema des Gesprächs in Paris gewesen, heisst es bei der AfD. Krah gilt als Vertrauter des weit rechts stehenden Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke, er hatte schon diverse Konflikte mit dem RN.

ROME, ITALY - JULY 16: Lega Political party leader Matteo Salvini attends a demonstration called "Restiamo Liberi" against a proposal for a new law called Zan-Scalfarotto on homo-trans phobia, on July 16, 2020 in Rome, Italy. The homo-trans phobia law, against gender, race, sex discriminations, is about to be discussed in the Italian parliament. (Photo by Antonio Masiello/Getty Images)

In Kreisen des europäischen Rechtsbündnisses heisst es, Krah seien die Franzosen ziemlich egal. Er selbst weist das zurück. «Ich bin ja viele falsche Anschuldigungen gewohnt», sagt er. «Ich unterhalte gute Beziehungen zu meinen französischen Kollegen.» Doch auch Krah gesteht ein, dass es zum Bruch kommen könnte.

Matteo Salvini von der Lega, einer der Hauptaktionäre der Allianz, hat für diesen Samstag zu einem Treffen der Fraktion Identität und Demokratie in Rom eingeladen. Der RN will zwei eher unbekannte Abgeordnete entsenden. Und die AfD? Konnte nicht einmal sagen, ob überhaupt jemand nach Rom fährt.