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Meinung

Analyse zu Frankreich
Marine Le Pen profitiert vom Chaos und schürt es

French far-right party Rassemblement National's (RN) presidential candidate Marine Le Pen visits the "Salon international des professionnels de l’élevage" livestock trade fair in Cournon d'Auvergne, central France, on October 7, 2021. (Photo by Thierry ZOCCOLAN / AFP)
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Es ist gerade ziemlich leicht für Marine Le Pen, Marine Le Pen zu sein. Sie muss sich nicht anstrengen, nicht verbiegen. Alles spielt der Chefin der harten französischen Rechten in die Hände, die ganze Stimmung im Land – und das fünf Monate vor den Europawahlen, bei denen ihr Rassemblement National in den Umfragen weit vorne liegt. Aktuell wenigstens. Und nichts lässt erahnen, dass sich daran schnell etwas ändern wird. (Mehr zu Europas Rechter: Le Pen droht AfD wegen «Remigrations-Plänen»)

Im Gegenteil: Sie reitet auf zwei Wellen, die sie wohl bis zu den Wahlen tragen werden. Das strapazierte Bild aus dem Surfsport sollte für politische Belange eigentlich verboten werden, es wirkt so anmutig. Aber es passt halt gut.

Es war ein trügerischer Coup

Da wäre einmal die Welle, die sich in der Migrationsfrage aufgebaut hat. Frankreichs Verfassungsrat hat das neue, von der gesamten Rechten unterstützte Gesetz zur Einwanderung in weiten Teilen verworfen. Oder besser: Er hat jene Artikel zurückgewiesen, die Les Républicains eingebracht hatten, um es zu verschärfen. Das Lager von Emmanuel Macron hatte genau damit gerechnet, als es den Deal mit den Bürgerlichen einging und eine Reihe höchst fragwürdiger Artikel schluckte.

Es war ein listiger Zug: Man markierte Härte, um die nötigen Stimmen zu bekommen, ohne dafür den ganzen Preis bezahlen zu müssen. Ein Pokercoup gewissermassen. Der Triumph aber, der die Macronisten nun bewohnt, ist ein trügerischer.

Sie sprechen von der «Republik der Richter»

Im Volk hätte ein härterer Umgang mit der irregulären Immigration nämlich eine breite Mehrheit, etwa zwei Drittel halten das Problem für ungelöst, für unregiert. Es bekommt nun eine brisante zusätzliche Note: Nach dem Urteil behauptet die Rechte, die «Weisen» hätten mit ihrer Zensur Politik betrieben, das Volk übergangen, das Parlament unterlaufen – man drifte ab in eine «Republik der Richter».

Natürlich ist das abwegig. Die Rechte hatte die Gefahr kommen sehen, manche Paragrafen waren manifest verfassungswidrig. Und, immerhin: Das Verfassungsgericht liess 50 von 87 Artikeln des Gesetzes stehen.

Doch dieser «Trumpismus» im Diskurs kommt in Teilen der Bevölkerung nun mal gut an. Er deckt sich mit dem diffusen Gefühl vieler Franzosen, Paris nehme sie nicht ernst genug mit ihren Ängsten und Sorgen. Da lässt man sich leicht verführen vom Gerede der Populisten.

Marine Le Pen hätte von einem scharfen Immigrationsgesetz profitiert, weil es ihre alte Linie salonfähig gemacht hätte. Sie profitiert nun aber fast genauso stark von der Zerlegung des Gesetzes, von der Opferrolle.

epa11103256 French farmers block the A9 highway during a demonstration in Nimes, Occitanie region of southern France, 25 January 2024. French farmers multiply actions to claim better payments and a fairer chair with the supermarkets. On 23 January, the Agriculture and Fisheries Council highlighted the importance of providing the conditions necessary to enable EU farmers to ensure food security sustainably and profitably, as well as ensuring a fair income for farmers.  EPA/GUILLAUME HORCAJUELO

Die zweite Welle, die sie reitet, baut sich erst so richtig auf, überall im Land. Der Protest der Bauern, der einmal als lokales Phänomen im Südwesten begonnen hat, erreicht gerade Paris. Er nimmt auf, was die Landwirte in vielen anderen Ländern Europas bewegt, könnte aber noch viel grösser werden.

Das Crescendo jedenfalls ist recht atemberaubend. Die Bauern blockieren Autobahnen, umzingeln Präfekturen, besprühen deren Paläste mit Mist. Das Volk ist mit ihnen, das zeigen die Umfragen. Und die Regierung lässt sie gewähren, sie gibt ihnen sogar recht, verspricht Hilfen und weniger Auflagen – so gross ist ihre Sorge, dass der Protest eskaliert.

Und Le Pen? Sie flüstert den Bauern zu, ihre Feinde sässen in Paris und Brüssel. Die Welle kann ihr nicht hoch genug sein. Am liebsten wäre es ihr, wenn sie auf andere Kategorien überschwappen würde, ein bisschen wie damals mit den Gelbwesten. Man kann nur hoffen, dass sich die stolzen, protestgewohnten und gewerkschaftlich stark organisierten Bauern nicht einspannen lassen von der Souffleuse des Chaos. Sicher ist das aber nicht, diesmal nicht.