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EU-Gipfel in Prag
Ärger über deutschen «Doppelwumms»

Der Niederländer Mark Rutte zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron.
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Für Olaf Scholz war es ein ungemütlicher Gipfel. Aus allen Richtungen kam in Prag heftige Kritik. Bei den EU-Partnern hält die Aufregung über das 200 Milliarden Euro schwere Hilfsprogramm Deutschlands gegen die hohen Energiepreise an. Zu Hause hatte der deutsche Bundeskanzler den wuchtigen Aufschlag zur Entlastung von Haushalten und Firmen als «Doppelwumms» präsentiert. Dieser hat eingeschlagen, aber nicht so wie in Berlin einberechnet. Die europäischen Partner sehen darin einen Alleingang, einen klaren Fall von nationalem Egoismus. 

Deutschland nimmt sich sonst gern als Musterschüler Europas wahr. Jetzt steht die Koalitionsregierung am Pranger. Besonders lautstark die Osteuropäer: Das Rettungspaket sei das «Äquivalent einer Bombe» auf die Einheit Europas, sagte Viktor Orban. Deutlich auch Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki: Die Energiepolitik der EU dürfe nicht dem «Diktat» Deutschlands ausgesetzt sein. Berlin habe schon in der Eurokrise und während der Corona-Pandemie «andere belehrt und sich arrogant verhalten». Der deutsche Egoismus müsse endlich «in die Schublade». Morawiecki warnte vor einer «Zerstörung des Binnenmarktes». Dazu komme es, wenn die Regierung in Berlin nur noch deutsche Unternehmen unterstütze. Firmen in Polen, Italien oder Portugal hätten dann einen Wettbewerbsnachteil. 

Ressentiments in Südeuropa

Alte Ressentiments schwingen mit, auch in Südeuropa. Der Portugiese Antonio Costa merkte an, dass nicht alle Mitgliedsstaaten die gleichen finanziellen Möglichkeiten hätten. Er plädierte für einen zusätzlichen europäischen Mechanismus als gemeinsame Antwort. In diesem Sinn hatten schon im Vorfeld der italienische und der französische EU-Kommissar für eine Neuauflage eines Instruments plädiert, mit dem Brüssel während der Corona-Pandemie Kurzarbeit quer durch Europa finanziert hatte. Der spanische Regierungschef Pedro Sanchez forderte ebenfalls europäische Antworten, um das wirtschaftliche Gefälle zwischen den Ländern nicht noch zu vergrössern. 

In der Eurokrise habe Berlin den Südeuropäern Austerität gepredigt, doch jetzt scheine bei der deutschen Regierung das Portemonnaie für die eigenen Haushalte und Firmen unbeschränkt locker zu sitzen, so die Kritik aus Athen: «Es ist inakzeptabel, dass es Länder gibt, die eine unabhängige Politik zur Unterstützung ihrer eigenen Gesellschaften verfolgen, nur weil sie die wirtschaftlichen Möglichkeiten dazu haben», sagte Premierminister Kyriakos Mitsotakis. Auch in der Flüchtlingskrise entschied die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel im Alleingang und ohne die Partner zu informieren, die Grenzen offen zu halten und eine Million Asylsuchende ins Land zu lassen. 

Alleingang wie bei Corona

Zu Beginn der Corona-Krise schloss Deutschland die Grenzen, um den Export von Schutzmasken und Atemgeräten zu verhindern. Erst mit Verzögerung realisierte Merkel damals die Gefahr für den Zusammenhalt und brachte zusammen mit Emmanuel Macron den Corona-Wiederaufbaufonds auf den Weg. In der EU sind alle Mitgliedsstaaten gleich, aber was Deutschland als grösste Wirtschaftsmacht tut oder lässt, hat Auswirkungen auf alle.

Der Alleingang kommt auch deshalb schlecht an, weil viele Berlin für Europas Abhängigkeit vom russischen Gas verantwortlich machen. Die Kritik an den Nordstream-Pipelines aus Osteuropa hat Deutschland ignoriert, bis es zu spät war. Während die Koalition in Berlin viel Geld für ein nationales Hilfspaket lockermacht, blockiert Berlin einen europäischen Gaspreisdeckel, wie ihn eine Mehrheit der EU-Staaten fordert. 

Kommunikationsdefizit

Er habe den Gipfel genutzt, um den europäischen Partnern das deutsche Hilfspaket zu erklären und Missverständnisse auszuräumen, sagte Olaf Scholz am Abend. Die deutschen Massnahmen bewegten sich zudem im Rahmen dessen, was Länder wie Frankreich, die Niederlande oder Spanien planten. Tatsächlich subventioniert etwa Emmanuel Macron Elektrizität, ohne dass dies in der EU gross zu Diskussionen geführt hätte. Entsprechend ist in Frankreich Strom deutlich billiger als in den meisten EU-Staaten. Experten sehen allerdings beim deutschen «Doppelwumms» ganz andere Dimensionen. Und was der zurückhaltende Olaf Scholz sicher unterschätzt hat, ist die Kommunikation. So hat die Koalition in Berlin die anderen Hauptstädte und Brüssel nicht über ihr massives Rettungspaket informiert.