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Wichtige Rede 
Orban fordert Friedensverhandlungen mit Russland

Enge Beziehungen: Wladimir Putin (ganz links) und Viktor Orban (ganz rechts) im Februar 2022. 
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Viktor Orban liebt es, Reden zu halten. Sie sind in der Regel lang, belehrend im Ton und ideologisch grundiert. Orban – der Auskenner. Die Rede, die er an der Fidesz-Sommerakademie im rumänischen Baile Tusnad hält, gilt dabei alljährlich als Höhepunkt seiner politphilosopischen Ein- und Ausblicke. 2014 legte er sich hier auf die «illiberale Demokratie» als politisches Modell für Ungarn fest. 2019 liess er sich über «neue Lebensformen» der tausendjährigen ungarischen Gemeinschaft aus und zementierte damit den gesellschaftlichen Rückwärtssalto in die 50er-Jahre.

Bei seinem diesjährigen Auftritt an der Sommerakademie seiner Partei sollte es – nach einer zweijährigen, Covid-bedingten Pause – um die Welt im Jahr 2030 gehen. Ungarn, prophezeite Orban, werde als «lokale Ausnahme aus der globalen Rezession hervorgehen». Offensichtlich wollte er seinen Anhängern trotz Rezession, Energiekrise und gekappten Geldern aus Brüssel das Gefühl vermitteln, dass seine Regierung alles im Griff habe. Zuletzt hatte es in zahlreichen ungarischen Städten Demonstrationen gegen eine Steueränderung gegeben; die Angst davor, dass der Staat die gedeckelten Benzinpreise und die subventionierten Nebenkosten nicht mehr lange finanzieren kann, setzt die Regierung zusätzlich unter Druck.

«Keine Gemischtrassigen»

Der Ungar liebt vor allem den grossen Bogen, und der enthält wiederkehrende Motive: die Migration etwa, die ungarnfeindliche, kosmopolitische Elite, seine Rassentheorie. Seit Jahren arbeitet sich der ungarische Ministerpräsident beispielsweise daran ab, dass Europa untergehen wird, wenn es sich ethnisch und kulturell mischt. Diesmal predigte Orban in Siebenbürgen vor der versammelten Parteiprominenz, dass die Ungarn sich, anders als es die Westeuropäer täten, keinesfalls mit Migrantinnen und Migranten aus nicht europäischen Staaten mischen sollten. In Mitteleuropa, so der rechtskonservative Politiker, der zunehmend extreme Positionen vertritt, mischten sich nur europäische Völker miteinander. Deshalb «sind wir keine Gemischtrassigen». Der Westen werde durch Migration, Demografie und Genderwahnsinn geschwächt.

«Die Aufgabe des Westens ist nicht, auf der Seite der Ukraine zu stehen, sondern sich zwischen die Ukraine und Russland zu stellen.»

Viktor Orban

Dieser Teil seiner Rede vor jubelnden Anhängern, die nur kurz von Sprechchören rumänischer Nationalisten gestört wurden, war gleichwohl nur das krude Präludium für einen Abschnitt, der vor allem an die europäischen Partner, aber auch an Russland gerichtet war. Orban säte weitere Zweifel daran, dass Ungarn künftig an der Seite der EU-Partner gegen Russland stehen wird; neue Sanktionen dürfte es mutmasslich nicht mehr mittragen. Kernsatz Orbans: «Die Aufgabe des Westens ist nicht, auf der Seite der Ukraine zu stehen, sondern sich zwischen die Ukraine und Russland zu stellen.»

Zwar hatte Budapest Moskau zu Kriegsbeginn, wenngleich zögerlich, als Aggressor verurteilt und auch erste Sanktionspakete mitgetragen. Aber spätestens der Widerstand dagegen, den russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill auf die Sanktionsliste zu setzen, war ein erster Bruch mit der gemeinsamen Linie. Dass dies nicht «unser Krieg» ist, hatte Orban schon während des Parlamentswahlkampfes im April deutlich gemacht. Jetzt legte er nach. Es sei «ukrainische Propaganda», dass Russland seine Angriffe auf die Nato ausweiten könnte; und es liege in der Verantwortung der Nato, Russlands Sicherheitsforderungen nicht akzeptiert zu haben. «Wenn Donald Trump noch Präsident und Angela Merkel noch Kanzlerin wäre, wäre dieser Krieg nicht ausgebrochen», so Orban und deutete an, dass Trump und Merkel Moskaus Interessen mehr Gehör geschenkt hätten.

Orban will mehr Gas aus Moskau

Die Ukraine könne, so Orban, diesen Krieg keinesfalls gewinnen, die Sanktionen schadeten dem Westen immens. Helfen könnten nun nur Friedensverhandlungen zwischen Russland und nicht etwa der Ukraine, sondern – den USA. Was Ungarn angehe, so müssten neue Deals mit allen wichtigen Playern her; neben der EU seien das die USA, China und Russland. Nur so könne Ungarn seinen nationalen Interessen dienen. Erst am vergangenen Donnerstag hatte sich der ungarische Aussenminister Peter Szijjarto, der 2021 im Kreml den russischen Freundschaftsorden verliehen bekommen hatte, nach Moskau aufgemacht, um über zusätzliche Gaslieferungen für Ungarn zu verhandeln.

Das Land ist zu 80 Prozent von russischer Energie abhängig. Viktor Orban selbst war noch Mitte Februar bei Wladimir Putin in Moskau gewesen, um die guten Beziehungen zu pflegen und Sonderkonditionen für Gas auszuhandeln – zu einem Zeitpunkt also, an dem ein Überfall auf die Ukraine schon als sehr wahrscheinlich galt. Westliche Experten vermuten nun, dass Ungarn zusätzliches Gas aus Russland im kommenden Winter nicht nur dafür nutzen könnte, den eigenen Bedarf zu befriedigen, sondern auch, um es mit einem hohen Aufpreis an Nachbarländer zu verkaufen.

Scharfe Reaktion aus Kiew

Das ukrainische Aussenministerium reagierte scharf auf die Äusserungen Orbans. Europa stecke nicht wegen der Sanktionen in einer Wirtschaftskrise, sondern wegen des russischen Angriffskriegs, hiess es aus Kiew. Und: Viktor Orban verbreite «klassische russische Propaganda».