Adventskalender-Fieber24 Türchen ins Glück
Wer in Sachen Adventskalender einmal die Büchse der Pandora geöffnet hat, ist mit soliden Erwartungen konfrontiert. Wie lässt sich der Stress vermeiden? 7 Tipps für die schöne Bescherung.
Dieser Artikel erschien erstmals am 21. November 2023. Anlässlich der nahenden Adventszeit haben wir ihn für Sie aktualisiert.
In 24 Geschenken zum Kollaps
Es ist der Liebesbeweis schlechthin: 24 kleine Geschenke, hübsch eingepackt, an einer glänzenden Kordel befestigt – diese grosszügige Gabe garantiert Augenglanz und täglich wiederkehrende Dankbarkeit. Mehrere Aber seien hier indes zu bedenken: 1. Der Aufwand ist immens. Ein Päckli-Kalender ist der Geschenkestress-Multiplikator schlechthin. 2. Man vergisst gerne: Nach dem Adventskalender ist vor dem Adventskalender. Das Erwartungsniveau fürs nächste Jahr ist ein Hochplateau. 3. Finden Sie erst mal 24 sinnvolle Sachen. Die Gefahr, hübschen, aber total unnötigen Quatsch einzutüten, ist gross. Je nach Ausgeprägtheit des ökologischen Gewissens ergibt sich also das Prädikat: schwierig bis sehr schwierig.
Schokolade geht immer (und auch anderer Süsskram)
Auf der gegenüberliegenden Seite in der Aufwand/Freude-Effizienz-Kurve steht der Schokolade-Kalender. Aus der eigenen Kindheit ist hinlänglich bekannt, dass Schokoladegeschenke zwar fast so unoriginell sind wie Bargeld, aber trotzdem – wie Bargeld – Freude machen. «Lindt», «Frey», «M&Ms», «Kinder»: Die tägliche Ration Zucker gibt es mittlerweile in allen denkbaren Ausprägungen, auch mit anderen Schleckereien, natürlich auch vegan. Laut einer deutschen Studie sind jene mit Süssigkeiten die mit Abstand meistverkauften Adventskalender.
Die Lego-Zerstückelung
Die Idee ist bestechend: Eine grosse Schachtel Lego kaufen, Anzahl Teile durch 24 teilen, einpacken, fertig. So kann die oder der Beschenkte jeden Tag an seinem Dezember-Bauprojekt weiterarbeiten und hat am Schluss, Halleluja, den Supersternzerstörer Executor aus der Star-Wars-Reihe zusammengesetzt. Kleiner Haken: Der Aufwand ist viel grösser als gedacht. Sie werden die ganze Anleitung durchstreifen zwecks Auszählung der Teile und dann die Teile pro Tagesration zusammensuchen. Aber für etwas ist der November schliesslich da. Für weniger Geduldige gibt es natürlich von jedem erdenklichen Spielzeug eine fixfertige Kalendervariante.
Adventskalender für Erwachsene (und Haustiere)
Die tägliche kleine Bescherung erfreut längst auch die Grossen. Man hat die Wahl zwischen dem Tee-, dem Honig-, dem Chips- oder dem Müsli-Adventskalender, aber das ist natürlich nicht alles, es gibt auch Adventskalender mit Socken, Gewürzen oder Saatgut – und sogar welche fürs Haustier! Da freuen sich Hase und Meerschwein über «gesunden Knabberspass» im Advent.
Wenn es um Geschenke geht, wird übrigens nicht nur im Kinder-, sondern auch im Erwachsenensegment gerne gegendert. So lassen sich echte Kerle den Bier-, den Gin- oder den Elektronik-Retro-Sounds-Adventskalender schenken, für die Ladys gibts Duftkerzen oder Achtsamkeitsratschläge. Ein Klassiker für Paare ist der erotische Adventskalender, etwa das Produkt «Satisfyer», das für «prickelnde Überraschungen» sorgt, wobei diese – nicht so überraschend – in Form von Massageöl, Toys oder Dessous daherkommen. Und wenn das nicht hilft, bleibt noch der etwas weniger pikante «Paarzeit-Adventskalender» mit Rätsel- und Geschichtenkarten «für echte Verbundenheit».
Spannung mal 24: Geschichten-Adventskalender
Auch das Konzept «mit 24 Geschichten durch den Dezember» ist angesichts des Angebots offensichtlich beliebt. Bei Kindern im Vorlesealter sowieso, aufgrund des Versprechens auf eine tägliche Ration Spannung. Im Angebot sind klassische Niedlichkeiten wie die 24-fach illustrierte Tilda-Apfelkern-Adventsgeschichte, aber auch ein neuer «Die drei ???»-Fall oder gar der Escape-Room-Adventskalender «Codename: Nussknacker». Es geht auch bildungsbürgerlich: «Reclams klassischer Adventskalender» mit «24 kleinen literarischen Episoden» bringt im klassisch-handlichen gelben Büchlein Futter für Geist und Seele.
Die Müsterchen-Attacke: Beauty-Adventskalender
Ein schier unüberschaubares Angebot gibt es im Bereich Schönheit: Sämtliche Beauty-Hersteller buhlen mit Töpfchen, Tiegelchen und Tübchen in 24-facher Ausführung – und wir ahnen, dass die meisten davon über sehr lange Zeit sehr viele Badezimmerschränke verstopfen werden. Die Beauty-Adventskalender können wohl am wenigsten verhehlen, was der Hintergedanke der allermeisten Kalender für Erwachsene ist: Es sind aufwendig gestaltete Müsterchen-Attacken, spielerisch-interaktive Werbeträger, Köder, welche die Firmen direkt in die guten Stuben auswerfen. Es sind im Grunde die analogen Geschwister der Influencer-Filmchen. Kein Wunder, gibt es auch den Typus des Influencer-Adventskalenders, der bestückt ist mit diversen Lifestyleprodukten vom gesunden Riegel bis zur Sky High Mascara. Sodass alle, kaum ist ein neues Türchen offen, sofort über den neuen Nagellack oder die Gesichtsmaske auf Tiktok berichten können. Sind wir damit auf der Meta-Ebene der Adventskalender angelangt? Oder wäre das der Adventskalender, hinter dessen Türchen sich ein neuer Adventskalender befindet, hinter dessen Türchen sich wiederum …?
Und was ist eigentlich mit dem guten alten Bild-Kalender?
Ein Türchen öffnen, ein Bildchen anschauen, das war einst die ganze Freude – und der Ursprung der ganzen Vorweihnachts-Kalenderflut. Gedruckte Adventskalender gibt es seit Anfang des 20. Jahrhunderts, wobei der grosse Boom der Türchen-Kalender in den 1920er-Jahren einsetzte. Angesichts der eingepackten Sächelchen erscheinen die Bildkalender heute wie die Mauerblümchen des Vorweihnachtsgeschäfts. Allerdings ist selbst da das Angebot unüberschaubar. In Deutschland, wo es die ersten gedruckten Kalender gab, werden jährlich 80 Millionen Kalender hergestellt. In der Schweiz dürfte die Materialschlacht kaum geringer ausfallen.
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