Nein zur Renteninitiative«Die Erhöhung des Rentenalters wird kommen, ob uns das passt oder nicht»
Das Volk erteilt der Renteninitiative der Jungfreisinnigen eine deutliche Abfuhr – aber die Bürgerlichen wollen die Frage des Rentenalters neu lancieren.
Es war die erste AHV-Initiative, die ein höheres Rentenalter und damit einen Leistungsabbau bei der Altersversicherung forderte. Die Initianten wollten mit einer generellen Erhöhung des Rentenalters und der Koppelung an die Lebenserwartung eine spürbare finanzielle Entlastung des Sozialwerks erreichen. Ziel war eine nachhaltige Sicherung angesichts der stark steigenden Zahl der Rentnerinnen und Rentner.
Doch die Renteninitiative erlitt mit einem Nein-Anteil von drei Vierteln einen regelrechten Absturz. Kein einziger Kanton stimmte dem Volksbegehren zu. FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt, einer der Väter der Initiative, führt den Misserfolg unter anderem darauf zurück, dass das Volksbegehren im Schatten der 13. AHV-Rente stand. «Deshalb hat es bedauerlicherweise keine richtige Debatte über das Rentenalter gegeben.»
Was heisst das für die nächste Reform?
Die massive Ablehnung setzt nun aber ein negatives Vorzeichen für die nächste Rentenreform. Diese muss der Bundesrat bis Ende 2026 vorlegen. Für Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) kommt damit wiederum die Erhöhung des Rentenalters aufs Tapet.
Für die Linke ist ein höheres Rentenalter für die nächsten Jahre vom Tisch. Eine generelle Rentenaltererhöhung sei der falsche Weg, sagt SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen. Denn dies bestrafe all jene, die nicht länger arbeiten könnten. Mit der auf dieses Jahr eingeführten AHV-Reform habe bereits eine Flexibilisierung des Rentenalters stattgefunden. Zudem wurde das Frauenrentenalter auf 65 Jahre erhöht. Wer länger arbeiten wolle, könne dies schon heute tun, sagt Wasserfallen.
«Abstimmung zum dümmsten Zeitpunkt»
Mitte-Ständerat Erich Ettlin war wie seine Partei gegen die Renteninitiative, weil die Frage bei der nächsten AHV-Reform umfassend thematisiert werden müsse. Der Bundesrat habe nun gar keine andere Möglichkeit, als bei der nächsten Reform ein höheres Rentenalter vorzuschlagen, sagt Ettlin. Dies gelte nach der Annahme der 13. AHV-Rente erst recht, weil der Finanzierungsbedarf noch grösser werde. «Dabei geht es mir nicht um eine Trotzreaktion, nicht ums Täubele», sagt Ettlin.
Für das Anliegen der Renteninitiative habe er Verständnis gehabt, aber die Abstimmung darüber sei zum «dümmstmöglichen Zeitpunkt» gekommen.
Den Vorwurf, die Initiative sei zu einem ungünstigen Zeitpunkt lanciert worden, weist Silberschmidt zurück. 2019, als das Volksbegehren lanciert worden sei, habe ein Reformstau in der Altersvorsorge bestanden. Die Initianten hätten zudem gehofft, dass das Parlament einen Gegenvorschlag mache. Insbesondere die Mitte habe aber Arbeitsverweigerung betrieben und mit Blick aufs Wahljahr 2023 dazu nicht Hand geboten.
Bundesrat soll Lebensarbeitszeit prüfen
Für Silberschmidt bedeutet das Nein zur Renteninitiative keine generelle Absage an eine Rentenaltererhöhung. «Es gibt in der Schweiz viele Anliegen, die dem Volk mehr als einmal vorgelegt werden, bis es eine Mehrheit gibt.» Der Bundesrat sollte nun für die nächste Reform ein Modell mit einer Lebensarbeitszeit prüfen, sagt Silberschmidt. Wer mit 16 zu arbeiten beginne, sollte früher in Rente gehen können als jemand, der erst nach dem Studium ins Erwerbsleben einsteige.
Die Lebensarbeitszeit bringt auch Monika Rühl, Direktorin des Wirtschaftsverbandes Economiesuisse, ins Spiel. Der Verband hatte wie FDP und SVP die Renteninitiative unterstützt. Angesichts der steigenden Zahl der Rentnerinnen und Rentner werde es zur finanziellen Stabilisierung der AHV ein höheres Rentenalter brauchen. «Die Erhöhung des Rentenalters wird kommen, ob uns das passt oder nicht», sagt Rühl. Auch Ettlin bringt das Lebensarbeitszeitmodell ins Spiel. Ein solches biete die Möglichkeit, auf die individuelle Arbeitssituation Rücksicht zu nehmen.
Die Renteninitiative verlangte die schrittweise Erhöhung des Rentenalters von Männern und Frauen auf 66 Jahre. Anschliessend wäre das Rentenalter an die Lebenserwartung gekoppelt worden. Die Erhöhung des Rentenalters auf 66 Jahre hätte die jährlichen Ausgaben der AHV um rund 2 Milliarden Franken reduziert.
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