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Abschied als US-Präsident
Joe Bidens Rede für die Geschichtsschreibung

Die letzte Rede ist vorbei, am Montag gibt er das Amt des Präsidenten ab: Joe Biden nach seiner Ansprache an die Nation.
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In Kürze:
  • Kurz vor dem Abschied aus dem Weissen Haus hat sich Joe Biden noch einmal an die Amerikaner gewendet.
  • Er gab sich überzeugt, dass seine Präsidentschaft erfolgreicher war, als ihm jetzt zugestanden wird.
  • Seine Beliebheitswerte sind tiefer als jene von Donald Trump vor vier Jahren.
  • Biden warnte vor einer «tech-industriellen Oligarchie», die die Demokratie bedrohe.

Joe Biden hatte sich schon weggedreht vom Rednerpult, er wollte schon davontappen nach einem seiner letzten Auftritte als Nummer 1 der Vereinigten Staaten, bei dem er am Mittwoch endlich eine Waffenruhe in Gaza verkünden durfte. Da warf ihm eine Reporterin eine Frage hinterher, die der scheidende Präsident nicht ohne Antwort lassen konnte: «Wem ist diese Einigung zu verdanken, Herr Präsident, Ihnen oder Trump?»

Nur halb drehte Biden sich um, und er versuchte, ein verächtliches Grinsen aufzusetzen. Es gelang ihm zumindest halb. «Ist das ein Witz?», fragte er.

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Aber das war kein Witz. Es war eine berechtigte Frage, in der die ganze Tragik von Bidens letzten Monaten im Amt zum Vorschein kommt. Seine Präsidentschaft, seine gesamte Politikerkarriere von 52 Jahren, steht jetzt unter dem Eindruck der letzten paar Wochen seit der Wiederwahl von Donald Trump.

Trump schnappt ihm den diplomatischen Erfolg weg

Den Erzrivalen vermochte Biden vor vier Jahren zu besiegen. Doch nach seinem schmachvollen Scheitern im Wahlkampf 2024 und der Niederlage von Kamala Harris zieht nun Trump umso triumphierender zum zweiten Mal ins Oval Office ein. Ja, er gebärdet sich so, als sei er schon längst wieder der Herr im Weissen Haus.

Monatelang hatte Biden sich für einen Waffenstillstand in Gaza eingesetzt, monatelang musste er sich als «Genocide Joe» beschimpfen lassen. Und nun, da er am Mittwoch endlich einen Verhandlungserfolg melden konnte, beanspruchte Trump diesen für sich. «Diese monumentale Waffenruhe war nur möglich als Folge unseres historischen Siegs im November», schrieb der Republikaner, der am Montag die Amtsgeschäfte übernehmen wird.

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Wenige Stunden später setzte sich Biden hinter das Resolute Desk im Oval Office für seine Abschiedsrede an die Nation. Er sprach deutlich und eindringlich, ganz anders als der fahrige ältere Herr, als der er aus dem Wahlkampf ausgeschieden war. Biden hielt eine seiner besten Reden überhaupt, es war jedoch auch eine seiner schwierigsten Aufgaben. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner halten den 82-Jährigen für zu alt und zu führungsschwach, nur knapp 37 Prozent sind noch zufrieden mit seiner Amtsführung. Der selbsternannte Retter der amerikanischen Seele ist sogar noch unbeliebter, als es Trump war, nachdem er seine Horden zum Sturm auf das Capitol angestachelt hatte und der Kongress darüber diskutierte, ihn des Amtes zu entheben.

Die nachgiebige, aber dauerhafte Freiheitsstatue

Joe Biden ist es nicht gelungen, den Amerikanern seine Führung als Erfolg zu verkaufen, für die Geschichtsschreibung unternahm er am Mittwochabend einen letzten Versuch als amtierender Präsident. Biden redete 17 Minuten lang, er begann bei der Freiheitsstatue, dem Geschenk aus Frankreich nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Sie schwankt im steifen New Yorker Wind um bis zu sieben Zentimeter. Aber sie falle nie ins Wasser, sagte Biden. Nicht unähnlich der amerikanischen Demokratie und ihren Institutionen, die immer wieder auf die Probe gestellt werden und bald 250 Jahre standgehalten hätten.

Grosse Sorge treibe ihn jetzt aber um, sagte Biden. Ohne seinen Nachfolger Donald Trump und dessen First Buddy Elon Musk beim Namen zu nennen, zeichnete der Präsident das Bild einer gefährlichen Konzentration von Macht und Reichtum. Wie Ende des 19. Jahrhunderts, als Räuberbarone die US-Politik beherrscht hätten. Wie 1961, als Dwight Eisenhower bei seiner Abschiedsrede im Oval Office vor einem «militärisch-industriellen Komplex» warnte.

Biden warnt vor einer Tech-Oligarchie

Biden redete nun in Anlehnung daran über die Bedrohung durch einen «tech-industriellen Komplex»: «Heute bildet sich in Amerika eine Oligarchie mit extrem viel Reichtum, Macht und Einfluss, die unsere gesamte Demokratie buchstäblich bedroht, unsere Grundrechte und Freiheiten und eine faire Chance für alle.» Fehlinformationen und Desinformationen würden Machtmissbrauch ermöglichen.

Auch Gegenmittel empfahl Biden: Wahlkampfspenden einzuschränken, Milliardäre höher zu besteuern und eine Verfassungsreform, damit Präsidenten keinen Schutz vor Strafe geniessen, wenn sie Verbrechen begehen. Damit war offensichtlich Donald Trump gemeint, und Biden trug offensichtlich Wunschträume vor, zumindest auf kurze Sicht. Die amerikanischen Stimmberechtigten haben erst vor zwei Monaten solchen politischen Ideen eine Absage erteilt, als eine Mehrheit den erstinstanzlich verurteilten Straftäter Trump zum zweiten Mal ins Weisse Haus wählte.

Das weiss auch Biden, der bei seiner Rede eher an die Geschichtsschreibung gedacht haben dürfte. Er hofft darauf, dass seine Leistung in einigen Jahren gnädiger beurteilt wird als jetzt gerade, unter dem Eindruck seiner Unbeliebtheit, seines zu langen Festhaltens an einem Amt, dessen Stress er mit 82 Jahren nicht mehr gewachsen scheint. «Wissen Sie, es braucht Zeit, bis sich die gesamten Auswirkungen zeigen», sagte er über seine Präsidentschaft. «Aber die Samen sind gesät, und sie werden wachsen, und sie werden jahrzehntelang blühen.»

Biden zählt seine Erfolge auf

Die schnelle wirtschaftliche Erholung nach der Covid-Pandemie zählte Biden auf. Das Job-Wachstum. Die historischen Investitionen in die Infrastruktur, den Klimaschutz, die Produktion von Computer-Chips. Die Senkung der Arzneikosten. Bessere Leistungen für Veteranen. Die Verschärfung des Waffenrechts. Die Verteidigung der Ukraine, die Stärkung der Verteidigungsallianz Nato, die Eindämmung der Gefahr durch China. Es ist gut möglich, dass Trump die Früchte davon ernten kann, sofern er die Erfolge nicht rückgängig macht. Biden warnte etwa davor, die Klimaschutzmassnahmen zurückzufahren.

Selbstkritik liess der abtretende US-Präsident keine erkennen. Er sagte nichts zu der Teuerung, die unter seiner Führung so hoch stieg wie seit den 1980ern nicht mehr, er äusserte sich nicht zur Einwanderung, die in seiner Amtszeit Rekordwerte erreichte, er zeigte kein Bedauern darüber, dass er den richtigen Zeitpunkt verpasste, auf eine weitere Kandidatur zu verzichten. Vor kurzem noch hatte er wiederholt, dass er Trump besiegt hätte, wenn er im Rennen geblieben wäre. Dabei hatten diese Fehleinschätzungen und politischen Schwachstellen dazu beigetragen, dass Donald Trump am kommenden Montag ins Weisse Haus zurückkehren kann, reicher, stärker und gefährlicher als vier Jahre zuvor. Allen tadellos vorgetragenen und eindringlichen Reden zum Trotz.