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Unruhen in Frankreich
Feuerwehrmann stirbt beim Löschen brennender Autos

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Beim Löschen brennender Autos im Pariser Vorort Saint-Denis ist ein 24 Jahre alter Feuerwehrmann ums Leben gekommen. Trotz des schnellen Eingreifens seiner Kameraden sei der Mann in der Nacht zum Montag gestorben, teilte Innenminister Gérald Darmanin über Twitter mit. Der Brand war in einer Tiefgarage ausgebrochen. Ob er direkt mit den jüngsten Unruhen in Frankreich in Zusammenhang stand, sagte der Minister nicht. Allerdings wurden im Zuge der Krawalle zuletzt jede Nacht Hunderte Autos in Brand gesetzt. Wie die Zeitung «Le Parisien» berichtete, erlitt der junge Feuerwehrmann einen Herzinfarkt.

Frankreich kam auch in der fünften Nacht nach dem Tod eines Jugendlichen durch eine Polizeikugel nicht zur Ruhe. Während in einigen Städten die Lage weniger angespannt schien als in den Nächten zuvor, kam es vor allem in Paris, Marseille und Lyon erneut zu Krawallen. Auch in der Schweiz kam es zu Unruhen: In Lausanne wurden mehrere Personen nach Randalen festgenommen. 

Die Grossmutter von Nahel hat die französische Bevölkerung zur Ruhe aufgerufen und ein Ende der gewaltsamen Proteste gefordert. «Zerschlagt keine Fenster, greift keine Schulen und Busse an, hört auf damit», sagte sie im Sender BFMTV. «Es sind die Mütter, die mit dem Bus fahren, es sind die Mütter, die draussen herumlaufen», fügte sie hinzu.

«Zum Glück sind die Polizisten da. Die Leute, die gerade etwas kaputt machen, denen sage ich «Hört auf». Sie haben Nahel als Vorwand genommen», sagte sie am Sonntag dem Fernsehsender BFMTV. Sie sei zwar wütend auf den Beamten, der ihren Enkel erschossen habe, möchte aber nicht verallgemeinern. Er werde bestraft werden wie jeder andere auch. «Ich habe Vertrauen in die Justiz.» Die Menschen sollten ruhig bleiben und nicht alles kaputt machen.

Haus von Bürgermeister angezündet

Für Entsetzen sorgte ein nächtlicher Anschlag auf das Haus des Bürgermeisters der im Grossraum Paris liegenden Gemeinde L’Haÿ-les-Roses, Vincent Jeanbrun. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen «Mordversuchs».

Nach Angaben des zuständigen Staatsanwalts Stéphane Hardouin drang ein brennendes Fahrzeug gegen 01.30 Uhr auf das Gelände des Hauses vor. Offenbar sollte es das Haus in Brand setzen, doch wurde es laut dem Staatsanwalt von einer kleinen Mauer gestoppt. In dem Fahrzeug wurde demnach später eine Cola-Flasche mit «Brandbeschleuniger» gefunden.

Zu dem Zeitpunkt hielt sich Jeanbrun wegen der anhaltenden nächtlichen Unruhen im Rathaus auf, doch seine Frau und seine beiden fünf und sieben Jahre alten Kinder schliefen in dem Haus. Sie flüchteten in Panik, auf der Flucht brach sich die Frau laut dem Staatsanwalt ein Schienbein.

Premierministerin Elisabeth Borne sprach von einem «unerträglichen Vorfall». Am Nachmittag besuchte Borne mit Innenminister Darmanin und weiteren Kabinettsmitgliedern den Tatort. Die Vereinigung der Bürgermeister Frankreichs rief für Montag zu Solidaritätskundgebungen vor allen Rathäusern des Landes auf.

Unterdessen wurde bekannt, dass ein Polizist im südfranzösischen Nîmes einen Schusswaffenangriff in der Nacht zum Samstag nur dank seiner kugelsicheren Weste überlebt hatte.

Innenminister: Krawalle flauen ab

Das Innenministerium meldete am Sonntag 719 Festnahmen, rund 600 weniger als in der Nacht davor. Die meisten der Festgenommenen hatten demnach Gegenstände bei sich getragen, die als Wurfgeschosse oder Waffen hätten dienen können. 577 Fahrzeuge und 74 Gebäude wurden in Brand gesetzt, sowie 871 Feuer auf Strassen und Plätzen gezählt. Landesweit wurden laut den vorläufigen Zahlen 45 Polizisten und Gendarmen verletzt und über 20 Polizeiwachen und Gendarmeriekasernen angegriffen.

Verglichen mit den Ausschreitungen in den Vornächten war das Ausmass der Gewalt laut den Behörden jedoch geringer. «Ruhigere Nacht, dank des resoluten Einsatzes der Ordnungskräfte», schrieb Innenminister Gérald Darmanin im Onlinedienst Twitter.

Am Samstag wird das Ausmass der Verwüstung sichtbar: Ein ausgebranntes Gebäude, in dem sich eine Apotheke befand, in Montargis, etwa 100 Kilometer südlich von Paris, das in der Nacht in Brand gesteckt wurde. (1. Juli 2023)

500’000 Euro Spenden für Polizisten

Eine Spendenaktion für den Polizisten, der mutmasslich den 17-Jährigen erschossen hat, hat wohl bis Sonntag bereits über 500’000 Euro erbracht. Ziel ist die Unterstützung der Familie des Polizisten, «der seine Arbeit getan hat und nun einen hohen Preis zahlt», wie es in der Kampagne heisst. Der Spendentopf wurde von Jean Messiha, einem Unterstützer des rechtsextremen Politikers Éric Zemmour, eingerichtet.

Der Polizist, der für seinen Tod verantwortlich gemacht wird, kam in Untersuchungshaft. Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet. Nach Angaben der Zeitung «Le Figaro» scheint Messiha mit der Aktion in Konkurrenz zu einem Spendenaufruf für die Mutter des getöteten Jungen treten zu wollen. Demnach prahlte er damit, mehr Geld gesammelt zu haben.

Trauerfeier in der Moschee in Nanterre

Vier Tage nach dem Tod des 17-jährigen Nahel bei einer Polizeikontrolle bei Paris haben am Samstag Freunde und Verwandte von ihm Abschied genommen. Gegen Mittag begann laut der Tageszeitung «Le Parisien» eine Trauerfeier in der Moschee in Nanterre nahe Paris. Die Familie hatte sich gewünscht, dass keine Presse an der Trauerfeier und der anschliessenden Beisetzung teilnehmen soll. Der Tod des Jugendlichen hatte landesweite Unruhen ausgelöst.

«Le Parisien» berichtete, dass gegen Mittag ein weisser Sarg in der Moschee aufgebahrt wurde. Rund um das Gebäude sei eine Sicherheitszone errichtet worden, zu der nur ausgewählte Personen Zutritt bekommen hätten. Die Zeitung «Le Figaro» schrieb, dass Hunderte Menschen an den Trauerfeierlichkeiten teilnahmen.

Tödliche Verkehrskontrollen

Der 17-Jährige war am Dienstag in Nanterre am Steuer eines Autos von einer Motorradstreife gestoppt worden. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe eines Polizisten. Die Beamten hatten zunächst angegeben, der Jugendliche habe sie überfahren wollen. Erst als sich von Medien verifizierte Videobilder des Vorfalls in den sozialen Netzwerken verbreiteten, rückten sie von dieser Darstellung und der angeblichen Tötungsabsicht des Jugendlichen ab. 

Der Tod des 17-Jährigen sorgte vor allem bei der Jugend in den Trabantenstädten Frankreichs für heftige Wut, die sich aufgrund ihrer Herkunft von Gesellschaft und insbesondere der Polizei diskriminiert sehen. Sie sind besonders häufig Zielscheibe von Verkehrskontrollen. Diese enden häufiger tödlich als in vielen anderen Ländern.

Allein im vergangenen Jahr wurde eine Rekordzahl von 13 Todesfällen registriert, nachdem sich die Fahrer geweigert hatten, bei Verkehrskontrollen anzuhalten. Behörden und Polizeigewerkschaften machen ein gefährlicheres Fahrverhalten dafür verantwortlich. Kritiker verweisen aber auch auf ein Gesetz aus dem Jahr 2017, das Polizisten den Einsatz ihrer Waffe bei Verkehrskontrollen erlaubt, wenn ihr Leben oder das Leben anderer in Gefahr ist.

AFP/SDA/red