Nach Tod von Nahel in FrankreichSie hat ihren Sohn verloren – jetzt führt sie den Protestmarsch an
In Nanterre trauert die Mutter mit Tausenden friedlich um den getöteten Nahel, dann wird der Protest gewalttätig. In einem bewegenden Instagram-Post rief sie zuvor zum «Weissen Marsch» auf.
In Nanterre fand am Donnerstag ein Trauermarsch zu Ehren des getöteten 17-Jährigen statt. Dessen Mutter Mounia, die zu dem Marsch aufgerufen hatte, sass auf einem Lieferwagen, der den Protest begleitete, und trug ein T-Shirt mit der Aufschrift «Gerechtigkeit für Nahel». Nach Angaben der Polizei nahmen rund 6200 Menschen teil. Sie hielten eine Schweigeminute ab. Im Anschluss kam es jedoch zu Ausschreitungen, Bränden und dem Einsatz von Tränengas durch die Polizei.
Die Mutter des getöteten Nahel M. hatte auf Instagram zu dem «Weissen Marsch» gebeten, als Marsch der Trauer, aber auch des «Widerstands», wie sie ausdrücklich sagte. Der Aufruf von Mounia war bewegend. «Sie haben mir mein Baby genommen, mein Herz», sagte sie, «sie haben mich getötet.» Nahel sei ein lieber, respektvoller, hilfsbereiter Junge gewesen, der sie morgens wie abends gegrüsst und geküsst habe. «Ich kann Ihnen nicht sagen, wie schwer das ist für mich. Ich will zu ihm.»
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In einem späteren Medieninterview sagte die Mutter Mounia, sie gehe von einer rassistisch motivierten Tat aus, mache aber nicht die Polizei als Ganzes dafür verantwortlich. «Ich gebe nicht der Polizei die Schuld, ich gebe einer Person die Schuld», sagte sie dem Sender France 5. Sie habe Freunde, die Polizisten seien, und diese «finden es nicht gut, was er getan hat».
Der Polizist habe «das Gesicht eines Arabers gesehen, einen kleinen Bengel, und wollte ihm das Leben nehmen», sagte sie. Sie hoffe, dass die Justiz «wirklich streng» sein werde. Auch Nahels Grossmutter und Tante konnten in Videos und Interviews ihrer Entrüstung und Trauer Ausdruck verleihen.
Dritte Nacht der Gewalt in Frankreich
Am Ende des Marsches, als sich einige Teilnehmer der Präfektur dem Nelson-Mandela-Platz nähern, brennen dann doch noch ein Auto, ein Mülleimer, Feuerwerk explodiert; Tränengas wird versprüht, Wasserwerfer schiessen. Trotzdem bildet der Trauerzug bis dahin ein würdiges Gegengewicht zu den Bildern der beiden Nächte zuvor. Erst als der Marsch schon vorbei ist, eskalieren die Krawalle.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurden landesweit 875 Menschen festgenommen, wie es aus dem Umfeld von Innenminister Gérald Darmanin hiess. Die meisten von ihnen seien 14 bis 18 Jahre alt.
Nachdem es bereits zwei Nächte in Folge in mehreren Städten massive Proteste gegen Polizeigewalt gegeben hatte, wurden landesweit rund 40’000 Polizisten und Gendarme mobilisiert, um die Ausschreitungen einzudämmen. Die Polizei überwachte die Lage mit Hubschraubern. Zudem wurden nach Angaben aus Polizeikreisen Eliteeinheiten der Polizei und der Gendarmerie nach Toulouse, Marseille, Lyon, Lille und Bordeaux geschickt.
Polizist in Untersuchungshaft entschuldigt sich bei Nahels Familie
Nach dem tödlichen Schuss auf den 17-Jährigen bei einer Verkehrskontrolle im Pariser Vorort Nanterre wurde gegen den mutmasslichen Schützen ein formelles Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Der Polizist sei der «vorsätzlichen Tötung beschuldigt» und in Untersuchungshaft genommen worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
Nach Angaben seines Anwalts entschuldigte sich der Polizist bei der Familie. «Die ersten Worte», die der Beamte gesagt habe, «waren, sich zu entschuldigen, und die letzten, die er gesagt hat, waren, sich bei der Familie zu entschuldigen», sagte der Anwalt im Fernsehsender BVMTV. Sein Klient habe im Gewahrsam erstmals das Video gesehen und sei «extrem erschrocken von der Gewalt dieses Videos» gewesen.
«Er ist am Boden zerstört. Er steht nicht morgens auf, um Menschen zu töten. Er wollte nicht töten», fügte der Anwalt hinzu und kündigte an, am Freitag Widerspruch gegen die Untersuchungshaft einzulegen.
Der jugendliche Nahel M. war am Dienstag auf dem Fahrersitz eines Autos bei einer Verkehrskontrolle in Nanterre erschossen worden. In einem Video war zu sehen, wie der Polizist mit seiner Waffe auf den Fahrer zielt und aus nächster Nähe schiesst, als das Auto plötzlich beschleunigt. Bei der Kontrolle war zuvor der Satz zu hören: «Du kriegst eine Kugel in den Kopf.»
AFP/aru/Thomas Kirchner
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