Filme über MännlichkeitEndlich Ferien, und der Vater von heute versagt
Das Schweizer Kinodrama «8 Tage im August» und der Horrorfilm «Speak No Evil» zeigen den zeitgenössischen Vater als überfordert und gelähmt.
Sonne scheint, Shirt sitzt. Adam macht mit seiner Frau Helena und dem Teenagersohn Finn Urlaub in Apulien. Riesig sind Adams Ansprüche nicht, er gehört zu jenen Typen, die als Erste an der Bartheke ankommen und als Letzte bedient werden. Am Strand setzt er sich in die dritte Sonnenliegenreihe. Zuvorderst war schon besetzt.
Das befreundete Paar Matti und Ellie mitsamt Sohn Luca, das auch nach Italien gefahren ist, akzeptiert das nicht. Die beiden haben direkt am Meer reserviert und beschweren sich laut beim Aufseher. Adam ist so etwas peinlich. Er bewundert es, aber es nervt ihn, dass er es bewundert.
Seit der schwedische Regisseur Ruben Östlund in «Turist» (2014) einen Vater von einer relativ weit entfernten Lawine davonspringen liess, dreht sich der europäische Autorenfilm immer wieder um die angeknackste Männlichkeit. Mit dem Kinodrama «8 Tage im August» liefert der Schweizer Samuel Perriard («Schwarzer Panther») jetzt eine fein beobachtete Variante des Themas.
Als Sohn Finn auf dem Rückweg vom Strand einen Schwächeanfall erleidet und das Bewusstsein verliert, steht Adam (Florian Lukas) erst mal untätig daneben. Als sei sein System runtergefahren worden. Schwer zu sagen, wer in der Situation der Ohnmächtigere ist. Erst als Helena (Julia Jentsch) eingreift, findet Adam aus seiner Schockstarre.
Adam spielt sein Verhalten zuerst herunter, obwohl Finn aus unerklärlichen Gründen auch noch eine Beule am Kopf hat. Später spielt er sich auf, weil er Finn vor einem Einheimischen beschützen will, der findet, Finn und Luca würden zu laut spielen. Dazu kommen Militärübungen in der Nähe, sie erzeugen eine latente Bedrohungsstimmung. Und dann müssen Helena und Adam erfahren, dass ihre mitgereisten Freunde bald nach Japan ziehen werden. Sie scheinen sowieso das aufregendere Leben zu führen.
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Besonders schön sind die Veränderungen der Tonlagen. Ein gespielter Flirt zwischen Adam und Helena, eine Mutprobe am Weinabend, beginnt lustig, bis Helena abbricht. Sie nimmt ihrem Mann nicht ab, dass er wirklich an ihr interessiert ist.
Adam ist deshalb kein Würstchen, aber es gefällt ihm etwas zu gut in seiner wohligen Existenz. Er hat es selten nötig, entschieden aufzutreten. Geschieht etwas Unerwartetes, sind alle Synapsen blockiert, oder dann übersteuert er, und man merkt, welche Wut sich angestaut hat. Helena wiederum weiss auch nicht so genau, was sie eigentlich will. Aber sie findet es dann doch sexy, wenn Adam bestimmter wird.
Eine ähnliche Ausgangslage hat der Däne Christian Tafdrup in «Speak No Evil» auf die grausame Spitze getrieben. Sein Werk gehört zu jenen Horrorfilmen, die nicht nur punktuell erschrecken, sondern nachhaltig verstören.
Auch hier zwei Paare in den Sommerferien in Italien, mit je einem Kind. Eine Familie aus Dänemark und eine aus Holland freunden sich an. Der dänische Vater latscht durchs halbe Dorf, weil die Tochter ihren geliebten Stoffhasen verloren hat. Der holländische Vater lobt die Tat mit eindringlichem Blick als «heroisch». Der Däne ist total begeistert von so viel Aufmerksamkeit – einen Helden hat ihn schon ewig niemand mehr genannt.
Als die Holländer die Dänen später für ein Wochenende in ihr Landhaus einladen, verfinstert sich die Situation. Hier muss man nicht mehr sagen als: «Speak No Evil» ist ein Horrorfilm, einer von der heftigsten Art. Er konzentriert sich auf den psychologischen Terror.
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Wie in «8 Tage im August» führt auch hier ein Paar, das holländische, ein weniger gehemmtes Leben als das andere. Das wirkt auch dann anziehend, wenn die Dänen längst hätten flüchten müssten. Und wie im Schweizer Drama versagt der Vater darin, als Beschützer aufzutreten. Er ist auch einfach zu freundlich, schliesslich ist er Gast.
«Speak No Evil» liefert das drastischste Bild der Lähmungserscheinungen des zeitgemässen Mannes und Vaters. Es gipfelt in einer der unerträglichsten Horrorfilmszenen der jüngsten Filmgeschichte – sie verdichtet die Hilflosigkeit angesichts des Horrors zu einem klaustrophobischen Albtraum.
Was, wenn das Ereignis, dessentwegen der Mann in die Starre verfällt, nicht einfach ein Sonnenstich ist, sondern die Begegnung mit jemandem, der keine Gnade kennt? Das Beunruhigendste daran ist die Vorstellung, dass es Mächte gibt, die einem nichts anderes erlauben, als in den Freeze-Modus zu wechseln. Das Gefühl von Versagen wird abgrundtief.
Da kann Adam am Ende von «8 Tage im August» eigentlich froh sein, dass alle davongekommen sind – mit ein paar äusseren und inneren Beulen.
«8 Tage im August», im Kino. «Speak No Evil» in der Schweiz auf Paramount+ oder Apple TV.
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