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Grundeinkommen für Arbeitslose
560 Euro im Monat geschenkt – und jetzt?

Juha Järvinen (rechts) war für das Experiment ausgelost worden. Er nutzte das Grundeinkommen auch, um in seiner Werkstatt zu arbeiten.

Und dann fällt die klassische Frage. «Macht das Grundeinkommen faul?» Minna Ylikännö, die Leiterin des Forscherteams, zögert, lächelt – und sagt: «Wir haben die Menschen nicht gefragt, ob sie faul geworden sind.» Die Frage kam, per Whatsapp, von einem Journalisten aus Asien. Sie war, wie die Antwort, Teil der Präsentation der finalen Ergebnisse des Grundeinkommensexperiments in Finnland. Der kurze Dialog war bezeichnend für den kleinen Versuch in Finnland und seine grosse Wahrnehmung in der Welt.

In dem nordeuropäischen Land hat in den Jahren 2017 und 2018 ein Experiment stattgefunden, das dem, was landläufig unter Grundeinkommen verstanden wird, am nächsten kommt. 2000 zufällig ausgewählte Arbeitslose erhielten über einen Zeitraum von zwei Jahren ihre Sozialversicherungszahlungen von 560 Euro bedingungslos. Ihnen wurden Zuverdienste nicht wie sonst üblich abgezogen. Auch Verpflichtungen gegenüber den Sozialbehörden, wie etwa der Nachweis von Bewerbungen, mussten sie nicht erbringen.

Die Teilnehmer wurden in Umfragen und persönlichen Interviews zu ihren Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt in dieser Zeit befragt, aber auch dazu, wie es ihnen geht; zusätzlich wurde ihre Jobsituation protokolliert.

Schon die Anlage war problematisch

Die finalen Ergebnisse waren vor allem eine Vertiefung dessen, was bereits Anfang 2019 veröffentlicht worden war: Teilnehmer mit Grundeinkommen fanden in geringem Masse besser, aber nicht schlechter Arbeit. Sie fühlten sich insgesamt wohler, waren seltener depressiv und ängstlich. Sie empfanden mehr Autonomie, weil sie länger finanziell vorausplanen konnten. Sie hatten stärker das Gefühl, ihre Zukunft in der Hand zu haben und Dinge von Bedeutung tun zu können.

Insbesondere die Arbeitslosen, die vorher schon geschäftig waren, haben sich freier gefühlt. Bei einem Teil stieg das Vertrauen in Institutionen wie Mitmenschen. Andererseits gab es Arbeitslose, die sich schon aufgrund der Tatsache stärker unter Druck gefühlt haben, dass sie Teil der – verpflichtenden – Studie waren. «Für diejenigen, die schon zuvor schwierige Lebensumstände hatten, konnte auch das Experiment ihre Probleme nicht lösen», sagt Helena Blomberg-Kroll, Professorin an der Universität von Helsinki.

Die Ergebnisse waren von Befürwortern wie Gegnern des Grundeinkommenskonzeptes ersehnt worden – auch in der Hoffnung auf Argumente für eine durch Corona wieder aktueller gewordene Debatte. «Es ist schwer, allgemeine Aussagen zu treffen», sagt jedoch die Leiterin des Forschungsteams, Ylikännö. Was sie nicht ausführte, aber mit ein Grund sein dürfte: Schon die Anlage war problematisch.

Eigentliches Projekt war zu teuer

Die Forscher hätten gern ein Projekt mit unterschiedlichen, nicht nur arbeitslosen Teilnehmern in ganz Finnland und unterschiedlich hohen Auszahlungen erforscht. Ergänzen wollten sie das durch lokale Projekte, wo alle Mitglieder einer Region ein Grundeinkommen erhalten, um zu sehen, wie sich ein Grundeinkommen auf Gruppen auswirkt. Dieser Ansatz hatte sich als zu teuer und zu komplex herausgestellt, hinzu kamen rechtliche Schwierigkeiten.

Zusätzlich verwässert wurden die Ergebnisse des abgespeckten Projekts durch die finnische Tagespolitik. Anfang 2018 wurden durch ein «Aktivierungsprogramm» die Auszahlbedingungen für finnische Arbeitslose insgesamt verschärft. Für die Wissenschaftler bedeutete das: Für Menschen in der Kontrollgruppe änderten sich während des Experiments die Rahmenbedingungen.

Das wichtigste Ergebnis war laut Minna Ylikännö denn auch kein inhaltliches, sondern dass man solche Experimente veranstalten könne, national, verpflichtend. Sie würde gern weiterforschen – und zeitweise hatte die Mitte-links-Regierung des Landes wohl sogar ein Experiment zur negativen Einkommensteuer in Erwägung gezogen. Davon, sagt sie, habe sie seit dem Beginn der Corona-Krise nichts mehr gehört. «Ich denke, die Regierung hat derzeit Besseres zu tun.»