Faktencheck zum Umweltalarm50 Jahre «Grenzen des Wachstums»: Lag der Club of Rome richtig?
Mit düsteren Szenarien zu Bevölkerungsexplosion, Umweltverschmutzung und Niedergang der Weltwirtschaft warf das Buch 1972 hohe Wellen. Was ist heute davon zu halten?
Der erste Bericht des Club of Rome von 1972 hat die Geschichte beeinflusst wie das «Das Kommunistische Manifest». 1848 war der «rote» Wendepunkt vom Frühkapitalismus zur sozialen Marktwirtschaft, 1972 der «grüne» Wendepunkt von der Wohlstandsgesellschaft zur hoffentlich noch möglichen Klimarettung.
Der 1972er-Schock war extrem, jede Auflage im Nu ausverkauft. Dreissig Millionen Exemplare in 37 Sprachen gingen weg, mit Abstand am meisten auf Deutsch. Mittlerweile haben «Die Grenzen des Wachstums» Sammlerwert. Antiquarisch kostete das Büchlein am 20. Februar gut 76 Euro.
Zum Start blies nicht ein Revoluzzer an einer Universität. Es war der italienische Industrielle Aurelio Peccei (Fiat, Alitalia, Olivetti), der im April 1968 siebzig Wissenschafter und Unternehmer aus 25 Staaten nach Rom rief. Einziges Traktandum: «Die Zukunft der Menschheit». Danach startete am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge ein Team, angeführt vom Ökonomen Dennis L. Meadows, finanziert von der deutschen Volkswagenstiftung. Ausgerechnet zwei Autokonzerne, Fiat und VW, haben also das «Nullwachstum» angetrieben.
Eine apokalyptische Botschaft
Für grosses Aufsehen sorgte eine mathematische Trivialität: Jedes prozentuale Wachstum verwandelt sich in ein exponentielles. Der Bericht beginnt mit der persischen Sage von Reiskörnern auf einem Schachbrett, die sich Feld für Feld verdoppeln. Von 1 auf 2 auf 4, 8 – und siehe da: Auf dem 64. Feld hätten mehr als sämtliche Reiskörner der Erde Platz finden müssen.
Noch besser zur apokalyptischen Botschaft passte das Bild von Seerosen, die sich innert eines Tages verdoppeln. Am 29. Tag überdecken sie den halben, am 30. Tag den ganzen Teich, sodass jedes Leben darin erstickt.
Das «Exponentielle» war der Kern des Gedankens schlechthin: Prozentuale Wachstumsraten wurden in die Zukunft extrapoliert. Eine fixe Mechanik, die zu starken Aussagen führte.
«Beim derzeitigen Expansionstempo könnten Silber, Zinn und Uran selbst bei höheren Preisen bis zur Jahrhundertwende knapp werden.»
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Aluminium, Blei, Gas, Gold, Kupfer, Molybdän, Petroleum, Silber, Quecksilber, Zinn, Zink – all diese Rohstoffe wären gemäss dem Bericht längst erschöpft. Doch die Autoren unterschätzten völlig die Wirkung steigender Preise als Anreiz für Exploration, Einsparungen und Ersatz von Rohstoffen.
Dasselbe Bild in der Landwirtschaft. Selbst bei optimistischen Annahmen könne die Nahrungsmittelproduktion mit dem Bevölkerungswachstum nicht Schritt halten, «noch vor dem Jahr 2000» werde «ein verzweifelter Landmangel herrschen», die Symptome seien bereits sichtbar, man müsse mit «vielleicht 10 bis 20 Millionen Todesfällen pro Jahr» wegen Unterernährung rechnen.
Fazit: Die Zusammenbruchszenarien bewahrheiteten sich nicht, die Entwicklung hielt sich nicht an die Extrapolationen. Der Bericht hat den technischen und sozialen Fortschritt und die wirtschaftliche Dynamik drastisch unterschätzt und war deshalb auf der ganzen Linie viel zu pessimistisch.
Das Wohl der Menschheit hat sich seit 1972 in allen Belangen, besonders auch in den armen Ländern, stark verbessert, wie etwa der Oxford-Statistiker Max Roser mit seiner Daten-Website Our World in Data zeigt.
Alles bloss Alarmismus?
Der Fairness halber sei präzisiert: Der Bericht macht nicht Prognosen, sondern präsentiert zwölf «Szenarien». Aber freilich läuft alles aufs Gleiche hinaus: höhere Sterberaten. Dass beim Wort «Sterberate» der Weltuntergang mitklingt, war beabsichtigt. Denn die Autoren wollten eine politische Reaktion auslösen: «Im jetzigen Zeitpunkt der Entwicklung hat die Menschheit fast auf jedem Sektor ihrer Tätigkeit noch die freie Wahl.»
Der Aufruf erschien zur richtigen Zeit. Am 2. März 1972, als Dennis Meadows den Bericht in Washington präsentierte, brummte die Wirtschaft, konnten sich gewöhnliche Familien einen VW Käfer leisten, waren Astronauten vom Mond zurück, ging in Beznau bald das erste Atomkraftwerk der Schweiz ans Netz.
Anderthalb Jahre später, im Oktober 1973, wurden die Theorien des Club of Rome von der Wirklichkeit eingeholt. Die Staaten des Erdölkartells Opec drosselten ihre Produktion, der Preis für das Fass Erdöl explodierte von drei auf fünf Dollar, «die Grenzen des Wachstums» blinkten auf. Der Bundesrat erklärte drei Sonntage für autofrei.
«Die CO₂-Konzentration wird bis zum Jahr 2000 380 ppm erreichen.»
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Ein wichtiger Punkt ist leider nicht vom Tisch. Erstmals hörte 1972 ein breites Publikum das Wort «Klimawandel» mit seinen unwiderruflichen Prozessen. Den Anstieg der CO₂-Konzentration sahen die Forscher recht präzise voraus: Es waren im Jahr 2000 am Mauna Loa auf Hawaii 370 ppm (Teile pro Million).
«Die Ursache für diesen exponentiellen Anstieg des CO₂ in der Atmosphäre ist die zunehmende Verbrennung fossiler Brennstoffe durch den Menschen.» Anpackend wurden «Maximalgrenzen» gefordert – 16 Jahre vor der Gründung des Weltklimarats IPCC und 43 Jahre vor dem Pariser Klimatreffen, wo die 2-Grad-Obergrenze ratifiziert wurde.
Anders als vorhergesagt, sind die nicht erneuerbaren Ressourcen nicht ausgegangen – sie haben sich dank neuen Fördermethoden vermehrt –, doch damit wurde das Klima erst recht angeheizt. «Was den Klimawandel betrifft, haben wir recht behalten», sagt die heutige Club-of-Rome-Präsidentin Sandrine Dixson-Declève im Interview.
Fazit: Der Bericht weist auf den langen Horizont. «Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Lauf der nächsten hundert Jahre erreicht.» Erst die Hälfte ist um. In dieser Hinsicht sind «Die Grenzen des Wachstums» noch nicht widerlegt.
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