Nazis in Uniform29 Polizisten teilten Bilder von einem Flüchtling in der Gaskammer
Nahezu eine gesamte Dienstgruppe samt Chef ist im Ruhrgebiet vom Dienst suspendiert worden. Die Beamten tauschten in Chats Hitler-Bilder und Hakenkreuze aus.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul war hör- und sichtbar erschüttert, als er am Mittwoch in Düsseldorf den Medien schlechte Nachrichten überbrachte. Von einer «Schande für die Polizei» sprach der Christdemokrat und davon, dass die Staatsgewalt durch die Vorwürfe «bis ins Mark» getroffen werde. Nicht weniger als das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat stehe infrage.
200 Polizisten hatten am Morgen im Ruhrgebiet drei Dutzend Wohnungen und Dienststellen durchsucht – und dabei ausnahmsweise gegen Berufskollegen ermittelt. Bei 29 Polizisten bestehe der Verdacht, so Reul, dass sie in privaten Chatgruppen rechtsextreme Propaganda geteilt hätten. Etwa die Hälfte der Polizisten habe aktiv mitgewirkt, die andere Hälfte die Beiträge wahrscheinlich nur gelesen.
Es gehe nicht um Lappalien, sondern um «übelste und widerwärtigste Hetze»: Hitler-Bilder, Hakenkreuze, aber beispielsweise auch die fiktive Darstellung eines Flüchtlings in einer Gaskammer. Eine der fünf Chatgruppen sei vermutlich bereits 2012 eingerichtet worden, die anderen wohl 2015.
Alle 29 Polizisten seien am Morgen vom Dienst suspendiert worden. Mindestens 14 Beamte sollen aus dem Dienst entfernt werden, gegen 11 läuft bereits ein Verfahren wegen «Volksverhetzung». 25 der 29 Beamten gehörten einer einzelnen Schutzgruppe in Mülheim an der Ruhr an. Auch der Dienstgruppenleiter war an den Chats beteiligt.
Durch Zufall entdeckt
Auf die Gruppe gestossen war man durch Zufall. Ermittler hatten ein privates Handy eines Polizisten beschlagnahmt, den sie verdächtigten, Dienstgeheimnisse an Journalisten weitergegeben zu haben. Auf dem Handy fanden sie dann die Chats. Reul erwartet, dass die Auswertungen weiterer Handys die Zahl der Verdächtigen noch erhöhen werde.
In den letzten zwei Jahren hatten sich Meldungen über Rechtsextreme bei der Polizei stark gehäuft. Seit Monaten werden linke Künstlerinnen, Politikerinnen und Anwältinnen unter dem Titel «NSU 2.0» bedroht, die Schreiben stammen wahrscheinlich aus Polizeikreisen. In Frankfurt am Main, in Baden-Württemberg und in München wurden zuletzt Chatgruppen bekannt, in denen mehrere Dutzend aktive und ehemalige Polizisten rassistische und antisemitische Propaganda verbreiteten.
Das sind keine Einzelfälle mehr.»
Seit in Deutschland Innenministerium und Verfassungsschutz den Rechtsextremismus als derzeit grösste Bedrohung identifiziert haben, wird auch bei Polizei und Armee genauer hingeschaut. Und je genauer die Behörden hinschauen, desto mehr Fälle werden bekannt. Auf 400 bezifferte der «Spiegel» kürzlich die bekannt gewordenen Fälle bei der Polizei seit 2014.
«Das sind keine Einzelfälle mehr», sagte Reul über sein eigenes Bundesland, da müsse man künftig noch genauer hinsehen. Er habe deswegen bereits eine Sonderinspektion des am meisten betroffenen Präsidiums in Auftrag gegeben und werde zudem einen Sonderbeauftragten für Rechtsextremismus in der Polizei ernennen. «Für Rechtsextremisten gilt auch in der Polizei null Toleranz», so Reul. Das sei man nicht zuletzt den mehr als 50’000 übrigen Polizisten in Nordrhein-Westfalen schuldig, die fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ihren Dienst tun.
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