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Ungerechte Verteilung
25 Impfungen für ein Entwicklungsland

Warnt, die ungerechte Impfstoffverteilung verlängere die Pandemie: Tedros Adhanom Ghebreyesus, Chef der Weltgesundheitsorganisation.
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Johann Rupert macht es vor: Der reichste Mann Südafrikas, der beim Luxuskonzern Richemont (Cartier, IWC) das Sagen hat, kontrolliert auch die Klinikkette Hirslanden. Was dem 70-Jährigen die Möglichkeit verschaffte, vor dem offiziellen Impfstart eine der begehrten Covid-Impfungen in der Schweiz zu erhalten.

Die Reichen zuerst: Diese Ungerechtigkeit gibt es auch auf Ebene der Staaten. Wohlhabende Länder wie die USA, die EU-Mitglieder und die Schweiz haben sich in Kaufverträgen mit den Impfstoffherstellern insgesamt 4,2 Milliarden Impfdosen gesichert. Das sind 74 Prozent aller Bestellungen. Das zeigen die Daten des Global Health Innovation Centers der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina.

Dabei wohnen in diesen Staaten insgesamt nur rund eine Milliarde Menschen. Staaten mit tieferen Einkommen haben sich bis heute nur 675 Millionen Impfdosen sichern können.

Noch drastischer fällt der Vergleich mit den bereits verimpften Dosen aus. Die Schweiz hat nach Angaben des Bundesamts für Gesundheit bislang rund 170’000 Dosen verabreicht. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bekamen die Menschen in den 49 Ländern mit hohem Einkommen insgesamt 39 Millionen Impfungen.

«Aber nur 25 Dosen wurden in einem einzigen Land der tiefsten Einkommenskategorie verabreicht», klagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus diese Woche in einer Rede: «Nicht 25 Millionen, nicht 25’000. Nur 25.»

Welches Land das war, sagte er nicht. Laut Weltbank zählen derzeit 32 Staaten zur tiefsten Einkommenskategorie, bei denen die Wirtschaftsleistung pro Kopf weniger als 1035 Dollar beträgt. Es sind Länder wie Äthiopien, der Sudan oder Syrien.

«Am Ende werden diese Handlungen zu einer Verlängerung der Pandemie führen.»

Tedros Adhanom Ghebreyesus, WHO-Chef

Es könne aber nicht sein, dass die reichen Länder bereits damit beginnen, Junge und Gesunde zu impfen, während Entwicklungsländer noch nicht einmal genug Impfungen hätten, um das Gesundheitspersonal und ältere Menschen mit Impfungen zu schützen. «Am Ende werden diese Handlungen nur zu einer Verlängerung der Pandemie und der damit verbundenen Restriktionen sowie dem Leid und den wirtschaftlichen Schäden führen», warnt der WHO-Chef.

Eigentlich sollte der weltumspannende Einkaufsverband Covax (Covid-19 Vaccine Global Access Facility) den Impfnationalismus bremsen. Er wird von der WHO, der Impfallianz Gavi und der Forschungsplattform Cepi geleitet. Sie haben zum Ziel, Impfstoffe weltweit zentral zu beschaffen und zu verteilen. 190 Staaten machen mit, auch die Schweiz. Zwei Milliarden Impfdosen will Covax so bis Ende 2021 verteilen, davon sollen 1,3 Milliarden Dosen gratis an 92 Staaten der tieferen Einkommenskategorie gehen.

Nach Angaben einer Sprecherin hat Covax bisher aber keine einzige Impfdosis an einen dieser Staaten ausgeliefert. Das liegt daran, dass Covax seine Impfungen bei AstraZeneca, Johnson & Johnson, Sanofi und dem Serum Institute of India bestellt hat – und deren Impfstoffe noch keine Zulassung von der WHO haben.

USA unterstützten die Impfallianz

Der Impfstoff von AstraZeneca und der Universität Oxford dürfte indes bald zugelassen werden. «Wir rechnen daher mit ersten Lieferungen im Februar», so eine Covax-Sprecherin. Am Freitag haben auch Pfizer und Biontech einen Liefervertrag mit Covax laut Reuters abgeschlossen, über die vereinbarte Liefermenge war zunächst nichts bekannt.

Covax hat aber noch nicht das nötige Geld für alle 1,3 Milliarden geplanten Gratisimpfungen zusammen. Die USA haben nach dem Regierungswechsel zwar angekündigt, Covax unterstützten zu wollen. Laut Covax haben die USA eine Finanzhilfe über 4 Milliarden Dollar zugesagt. Doch das reicht immer noch nicht, um das Impfprogramm zu finanzieren, es fehlen noch 2,8 Milliarden Dollar.

In der Kritik steht auch die Industrie: Laut WHO-Chef Ghebreyesus konzentrieren die Anbieter ihre Zulassungsanträge auf die Behörden aus reichen Ländern, statt ihre Dossiers bei der WHO einzureichen, die für weniger entwickelte Länder die Prüfung übernimmt.

«Es ist keine Überraschung, dass wir da sind, wo wir sind», sagt Jayasree Iyer, die Chefin der Stiftung Access to Medicine, welche der Pharmaindustrie auf die Finger schaut, ob sie ihre Produkte auch ärmeren Staaten zur Verfügung stellt. Seit der Sars-Krise sei klar, dass eine globale Pandemie nur eine Frage der Zeit sei.

So hat die WHO seit 2016 eine Liste mit Krankheiten wie Coronaviren, die ein weltweites Gefährdungspotenzial haben. «Aber wenn man sich die Entwicklungspipelines der Industrie anschaut, dann sieht man, dass die Produktpipelines für diese Krankheiten leer waren.» Das hat sich erst mit der Krise im vergangenen Jahr geändert.

AstraZeneca ist die positive Ausnahme

Zudem würde die Pharmaindustrie immer noch nicht bei jeder Neuentwicklung einen Plan entwickeln, wie ein neues, lebensnotwendiges Medikament auch ärmeren Staaten zugänglich gemacht werden kann.

Bei der Corona-Krise gibt es hier eine rühmliche Ausnahme: AstraZeneca und die Uni Oxford haben mit insgesamt zehn Lizenzherstellern Abkommen zur Herstellung ihres Impfstoffs abgeschlossen, unter anderem mit dem Serum Institute of India. Von den insgesamt geplanten 3,2 Milliarden Impfdosen soll die Hälfte an arme und Länder mit mittelhohen Einkommen wie Indien gehen. Doch das allein wird das Problem der ungleichen Verteilung nicht lösen.