Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Ratschläge statt Öffnungsschritt
Zum Opa ins Heim nur mit Zertifikat – Bersets Ansinnen polarisiert

Kommt die Zertifikatspflicht jetzt auch im Altersheim? Der Gesundheitsminister empfiehlt das den Kantonen.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Die Rückkehr zur Normalität muss warten. Angesichts der unzureichenden Impfquote und der hochansteckenden Delta-Variante verzichtet der Bundesrat vorerst auf den geplanten Lockerungsschritt nach den Sommerferien. Stattdessen unterbreitete Gesundheitsminister Alain Berset den kantonalen Gesundheitsdirektoren am Mittwoch in einer Telefonkonferenz aus den Ferien zwei «dringende» Empfehlungen.

Erstens sollen sie beim ungeimpften Gesundheitspersonal eine Testpflicht anordnen. Und zweitens sollen künftig auch Besucherinnen und Besucher von Spitälern, Pflege- und Altersheimen mittels Zertifikat nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind.

Zertifikatspflicht derzeit nicht notwendig

Ob die Empfehlungen auf fruchtbaren Boden fallen, scheint allerdings fraglich. Insbesondere die Zertifikatspflicht für Besucherinnen und Besucher polarisiert. Ruth Humbel (CVP), Präsidentin der nationalrätlichen Gesundheitskommission, sagt: «Gesundheitsinstitutionen gehören meines Erachtens zu den Orten des alltäglichen Lebens, wo das Covid-Zertifikat grundsätzlich nicht vorgesehen ist.» Für die Nationalrätin kommt eine solche Massnahme erst infrage, wenn Ansteckungen und Hospitalisationen weiter zunehmen «und Besucher zum Risiko für Patienten und Spitalpersonal werden».

Skeptisch ist man auch beim Heimverband Curaviva: «Ob das Zertifikat eine effektive Schutzmassnahme darstellt, gilt es zunächst detailliert zu klären», sagt Direktor Daniel Höchli. Aus seiner Sicht müsste auf jeden Fall die Finanzierung durch die Kantone sichergestellt und die Umsetzung gut koordiniert werden.

Zudem sagt Höchli, die Lage in den Heimen habe sich beruhigt. Gemäss BAG gebe es sehr wenig Infektionsfälle bei Heimbewohnerinnen und -bewohnern. «Die Gefahr von Ausbrüchen ist aus Sicht Curaviva momentan gering.» Vereinzelt könnten Fälle eintreten – dank der hohen Impfquote der Risikogruppe hätten diese jedoch einen milden Verlauf.

Infektionsfälle bei Heimbewohnerinnen und -bewohnern gibt es derzeit laut BAG nur wenige.

Auch eine erste Stellungnahme der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) bleibt im Ungefähren: «Die meisten Massnahmen werden ja schon heute in den Kantonen umgesetzt oder empfohlen, wenn auch nicht alle Massnahmen in allen Kantonen und auf dieselbe Weise», schreibt Generalsekretär Michael Jordi. In vielen Pflegeheimen oder anderen Gesundheitsinstitutionen bestünden schon Zutrittsregelungen mit Zertifikat oder separatem Test. «Doch es gibt auch andere Schutzmöglichkeiten für Besuchende, je nach den spezifischen Gegebenheiten.»

Testpflicht gilt schon in Zürich

Ähnlich zurückhaltend reagiert die GDK, wenn es um eine Testpflicht für ungeimpftes Personal geht. Gegenüber Radio SRF sagte der Basler Gesundheitsdirektor und GDK-Präsident Lukas Engelberger, «dass wir jetzt nicht den Druck auf einzelne Mitarbeitende erhöhen sollten, sondern dass wir beharrlich das Impfangebot in Erinnerung rufen müssen».

Insbesondere eine «harte rechtliche und durchsetzbare Verpflichtung» zu Tests sehen die Gesundheitsdirektoren «im Moment» kritisch. Gleichzeitig betonen sie jedoch, die Arbeitgeber seien in der Pflicht, für nicht geimpftes und nicht genesenes Gesundheitspersonal regelmässige Tests vorzusehen und anzubieten.

Bereits Erfahrungen gemacht hat der Kanton Zürich mit der Testpflicht für ungeimpftes Spitalpersonal. Diese gilt dort bereits seit April. Ronald Alder vom Verband der Zürcher Krankenhäuser sagt, dass sich die wöchentlichen Tests eingebürgert hätten. Auch der Schweizer Spitalverband H+ sperrt sich nicht gegen eine allfällige Pflicht. Die Finanzierung dieser «zusätzlichen Aufgaben» müsse aber vorgängig geklärt werden.

Das Spitalpersonal hat gegen die Testpflicht nichts einzuwenden. «Das ist eine sinnvolle Massnahme», sagt Roswitha Koch vom Verband des Pflegepersonals. «Uns ist wichtig, dass es keine Impfpflicht gibt – gleichzeitig sind wir selbstverständlich dafür, dass gefährdete Personen in Spitälern und Heimen möglichst gut geschützt sind.» Und da sei Bersets Empfehlung ein «starkes Signal».

Normalisierung verschoben

Die nächste Bundesratssitzung findet am 11. August statt. Wann der auf Eis gelegte Öffnungsschritt nachgeholt werden kann und die Schweiz in die sogenannte Normalisierungsphase eintritt, ist noch offen. Denn noch sind nicht alle Impfwilligen geimpft. Das zeigt sich unter anderem daran, dass die Nachfrage nach Impfungen momentan wieder leicht steigt.

Dass der Bundesrat weiter zuwartet, ist für SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi unverständlich: «Alle älteren und gefährdeten Personen sind geimpft. Damit sind die Voraussetzungen gegeben, alle Massnahmen aufzuheben», argumentiert er. Ruth Humbel dagegen unterstützt den bundesrätlichen Entscheid: «Die Situation ist nicht stabil genug für weitere schnelle Öffnungsschritte», sagt die CVP-Nationalrätin.

Die schweizweit höchste Inzidenz gemessen an der Bevölkerungszahl verzeichnet derzeit der Kanton Genf, der schon von früheren Wellen der Pandemie hart getroffen wurde. Dort ist man erleichtert, dass der Bund den Gang in die Normalität vorerst abgeblasen hat. Das «Timing» dafür wäre denkbar schlecht gewesen, findet Departementssprecherin Florence Forget. Viel eher müsse nach den Sommerferien wieder über Schritte nachgedacht werden, um das Übertragungsrisiko zu verhindern – «gegebenenfalls durch neue restriktive Massnahmen».

Apropos – der tägliche Podcast

Den Podcast können Sie kostenlos hören und abonnieren auf
Spotify, Apple Podcasts oder Google Podcasts. Falls Sie eine andere Podcast-App nutzen, suchen Sie einfach nach «Apropos».