Zürcher Uferinitiative gescheitertEnttäuschung bei den Initianten und eine Kampfansage
64 Prozent der Stimmberechtigten haben die Initiative abgelehnt, die einen durchgehenden Uferweg am Zürichsee forderte. Die Initianten geben aber nicht auf.

Das Resultat ist deutlicher ausgefallen, als von Gegnern und Befürwortern erwartet wurde: 64 Prozent der Stimmberechtigten haben die Initiative für einen durchgehenden Uferweg am Zürichsee abgelehnt.
Auch in der Stadt Zürich resultierte ein Nein – allerdings nur mit 50,07 Prozent. In den direkt betroffenen Bezirken gab es jedoch einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Nein-Stimmen. In Horgen waren es 67, in Meilen gar 73 Prozent.
Die Stimmbeteiligung war mit 58 Prozent verhältnismässig hoch, erreichte aber die im Vorfeld prognostizierten 60 Prozent nicht.
Zufriedene Volkswirtschaftsdirektorin
Die Mehrheit der Stimmberechtigten will nicht «mit der Brechstange» einen durchgehenden Uferweg am Zürichsee. So interpretierte die Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh das Resultat.

Das Volk habe entschieden, dass es nicht «unverhältnismässig viel Geld» für einen durchgehenden Uferweg am Zürichsee einsetzen wolle, fuhr sie fort, als sie gegen 16.30 Uhr zusammen mit Regierungspräsident Mario Fehr vor die Medien trat. Es wolle auch keine langwierigen Rechtsstreitigkeiten. Und es habe sich mit diesem Nein zur Initiative dafür ausgesprochen, dass sich die betroffenen Gemeinden an den Kosten beteiligen müssen.
Neue Uferwege gibt es trotzdem
Der Regierungsrat werde aber weiterhin neue Uferwege konstruktiv ausbauen und verbessern, versicherte sie. Dabei werde eine sorgfältige Interessenabwägung vorgenommen.
Die Regierungsrätin zählte in der Folge fünf konkrete Wegstücke entlang des Zürichsees auf, in die bis 2028 investiert werde, um sie attraktiver zu machen. Sie liegen in den Gemeinden Richterswil, Thalwil, Männedorf, Wädenswil und Uetikon am See.
Die glücklichen Gegner
Auch SVP-Kantonalpräsident Domenik Ledergerber, der sich an vorderster Front gegen die Uferinitiative eingesetzt hatte, hätte ein so deutliches Resultat nicht erwartet.

Für ihn haben vor allem zwei Argumente gestochen. Die von der Regierung veranschlagten Kosten von einer halben Milliarde Franken und der Schutz des Privateigentums. «Alle wünschen sich ein eigenes Haus, viele können es sich auch leisten. Da will man nicht, dass der Staat sich einmischt.»
Er bekräftigte aber, wie auch Walker Späh, dass das Resultat nicht dazu führen werde, dass seine Partei sich nun grundsätzlich gegen weitere Seeuferwege stelle. «Wir respektieren die bestehenden gesetzlichen Grundlagen.» Ein durchgehender Uferweg am Zürichsee sei aber damit vom Tisch.
Die enttäuschte Initiantin
Julia Gerber Rüegg hat sich seit einem Jahr intensiv für die Initiative eingesetzt. Wie erklärt sie sich diese deutliche Niederlage? Sie ist sich sicher: «Der Regierungsrat ist schuld.» Er habe den Eindruck erweckt, dass es sich bei dieser Abstimmung um eine Kreditvorlage über eine halbe Milliarde Franken handle.
Das sei doppelter Unsinn. Einerseits sei es lediglich um eine Verfassungsinitiative gegangen, andererseits sei der Betrag lediglich von Vermutungen ausgegangen.
Baustopp am See verlangt
Trotzdem habe die Initiative viel bewegt: «Zuvor war es nicht im Bewusstsein der Menschen, dass die Ufer von Seen und Flüssen Allgemeingut sind. Das ist nun wieder präsent.»
Und was geschieht nun mit dem Verein Ja zum Uferweg? «Der wird natürlich weitermachen.» Gerber Rüegg fordert nun einen Baustopp am See.

Was ändert sich nun?
Unmittelbar wird das Resultat nichts ändern. Der Seeuferweg ist in der Verfassung verankert. Und das Geld, ihn Stück für Stück zu realisieren, ist bereits seit Jahren – und Jahr für Jahr – im Budget vorgesehen: 6 Millionen Franken sind es jährlich.
Allerdings wird dieses deutliche Volks-Nein möglicherweise zum Tragen kommen, wenn es bei konkreten Projekten darum geht, öffentliches Interesse gegen Privateigentum abzuwägen.
Das Nein in Zürich zu einer Uferinitiative hat aber auch Signalwirkung für die ganze Schweiz. Denn der Verein Rives Publiques mit seinem umtriebigen Präsidenten Victor von Wartburg steht mit einer nationalen Initiative für freie Seeufer in den Startlöchern. Ihre Chance, ans Ziel zu kommen, hat durch dieses Nein aus Zürich wohl gelitten.
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