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«Partygate»-Affäre in Grossbritannien
Zensierter Bericht soll in Kürze vorgelegt werden

Ein stark zensierter Bericht dürfte den britischen Premierminister Boris Johnson wohl kaum gefährden. (26. Januar 2022)
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Der mit Spannung erwartete Untersuchungsbericht zu Lockdown-Partys in der Downing Street soll Medienberichten zufolge bald in einer «stark zensierten» Version an Premier Boris Johnson übergeben werden. Das berichteten mehrere britische Medien am Freitagabend übereinstimmend unter Berufung auf Regierungsquellen.

Die Übergabe des Berichts an Premierminister Boris Johnson steht demnach kurz bevor. Mit der offiziellen Vorstellung im Londoner Unterhaus wird nicht vor Anfang der Woche gerechnet.

Polizei bittet um Zensur

Dass der ursprünglich als brisant geltende Bericht nun in einer geschwärzten Version erwartet wird, hängt mit den Ermittlungen der Polizei zusammen. «Wir haben darum gebeten, in dem Bericht des Cabinet Office nur minimalen Bezug auf die Veranstaltungen zu nehmen, die von der Metropolitan Police untersucht werden», hiess es in einer Mitteilung von Scotland Yard am Freitag. Damit solle «jegliche Voreingenommenheit» bei den Ermittlungen verhindert werden, hiess es zur Begründung.

Danach war zunächst unklar, ob der Gray-Bericht erst deutlich verspätet nach Abschluss der Polizei-Ermittlungen veröffentlicht werden würde oder zeitnah in einer zensierten Version. Eigentlich wurde schon in dieser Woche mit dem vollständigen Bericht gerechnet. Die Oppositionsparteien pochen auf eine vollständige Veröffentlichung.

Die Londoner Polizei hat den Vorwurf zurückgewiesen, die Veröffentlichung des mit Spannung erwarteten Berichts über Lockdown-Partys im britischen Regierungssitz zu verzögern. Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung entscheide allein das Untersuchungsteam des Cabinet Office, erklärte die Polizei am Freitagabend.

Die Polizei hatte am Dienstag überraschend angekündigt, in der Sache zu ermitteln. Dabei könnte es hingegen später lediglich darum gehen, ob Beteiligte Bussgelder zahlen müssen. Diese Abfolge könnte ein Misstrauensvotum gegen Johnson, für das sich mindestens 54 Abgeordnete schriftlich gegen Johnson positionieren müssen, unwahrscheinlicher machen.

Aufatmen für Boris Johnson

Für den seit Wochen heftig unter Druck stehenden Premierminister Boris Johnson sind das gute Neuigkeiten. Der interne Bericht zu mehreren Events in dessen Amtssitz 10 Downing Street und anderen Regierungsgebäuden gilt als höchst brisant. Berichten zufolge sollen Regierungsmitarbeiter und auch Johnson selbst während der Pandemie mit Feiern die eigenen Regeln für Kontaktbeschränkungen missachtet haben. Sollte sich das bestätigen, gilt ein Misstrauensvotum gegen den Premier als wahrscheinlich. Doch bis das geklärt ist, dürften nun Wochen vergehen.

Die Liste der mutmasslich illegalen Zusammenkünfte ist lang: Mehrere Weihnachtsfeiern, eine Geburtstagsrunde, eine Gartenparty und nächtliche Besäufnisse vor dem Begräbnis des langjährigen Queen-Gatten Prinz Philip. Grays Bericht sollte klären, wer wann wo, wie oft und wie lange mit wem gefeiert hat.

Johnson hatte bislang so gut wie alle Fragen dazu jedoch unter Verweis auf die laufenden internen Untersuchungen abgeschmettert und jegliche Kenntnis von Lockdown-Verstössen abgestritten. Nun gewinnt er weiter wertvolle Zeit, denn ein stark zensierter Bericht dürfte ihn wohl kaum gefährden. Die Gefahr einer Revolte in seiner Fraktion scheint damit vorerst abgewendet (Lesen Sie dazu: Boris Johnson wankt, die Nachfolger sind bereit).

«Das ist absoluter Quatsch von der Met Police»

Nazir Afzal, ehemaliger Chef-Staatsanwalt im Nordwesten England

Einige Rechtsexperten bezweifelten jedoch, dass die von der Polizei geforderten Einschränkungen notwendig sind. «Das ist absoluter Quatsch von der Met Police», schrieb Nazir Afzal, der ehemalige Chef-Staatsanwalt im Nordwesten Englands, zu der Mitteilung der Polizei auf Twitter. Ein rein faktischer Bericht von Sue Gray könne den polizeilichen Ermittlungen überhaupt nicht vorgreifen, so Afzal weiter und fügte hinzu: «Sie müssen nur den Beweisen folgen, von denen der Bericht ein Teil sein wird.» Andere Experten äusserten hingegen Verständnis für die Einwände der Metropolitan Police. «Eine strafrechtliche Ermittlung muss den höchsten Standards verfahrensrechtlicher Fairness genügen», sagte Kronanwalt Alex Bailin der BBC.

Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei bezeichnete die Regierung als «gelähmt» durch die anhaltende Affäre. Er wolle den vollständigen Sue-Gray-Bericht sehen. Und die Ermittlungen müssten so bald wie möglich abgeschlossen werden, sagte er der BBC.

Der konservative Abgeordnete Christopher Chope warf der Polizei sogar vor, ihre Position zu missbrauchen, um sich «in Staatsangelegenheiten einzumischen».

Erstmals äusserte sich auch die unter anderem auf Johnsons Betreiben gestürzte Ex-Premierministerin Theresa May zu der Affäre. Sie sei wütend über die mutmasslichen Lockdown-Feiern, schrieb sie einem Bericht des Lokalblatts «Maidenhead Advertiser» zufolge an Wähler in ihrem Wahlkreis. Niemand stehe über dem Gesetz.

SDA/AFP/aru