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Boris Johnsons Party-Gate
Die Beamtin, die über das Schicksal des Premiers entscheidet

Sie arbeitete schon unter vier Premierministern: Sue Gray, Staatsbeamtin.
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Dass er das getan habe, werde er noch bereuen, murmelten viele Tory-Abgeordnete in Westminster. Gemeint war nicht nur, dass Boris Johnson im Mai 2020 entgegen strikten Corona-Regeln an einer feuchtfröhlichen Gartenparty in No 10 Downing Street teilgenommen hatte. Sondern dass er die Staatsbeamtin Sue Gray mit der Untersuchung dieser Veranstaltung – und sechs weiterer mutmasslicher Lockdown-Partys – betraute. Jetzt, meinen Anhänger wie Gegner des Premiers, liege Johnsons Schicksal womöglich «in Grays Händen».

Zur Einleitung einer offiziellen Untersuchung sich mehrender Vorwürfe gegen seine Regierung sah sich der Regierungschef im Dezember gezwungen. Zunächst setzte er seinen Kabinettssekretär Simon Case, den einflussreichsten Staatsbeamten, ein. Als sich dann aber herausstellte, dass Case verschwiegen hatte, dass er selbst eine Party organisiert hatte, ging der Auftrag an die nächste in der Rangordnung weiter. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Boris Johnson soll endlich aufhören zu lügen».)

Sue Gray ist als langjährige Beauftragte für Fragen korrekten Verhaltens im Staatsapparat und als ebenso kompetente wie gründlich operierende Gutachterin bekannt. In der Tat diente die 65-Jährige, eine Veteranin der Beamtenschaft, bereits unter vier Premierministern. Sie arbeitete für Tony Blair und Gordon Brown im Kabinettsamt und war Generaldirektorin für Fragen von Anstand und Moral unter David Cameron.

Nach Untersuchungen von Sue Gray mussten ein Vizepremier und ein Kabinettsminister abtreten.

Theresa May beauftragte Sue Gray mit der Untersuchung ihres engsten Verbündeten Damien Green, des Vize-Premiers, auf dessen Computer pornografisches Material gefunden worden war. Green musste ebenso abtreten wie der von Gray unter die Lupe genommene Kabinettsminister Andrew Mitchell, der Polizisten als «Pöbel» beschimpft hatte. An Klarheit fehlte es ihren Berichten nie.

Sue Gray betrieb einst ein Pub in Nordirland

Tory-Politiker, die Boris Johnson gern abtreten sähen, das aber noch nicht offen zu sagen wagen, hoffen nun, dass Grays nächster Bericht ebenso klare Schlüsse zulässt und ihnen die Absetzung Johnsons erleichtert. Mit Partys, auf denen jede Menge Alkohol konsumiert wurde, sollte Gray keine Schwierigkeit haben, meinen sie. Immerhin betrieb sie für einige Zeit in den 1980er-Jahren, nach ihrer Heirat mit dem Country- und Western-Sänger Bill Conlon, ein Pub in der nordirischen Stadt Newry.

In den letzten Wochen hat sich Gray damit beschäftigt, Zeitabläufe und Umstände der umstrittenen Zusammenkünfte im Regierungsviertel in London zu klären und zu diesem Zweck Augenzeugen zu befragen und E-Mails, telefonische Mitteilungen und vielleicht auch Filmmaterial von Überwachungskameras zu sichten. Im Untersuchungsbericht wird Grey ihrem «Boss» Boris Johnson «die Faktenlage» vor Augen führen. Dann kann der Premier sehen, ob er sich, samt Mitarbeitern, rechtens verhalten hat.

«Unser Vereinigtes Königreich wird von Sue Gray gemanagt, die Chefin für Moral oder so was Ähnliches im Kabinettsamt ist.»

Oliver Letwin, früherer Minister fürs Kabinettsamt

Kurios ist zweifellos, dass eine Staatsbeamtin sich in einer solch exponierten Lage findet – dass ihre Untersuchung dem Regierungschef gilt, für den sie tätig ist. Etliche Beobachter meinen, dass es besser gewesen wäre, eine gänzlich unabhängige Person, wie etwa einen pensionierten Richter, mit der Sache zu beauftragen. Aber dafür ist es nun zu spät.

Bericht kann politische Folgen haben

Auf Sue Gray richten sich inzwischen alle Augen der Öffentlichkeit. Eigene Sanktionen kann sie natürlich keine verhängen. Und Boris Johnson könnte ihren Bericht, wenn er wollte, auf vielerlei Weise blockieren. Grossbritannien wartet mit Spannung darauf, was Gray zu sagen hat – wenn es ihr erlaubt ist, die Fakten öffentlich auszubreiten. Deutliche Worte in ihrem Bericht könnten unmittelbar politische Folgen haben.

Nicht zufällig wurde in den letzten Tagen wieder zitiert, was Sir Oliver Letwin, ein früherer Minister fürs Kabinettsamt, einmal spasseshalber gesagt hatte. Nämlich dass «unser grosses Vereinigtes Königreich in Wirklichkeit vollkommen von einer Lady namens Sue Gray gemanagt wird, die Chefin für Moral oder so was Ähnliches im Kabinettsamt ist». Ohne Gray, befand Letwin, laufe in der Regierung buchstäblich nichts.

Dieser Artikel erschien erstmals 13. Januar 2021. Er wurde am 26. Januar 2021 mit den aktuellsten Entwicklungen ergänzt.